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# taz.de -- Wirtschaftsweise Truger über Inflation: „Die EZB handelt richtig…
> Wegen der Inflation dürften die Löhne dieses Jahr nicht mehr als 3
> Prozent erhöht werden, mahnt der Wirtschaftsweise Truger.
Bild: Thermoaufnahme von Hochspannungsmasten bei Ludwigsburg
taz am wochenende: Herr Truger, im Dezember lag die Inflation bei 5,3
Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Warum hat niemand von den Ökonomen bei
der EZB, bei der Bundesbank oder bei den Fünf Weisen das prognostiziert?
Achim Truger: Es stimmt, dass wir von der Inflation überrascht wurden. Das
trifft aber auch auf jene Auguren zu, die jetzt sagen, sie hätten schon
immer gewarnt. Niemand hat diese Inflation prognostiziert. Keiner hatte auf
dem Schirm, dass die Lieferketten so lange gestört sein würden. Zudem sind
die Energiepreise enorm gestiegen. Bei den Gaspreisen hat das auch
geopolitische Ursachen wegen des Ukrainekonflikts, aber Energiepreise sind
generell schwer zu prognostizieren.
Könnte es sein, dass man die Inflation nicht wahrhaben wollte, weil sie
politisch stört? Schließlich haben sich jetzt alle darauf eingestellt, dass
die EZB eine Nullzinspolitik betreibt – das geht aber nur, solange es keine
Geldentwertung gibt.
Die EZB handelt richtig, wenn sie vor Zinserhöhungen noch zurückschreckt.
Schließlich hat sich die europäische Wirtschaft noch nicht richtig vom
Coronaschock erholt. Gefährlich wäre es, wenn die Löhne stark anziehen
würden, denn sie sind der wichtigste Kostenfaktor. Steigende Gehälter
würden auf die Preise durchschlagen, und es käme zu einer
Lohn-Preis-Spirale. Aber die Gehälter steigen kaum im Euroraum. Selbst in
Deutschland und den Niederlanden, wo es auf dem Arbeitsmarkt gut läuft,
ziehen die Löhne nur moderat an.
Für 2022 prognostiziert die Bundesregierung eine Inflation von 3,3 Prozent.
Ist Ihre Botschaft also, dass sich die Gewerkschaften bei den Löhnen
zurückhalten sollen, damit es nicht zu einer Lohn-Preis-Spirale kommt?
Problematisch würde es erst bei Lohnsteigerungen von deutlich über 3
Prozent. Da wäre bei den Tarifabschlüssen noch Luft nach oben.
Ab Oktober soll der Mindestlohn auf 12 Euro steigen. Wird das nicht die
Inflation anheizen?
Das gibt einen einmaligen, sehr begrenzten Effekt. Tatsächlich wird die
Lohnsumme vielleicht um 8 Milliarden Euro im Jahr steigen. Das würde
maximal eine einmalige Inflation von 0,4 Prozentpunkten bedeuten – wenn
alle Mindestlöhne komplett auf die Preise durchschlagen. Damit ist aber gar
nicht zu rechnen, weil viele Unternehmen die Produktion effizienter
gestalten oder lieber die eigenen Gewinne schmälern, statt die Preise
anzuheben.
Wir haben aber auch einen Fachkräftemangel, der permanent spürbarer wird.
Wenn die Arbeitskräfte knapp sind, wird das doch quasi automatisch zu
Lohnsteigerungen führen?
Mit dem Fachkräftemangel haben wir schon länger zu tun, und bisher hat er
nicht zu übertriebenen Lohnsteigerungen geführt.
Wann also normalisiert sich die Inflationsrate wieder?
Ende des Jahres sollte das Thema durch sein, denn die Energiepreise sollten
sich normalisieren. Natürlich ist der Ukrainekonflikt ein Risiko beim
Gaspreis.
Bis dahin trifft die Inflation aber nicht alle gleich: Vor allem Familien
zahlen deutlich mehr. Was raten Sie der Regierung?
Die Bundesregierung hat ja bereits vor, einen Zuschlag beim Wohngeld
auszuzahlen. Das ist richtig. Um gezielt Familien zu entlasten, könnte man
den Kinderbonus noch mal aktivieren.
In welcher Höhe?
2020 gab es 300 Euro pro Kind, um Corona zu überbrücken. Warum nicht noch
mal in dieser Größenordnung?
Was halten Sie davon, die Mehrwertsteuer bei der Energie zu senken?
Sinnvoll wäre es, die Abschaffung der EEG-Umlage vorzuziehen. Für 2023 ist
das sowieso beschlossen. Das hätte auch einen leicht dämpfenden Effekt auf
die Inflation, was die Auguren vielleicht etwas besänftigen würde. Eine
Senkung der Mehrwertsteuer würde gezielter die größten Preissteigerungen
dämpfen, aber dann würden auch die Länder und Kommunen Einnahmen verlieren.
Viele Gemeinden bräuchten aber genau das Gegenteil.
Wenn der Staat die Bürger entlastet, fehlt hinterher das Geld für die
Investitionen. Was wird aus den grünen Plänen für den Klimaschutz?
Im Koalitionsvertrag ist genug Spielraum für die Investitionen. Außerdem
dürften die Steuereinnahmen deutlich besser ausfallen als erwartet. Die
neue Regierung hat Glück, dass sie mehr zu verteilen hat.
In Zukunft sollen die CO2-Preise ständig steigen. Damit wird die Inflation
doch zu einem Dauerphänomen, oder?
Das muss man abwarten. Die Frage ist, wie schnell es gelingt, den
Energieverbrauch zu reduzieren, indem die Technik effizienter wird.
Außerdem zeigen die derzeit hohen Preise für fossile Energie, wie wichtig
es ist, auf Windkraft und Solarpaneele zu setzen. Das macht unabhängiger.
30 Jan 2022
## AUTOREN
Stefan Reinecke
Ulrike Herrmann
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