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# taz.de -- 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr: Wortgefechte um Sonderverm…
> Für die Aufrüstungspläne der Ampel sind die Stimmen der Union nötig. Die
> heftige Debatte im Bundestag zeigt deutlich: Das wird knapp.
Bild: Auch ihr gelang es bisher nicht, die Union umzustimmen: Annalena Baerbock…
Berlin taz | Drei Minister:innen, etliche Abgeordnete, viel Staatsräson und
eine ordentliche Portion Pathos bot die Ampel-Koalition am
Mittwochnachmittag im Bundestag auf, um die Union beim [1][Sondervermögen
Bundeswehr] auf ihre Seite zu ziehen.
Man stehe vor einer historischen Verantwortung, rief Finanzminister
Christian Lindner, FDP, den Unionsabgeordneten zu. Man müsse die
Zeitenwende jetzt mit Leben erfüllen, richtete sich Verteidigungsministerin
Christine Lambrecht, SPD, an die Union. „Wir alle müssen uns bewegen“ und
das sei nicht der Moment für parteitaktische Spielchen, mahnte
Außenministerin Annalena Baerbock. Umsonst: „Das, was hier eingebracht
wurde, ist für uns nicht zustimmungsfähig“, brachte der stellvertretende
Unionsfraktionsvorsitzende Mathias Middelberg die Unionssicht auf den
Punkt.
Die Opposition macht es der Regierung nicht einfach. In erster Lesung hat
der Bundestag am Mittwochnachmittag das geplante Sondervermögen für die
Bundeswehr diskutiert, und die Debatte hat bestätigt: Ein Selbstläufer wird
die abschließende Abstimmung über das Vorhaben, für die es bislang keinen
Termin gibt, sicher nicht.
Die Koalition möchte Kredite in Höhe von 100 Milliarden Euro für
Investitionen in der Verteidigungspolitik aufnehmen. In seiner
„Zeitenwende“-Rede nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatte Olaf
Scholz den Plan angekündigt. Um das Vorhaben trotz der geltenden
Schuldenbremse umsetzen zu können, muss das Sondervermögen nach Auffassung
der Koalition ins Grundgesetz aufgenommen werden. Dafür braucht es eine
Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag, die ohne die Union nicht erreicht wird.
Parallel zur Plenardebatte stehen deshalb in dieser Woche Gespräche
zwischen Ampel und Union an.
## Die Union stellt harte Bedingungen
Den Beginn machte am Mittwochvormittag Finanzminister Christian Lindner
(FDP), der eine Delegation mit CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und
Unions-Fraktionsvize Johann Wadephul empfing. Sie sollten ausloten, wo
Kompromisse möglich sind zwischen dem Regierungsantrag und den Bedingungen,
die Oppositionsführer Friedrich Merz schon im März aufgestellt hatte.
Ein Knackpunkt: Die Union möchte eine Garantie dafür, dass Deutschland
entsprechend Nato-Absprachen dauerhaft mehr als zwei Prozent des
Bruttoinlandsprodukts für das Militär ausgibt. Dafür müsste, wenn die 100
Milliarden Euro aus dem Sondervermögen irgendwann aufgebraucht sind, der
reguläre Verteidigungshaushalt um mehr als 20 Milliarden Euro im Jahr
steigen. Ein heftiger Anstieg – die Koalition tut sich daher schwer mit der
Idee, eine solche Garantie im Grundgesetz zu verankern.
Ein zweiter Knackpunkt: CDU und CSU wollen auch eine Garantie dafür, dass
das Geld ausschließlich für die Bundeswehr ausgegeben wird. Hier hat sich
die Koalition nach eigener Ansicht in den vergangenen Wochen schon weit
genug bewegt. Forderungen aus den Reihen von Grünen und SPD, dass im Rahmen
eines erweiterten Sicherheitsbegriffs auch Entwicklungshilfe und Windräder
aus dem Topf bezahlt werden müssten, sind längst verstummt. In ihrem
Entwurf für die Grundgesetzänderung hat die Ampel dennoch nur eine
Zweckbindung für die „Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit“
festgelegt, statt explizit für die Bundeswehr.
