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# taz.de -- Der Kanzler im ZDF-Interview: Merz rettet Scholz
> Scholz gelingt es, seine Ukrainepolitik langsam besser zu erklären. Merz
> hingegen verwechselt Kiew mit Lüdenscheid – und Krieg mit Wahlkampf.
Bild: Wollte nie Zirkusdirektor werden: Bundeskanzler Olaf Scholz
Wenn man den allermeisten Kommentaren glaubt, wären wir mit einem anderen
Kanzler derzeit besser bedient. Olaf Scholz zögere – anstatt Putin die
Stirn zu bieten, flugs Bundeswehr-Kampfpanzer nach Kiew zu liefern und
überhaupt entschiedener zu wirken. So wie Friedrich Merz, der sein Herz auf
der Zunge trägt.
Scholz hat mal gesagt, er wollte Kanzler und nicht Zirkusdirektor werden.
Für Letzteres sind seine Talente auf jeden Fall überschaubar. Inszenierung
ist nicht seine Stärke. Erst kanzelte er Fragen nach schweren Waffen als
ahnungsloses Gerede ab. Dann erklärte er viel zu spät in einem
Spiegel-Interview endlich doch seine Skepsis gegen die Lieferung von
Angriffswaffen. Drei Tage später kam die Entscheidung, 50 Gepard-Panzer zu
liefern. Ein Zirkusdirektor mit diesem Timing würde gefeuert. Wahrheit ist
eine Frage des Zeitpunkts.
Im [1][ZDF-Interview] war nun ein recht vitaler, rhetorisch wacher Kanzler
zu sehen. Nach Kiew wird er nicht reisen, weil man dem Bundespräsidenten
nicht die Tür weisen kann, um den Kanzler einzuladen. Das ist
nachvollziehbar, wirkt auch nicht beleidigt, und rückt die Maßstäbe
zurecht. Es ist ja seltsam, einem Land, das der Ukraine militärisch,
finanziell und politisch hilft, so rüde zu kommen. Point taken.
Aus der Kriegszieldebatte hält sich Scholz heraus. Dem
US-Verteidigungsminister, der forsch eine dauerhafte Niederlage Moskaus zum
Ziel erklärte, widerspricht er nicht direkt, lässt aber Distanz erkennen.
Er kritisiert auch Ungarns Nein zum Ölembargo nicht. Die Devise lautet: Die
Einheit von EU und Nato ist die schärfste Waffe gegen Putin. Daher gilt es
den Konsens zu betonen, nicht den Dissens.
Was noch? Ein energisch vorgetragener, plausibler Einspruch gegen
selbstbezüglichen, westlichen Moralismus. Es sei denkbar, so Scholz, dass
Putin beim [2][G20-Gipfel in Indonesien] teilnehmen werde. Denn man müsse
begreifen, wie man in Indien und Indonesien auf Krieg und Putin blickt. Der
Westen braucht Verbündete, denen man besser nicht mit Belehrungen kommt. Es
sei „ein schwerer Fehler“, Demokratie als „westliche Lebenskultur“
misszuverstehen.
Ansonsten freut sich der Kanzler, dass Baerbock und Habeck, die Talent als
Performer und Erklärer haben, populär sind. Das wirkt nicht verkniffen,
sondern selbstbewusst. Auch der dürre Kommentar zur [3][Reise von
Oppositionsführer Merz nach Kiew] gelingt aufregungsfrei. Er habe nichts
daran zu kritisieren und werde sich von Merz berichten lassen. [4][Die
Ampel braucht die Union] unbedingt für das 100-Milliarden-Euro-Bundeswehr
Paket. Da ist es unklug, zumal als Kanzler, unhöflich zu werden.
Für die Demontage sorgt in diesem Fall Friedrich Merz ja selbst. Man muss
nicht stoßen, wer von alleine fällt. Die Reise von Merz ist so kurz vor den
[5][Wahlen in Schleswig-Holstein] und [6][NRW] als Kritik am Kanzler
gemeint und der Versuch, Punkte zu machen.
Es ist die Reise eines CDU-Vorsitzenden, der sich, falls die CDU in
Düsseldorf verlieren sollte, unschöne Fragen anhören müssen wird. Wahlkampf
aber macht man doch besser in den Fußgängerzonen von Flensburg und
Lüdenscheid – und nicht vor dem dramatischen Prospekt von Putins brutalem
Angriffskrieg. Scholz' oft arrogante, trockene Art hat angesichts des
zirkusdirektorhaften Merz fast etwas Vertrauenerweckendes.
3 May 2022
## LINKS
[1] https://www.zdf.de/politik/was-nun/was-nun-herr-scholz-126.html
[2] /-Nachrichten-zum-Ukrainekrieg-/!5851489
[3] /Pressekonferenz-von-Friedrich-Merz/!5851781
[4] /Waffenlieferungen-und-Sondervermoegen/!5851361
[5] /Landtagswahlen-in-Schleswig-Holstein/!5847489
[6] /Landtagswahl-in-Nordrhein-Westfalen/!5843121
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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