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# taz.de -- Offener Brief gegen Waffenlieferungen: Falscher Fokus
> Der offene Brief von Intellektuellen ist ein wichtiger Debattenbeitrag
> zum Krieg. Bloß: Empathie für die Ukrainer lassen die Unterzeichner
> vermissen.
Bild: Soll nach Ansicht einiger Intellektueller nicht an die Ukraine geliefert …
Gut zwei Dutzend deutsche Intellektuelle haben einen [1][offenen Brief an
Bundeskanzler Olaf Scholz verfasst], in dem sie verlangen, die weitere
Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine zu unterlassen. Das ist gut so:
Eine Debatte über den Krieg und die deutsche Solidarität mit den
Angegriffenen ist dringend notwendig – gerade in Zeiten, in denen
Umweltschützer und andere eines Expertenwissens eher unverdächtige Personen
zu Spezialisten über die Funktion von Haubitzen mutieren.
Denn dieser Krieg ist nicht nur eine Frage von Waffen. Es geht auch um
Haltung. Inhaltlich allerdings mutet dieser Brief seltsam an. Denn von dem
Land, das mittels eines Angriffs überfallen wurde, ist da nur am Rande die
Rede. Immerhin gesteht man der Ukraine ein Recht auf Selbstverteidigung zu
– eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
Offenbar soll diese Verteidigung aber nicht unbegrenzt sein, denn, so heißt
es, „der berechtigte Widerstand steht irgendwann in einem unerträglichen
Missverhältnis [zum] Leid der Zivilbevölkerung“. Wer bitte schön sind wir,
die einem überfallenen Staat und seinen Bewohnern Vorschriften machen
wollen, wie sie sich zu verteidigen haben?
Und das auch noch „in Anbetracht unserer historischen Verantwortung“, wie
es da heißt, die allerdings darin besteht, dass Deutschland den
furchtbarsten Krieg der Geschichte vom Zaun gebrochen hat. Sollte die
überfallene Seite also im Zweifelsfall lieber kapitulieren, auf jeden Fall
aber nicht zu viel siegen? Wären die Angegriffenen im Zweiten Weltkrieg
diesem Rat gefolgt, sähe die Welt heute gewiss anders aus. Und die
Briefschreiber säßen günstigstenfalls in einem Folterkeller ein.
Dafür ist in dem Schreiben viel vom [2][dritten Weltkrieg] die Rede, der,
sollten weitere schwere Waffen geliefert werden, wahrscheinlicher würde.
Das Risiko einer solchen [3][atomar geführten Auseinandersetzung] ist in
der Tat nicht von der Hand zu weisen, und es bedarf einer Politik, die dies
in Rechnung stellt. Nicht alle Wünsche der Ukraine werden deshalb in
Erfüllung gehen können. Allerdings stellt sich die Frage nach dem drohenden
Weltkrieg auch für den Fall, dass die russische Seite ihre laufende
„Spezialoperation“ gewinnt.
Denn dies könnte die Staatsspitze in ihrem Kurs der Revision von Grenzen
und dem Auslöschen von Staaten in Europa noch bestärken – und zu einem
zweiten Waffengang reizen. Dieser offene Brief zeugt nicht nur von
fehlendem historischen Verständnis, er lässt auch Empathie für die Ukrainer
vermissen. Im Mittelpunkt stehen nicht diejenigen, die da mit Bomben und
Raketen angegriffen werden, sondern wir Deutsche und unsere Ängste. Das ist
erbärmlich.
1 May 2022
## LINKS
[1] https://twitter.com/EMMA_Magazin/status/1519951366457860096
[2] /Kriegsangst-und-Weltschmerz/!5840436
[3] /Putins-Atomwaffen-Drohung/!5835479
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
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