Die Formulierung würde es erlauben, Geld auch für Maßnahmen zu verwenden,
die die Nato bei der Berechnung des Zwei-Prozent-Ziels anerkennt, obwohl
sie nicht dem Etat des Verteidigungsministeriums zugeordnet sind. Einige
Ausgaben im Bereich Cyberabwehr könnten dazu zählen, vielleicht auch welche
aus dem Zivilschutz. Zu dessen Ausbau hatten die Grünen zu Wochenbeginn,
pünktlich vor der Bundestagsdebatte, einen 15-Punkte-Plan vorgestellt. Die
Union bleibt bisher aber dabei: Das Sondervermögen soll nur dem Militär
dienen. Baerbock versuchte die Bedenken der Union in diesem Punkt zu
entkräften: Es gehe beim Sondervermögen nicht um humanitäre Hilfe, sondern
um harte Sicherheitsmaßnahmen.
## Hat die Ampel der Union inhaltlich etwas zu bieten?
Doch auch diese Versicherung ist der Union nicht hart genug. „Wir brauchen
die 100 Milliarden für die Aufrüstung der Bundeswehr und nichts anderes“,
stellte CSU-Landesgruppenvorsitzender Alexander Dobrindt klar.
Offen bleibt, was die Ampel der Union nun inhaltlich anzubieten hat. In
einer Kurzintervention schlug der CDU-Abgeordnete Johann Wadephul Gespräche
im Kreis der Fachpolitiker:innen vor. Bislang waren die Verhandlungen
ausschließlich auf Chef:innenebene geführt worden, Christian Lindner
sprach mit Friedrich Merz.
Aber selbst wenn beide Seiten einen Kompromiss finden, bleibt für die
Koalition ein Problem: Merz hat zusätzlich angekündigt, dass nur exakt so
viele Unionsabgeordnete zur Abstimmung erscheinen werden wie für die
Zwei-Drittel-Mehrheit nötig. Sollte auch nur ein Ampel-Abgeordneter mit
„Nein“ stimmen, wäre das Sondervermögen also gescheitert. Bei aller
Disziplin: Es wäre eine Überraschung, wenn bei SPD und Grünen gar niemand
ausschert.
Die Koalition hat noch Hoffnung, Merz hier umzustimmen. Sie versucht es
allerdings nicht mit gutem Zureden, sondern mit maximalem Druck: Die Union
wolle doch auf keinen Fall als die Partei dastehen, die nach jahrelanger
Misswirtschaft im Verteidigung jetzt auch noch die Zeitenwende für die
Bundeswehr blockiert? „Herr Merz, Sie müssen sich entscheiden:
Staatstheater oder Staatsräson“, versuchte es der SPD-Haushaltspolitiker
Achim Post. Da sei man schon fast bei „Vaterlandslose Gesellen“, köpfte
Wadephul zurück.
Es ist eine konfrontative Strategie, die an das Vorgehen der Ampel in der
Impfpflichtdebatte erinnert. [2][Damals fruchtete der Druck auf die Union
nicht], diesmal gibt es für den Moment auch keine Anzeichen dafür. Und ein
Plan B? Ist in der Ampel bisher [3][ebenfalls nicht erkennbar.] Am Ende
wird Scholz ran müssen, damit die Zeitenwende, die er vor exakt zwei
Monaten verkündete, nicht verpufft. Der Kanzler meldete sich in der
Bundestagsdebatte nicht zu Wort. Hörte aber aufmerksam zu.
27 Apr 2022
## LINKS
[1] /Aufruestung-der-Bundeswehr/!5843022
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[3] /Die-Ampelkoalition-in-der-Krise/!5846205
## AUTOREN
Tobias Schulze
Anna Lehmann
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