# taz.de -- Russisches Geld in Österreich: Der diskrete Charme der Oligarchie | |
> Russische Oligarchen butterten hohe Summen in Österreichs Klassikbetrieb: | |
> In Salzburg, Linz und Wien herrscht deshalb nun Erklärungsbedarf. | |
Bild: Teodor Currentzis dirigiert bei einer Probe an den Salzburger Festspielen… | |
Es hätte sogar noch schlimmer kommen können für die Salzburger Festspiele. | |
Im Jahr 2019 präsentierte die damalige Präsidentin Helga Rabl-Stadler eine | |
lukrative Sponsorenvereinbarung mit dem staatlichen österreichischen | |
Ölkonzern OMV und dem russischen Multi Gazprom fürs seinerzeit | |
bevorstehende Ereignis „100 Jahre Festspiele“. | |
Während Projekte und Festreden in der gerade abgelaufenen Saison die | |
Gefahren des Klimawandels beschworen, freute sich Rabl-Stadler über das | |
„willkommene Geschenk“ aus der fossilen Branche. Nur wegen des Beginns der | |
Coronapandemie kam der Deal 2020 dann nicht zustande. | |
Rabl-Stadlers Nachfolgerin Kristina Hammer und Markus Hinterhäuser, damals | |
wie heute Intendant der Salzburger Festspiele, dürften inzwischen froh | |
darüber sein. Fragen zu russischen Geldflüssen gibt es trotzdem. Etwa nach | |
der Tätigkeit der 2013 gegründeten „Gesellschaft der russischen Freunde der | |
Salzburger Festspiele“, die, so der deutsche Musikjournalist und Moderator | |
Axel Brüggemann, Produktionen am liebsten dann mitfinanzierte, wenn der | |
griechisch-russische Dirigent Teodor Currentzis beteiligt war. | |
## Schweigen zum Angriffskrieg | |
Currentzis hat sich im Gesamtpaket mit seinem in Sankt Petersburg | |
beheimateten Ensemble MusicAeterna als eine Art Premiummarke nicht | |
zuletzt auch im Programm der Salzburger Festspiele etabliert. Die | |
gemeinsame Opernproduktion im Sommer mit dem Regisseur Romeo Castellucci | |
steht auf der Kippe, nicht nur, weil Currentzis zum Angriffskrieg der | |
Russen auf die Ukraine beharrlich schweigt, sondern auch, weil das | |
Geschäftsmodell seines Klassikunternehmens mit Personen im Umfeld Putins | |
und einer von der EU sanktionierten russischen Bank eng verknüpft ist. | |
Brüggemanns Recherchen in der Wiener Tageszeitung Der Standard zeigen | |
Geldflüsse von putinnahen Unternehmen und Akteuren an repräsentative | |
Kulturinstitutionen, die offenbar dazu dienen, Einfluss für russische | |
Interessen zu nehmen und Künstler:innen und ihre Karrieren als | |
strategische Assets zu platzieren. Der Leiter des Wiener Konzerthauses | |
Matthias Naske zog sich nach den Veröffentlichungen aus Currentzis | |
MusicAeterna-Stiftung zurück. | |
Der ehemalige Wiener Staatsopernintendant Ion Holender dagegen ortete eine | |
„Hetzjagd gegen alles, was aus Russland kommt“. Dabei geht es keineswegs | |
nur um Ruhm und Geltung der „großen russischen Kultur“. Die | |
gesellschaftliche Reputation des Klassikbetriebs schafft ein Umfeld, in dem | |
sich Geschäftsbeziehungen bequem anbahnen und ebenso leicht verschleiern | |
lassen. Zentrale Figuren sind Künstlerstars, die mit ihrer Nähe zur Macht, | |
ihren wirtschaftlichen Verflechtungen das Niveau von Oligarchen erreichen | |
können, durch ihre Stellung im kulturellen Feld aber weit mehr für das | |
Regime bewirken. | |
## Enge Verbindung nach Linz | |
Am weitesten gediehen schien die Russland-Connection im Linzer | |
Brucknerhaus. Der deutsche Musikmanager Hans-Joachim Frey leitete die | |
renommierte Konzerteinrichtung seit 2013. Mit Putin vertraut ist Frey seit | |
dem Dresdner Semperopernball 2009, samt russischem Pass ist er | |
mittlerweile Intendant in Sotschi. Mit lokalen Verbandsfunktionären | |
gründete er gemeinsam mit Politik und Unternehmensspitzen ein Industrie- | |
und Wirtschaftsforum zugunsten des Konzertbetriebs, vor allem aber für das | |
Russlandgeschäft der oberösterreichischen Industrie. | |
In Linz gern gesehen war auch der Cellist Sergei Roldugin, Patenonkel einer | |
Putin-Tochter und durch eine ausgeklügelte Konstruktion von | |
Briefkastenfirmen über 2 Milliarden Dollar eine überraschende Entdeckung in | |
den „Panama Papers“. Vor Freys Abgang aus Linz unterschrieben die | |
Stadtoberen noch den Vertrag über einen Bruckner-Zyklus mit Putins getreuem | |
[1][Dirigenten Valery Gergiew], dessen hunderte Millionen schweres | |
Immobilien- und Stiftungsvermögen von Alexander Nawalny offengelegt wurde. | |
Die Frage, warum gerade gut dotierte Kulturinstitutionen, ausdrücklich | |
unterstützt oder zumindest geduldet von der Politik, für stupid money aus | |
einem autokratischen Regime empfänglich sind, stellt sich nicht erst mit | |
[2][der russischen Invasion]. War es die Idee einer besonderen Beziehung zu | |
Russland, die im neutralen Österreich aus Zeiten des Kalten Kriegs immer | |
noch präsent ist, oder ganz einfach nur der Betriebsunfall einer | |
schleichenden Ökonomisierung des Kulturbetriebs? Wenn privates Geld | |
öffentlich finanzierte Institutionen für seine Zwecke zu kapern droht, | |
entsteht nicht nur ein Problem für Kultur und Moral, sondern eines für die | |
Demokratie. | |
Nach Debatten um die Russlandverbindungen konfrontierte das | |
US-schweizerische Regieduo Yana Ross und [3][Lukas Bärfuss] die Salzburger | |
Festspiele tags darauf mit neuem Ungemach und legte Recherchen über ihren | |
langjährigen Sponsor Solway offen. In den „Mining Secrets“ der | |
Investigativplattform „Forbidden Stories“ werden dem Schweizer | |
Bergbauunternehmen gravierende Umwelt- und Menschenrechtsverstöße in einer | |
Nickelmine in Venezuela vorgeworfen. Die Ermittlungen dauern an. | |
Festspielpräsidentin Kristina Hammer kündigt nun einen Ethikkodex an. Ein | |
Art TÜV für Sponsoren? Möglich, dass gerade auf Diskretion bedachte | |
Geldgeber kaum geneigt sind, sich einem transparenten Bewerbungsverfahren | |
zu stellen. Die Hausse der Oligarchen im Opern-, Konzert und | |
Festivalbetrieb scheint fürs Erste vorbei zu sein, nicht nur in Österreich. | |
28 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Uwe Mattheiß | |
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