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# taz.de -- Waffenlieferungen und Sondervermögen: Ampel unter Druck
> Wie soll Deutschland der Ukraine helfen? Darüber gibt es Streit zwischen
> Regierung und CDU/CSU. Knackpunkt ist das Sondervermögen für die
> Bundeswehr.
Bild: Verteidigungsministerin Christine Lambrecht neben einem Vertreter der Bun…
Berlin taz | Als es am Donnerstag Vormittag zur Abstimmung geht, sind sich
Ampel und Union für einen Moment einig. Eine Neinstimme aus der CDU, drei
Enthaltungen bei FDP und Grünen, sonst stimmen alle zu: Mit großer Mehrheit
geht im Bundestag der gemeinsame Antrag zur Unterstützung der Ukraine
durch. Das Parlament begrüße die Waffenlieferungen, die die Bundesregierung
bereits beschlossen hat, steht unter anderem darin. Und: In Zukunft solle
sie nach Möglichkeit noch mehr und auch mehr schwere Waffen liefern.
Bindend ist dieser Beschluss nicht, aber er hat symbolische Wirkung. Ein
kurzer Schulterschluss der Koalition mit der größten Oppositionsfraktion.
Aber auch nur ein ganz kurzer. In der Debatte, die der Abstimmung am Morgen
vorangeht, werden die Differenzen einmal mehr offenbar. Als erster bringt
Friedrich Merz Schärfe ins Plenum. „Zögern, Zaudern, Ängstlichkeit“, wir…
der CDU-Chef dem Bundeskanzler vor. Über Wochen habe Olaf Scholz Fragen
nach Waffenlieferungen „offengelassen und ausweichend beantwortet“. Aus
Sicht der Union ist es ihr Verdienst, dass die Bundesregierung in dieser
Woche erstmals den Export schwerer Waffen in die Ukraine genehmigt hat.
Tatsächlich hatten CDU und CSU Druck gemacht. Schon letzte Woche hatte sie
in einem Antragsentwurf radikale Forderungen erhoben, etwa nach der
Lieferung von Leopard-2-Panzern aus Bundeswehrbeständen. Im Bundestag
reagierte die Koalition zunächst mit einem eigenen, weicher formulierten
Gegenantrag. Auf dessen Basis einigten sich beide Seiten dann auf die
gemeinsame, am Donnerstag verabschiedete Version.
Merz verweist aber nicht nur auf den Druck der Union, sondern auch auf die
Bruchlinien innerhalb der Koalition. „Das Problem für den Bundeskanzler war
und ist bis zum heutigen Tag die Kritik aus den eigenen Reihen“, sagt er,
und legt damit den Finger in die Wunde. Er meint die kleine Gruppe um den
Grünen Toni Hofreiter, die laut und konfrontativ für die Lieferung schwerer
Waffen geworben und damit innerhalb der Koalition viel Zorn auf sich
gezogen hatten.
Ginge es aber nur um die Waffenlieferungen: Die Ampel könnte solche
Sticheleien der Union gut als Oppositionsgenörgel abtun. Die Koalition sei
bei den schweren Waffen ja keineswegs unentschieden und zögerlich gewesen,
argumentieren ihre Vertreter*innen. Aber gut Ding wolle eben Weile haben.
In den Worten der Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann: „Wir wägen ab,
wir zweifeln, ja, und wir hadern – aber wir entscheiden.“
## Wortgefecht zwischen Klingbeil und Merz
Schwieriger sind für die Koalition die Differenzen über das Sondervermögen
für die Bundeswehr, bei der sie anders als bei den Waffenlieferungen
Stimmen der Union benötigt. Um, wie geplant, Kredite in Höhe von 100
Milliarden Euro für die Verteidigungspolitik aufnehmen zu können, will die
Ampel das Grundgesetz ändern. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit nötig. Im
gemeinsamen Antrag vom Donnerstag bekennt sich die Union zwar grundsätzlich
zum Sondervermögen. Details sind darin aber ausgeklammert. Auf die kommt es
aber an.
CDU und CSU haben schon vor Wochen Bedingungen für ihre Zustimmung zur
Grundgesetzänderung aufgestellt. Merz erinnert am Donnerstag noch mal
daran. „Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Wir sind zu keinem dieser
Punkte bisher übereingekommen“, sagt er.
[1][SPD-Chef Lars Klingbeil antwortet später angriffslustig]. „Das hätte
heute eine staatspolitische Rede von Ihnen werden können. Es ist aber eine
parteipolitische Rede geworden“, sagt er. Dafür sei „hier kein Platz“. Im
rhetorischen Schlagabtausch gelingt Klingbeil damit der Ausgleich, die
Streitpunkte löst er damit aber auch nicht.
Am schwersten wiegt die Frage, ob Deutschland dauerhaft zwei Prozent seiner
Wirtschaftskraft in die Verteidigung stecken soll, wie es in der Nato
vereinbart ist. Die Koalition ist dagegen, die Quote in der Verfassung
festzuschreiben. „Das hat im Grundgesetz nichts zu suchen“, so
SPD-Haushälter Andreas Schwarz zur taz. „Das würde nachfolgenden
Parlamenten Spielraum bei der Haushaltsführung nehmen und letztendlich dem
Parlament das Recht nehmen, den Haushalt zu gestalten.“ Wer dauerhaft zwei
Prozent erreichen möchte, müsse sie jedes Jahr wieder in den Haushalt
schreiben und nicht ins Grundgesetz, so Schwarz.
## Geld, das für Sozialausgaben gebraucht wird
Doch genau darum geht es der Union ja. Sie möchte den Verteidigungsetat
erhöhen, zusätzlich zum Sondervermögen. Das würde aktuell bedeuten, dass zu
den 50,3 Milliarden, die für den Verteidigungsetat eingeplant sind, noch
einmal über 20 Milliarden pro Jahr kämen. Geld, das anderswo eingespart
werden müsste. Die SPD will das verhindern. Denn die Erzählung, mit der die
Führung die Partei hinter sich versammelt, lautet: Wir können, wie geplant,
Mindestlöhne erhöhen, die Kindergrundsicherung einführen und ein Bürgergeld
beschließen, weil die Mehrausgaben für die Bundeswehr ja aus dem Sondertopf
bezahlt werden.
Schwarz sieht die Einhaltung dieses Versprechens als Chefsache an. „Der
Bundeskanzler spielt immer eine Rolle. Ich kann mir vorstellen, dass das
auch hier der Fall sein wird.“ Derzeit verhandelt ein anderer federführend
für die Ampel mit der Union: [2][Finanzminister Christian Lindner].
28 Apr 2022
## LINKS
[1] /100-Milliarden-Euro-fuer-die-Bundeswehr/!5851250
[2] /FDP-und-Waffenlieferungen/!5846869
## AUTOREN
Tobias Schulze
Anna Lehmann
Jasmin Kalarickal
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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FDP
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