# taz.de -- Musikfest-Chef über sinkende Gagen: „Es wird eine Umverteilung g… | |
> Thomas Albert rechnet damit, dass mit den Zuschauerzahlen auch die Gagen | |
> der Stars sinken werden. Daraus ergebe sich eine Chance für den | |
> Nachwuchs. | |
Bild: Anblick auf Dauer: Im Konzertsaal (hier: der Elbphilharmonie) markieren F… | |
taz: Herr Albert, wie überstehen klassische MusikerInnen die Pandemie? | |
Thomas Albert: Um die fest angestellten OrchestermusikerInnen mache ich mir | |
wenig Sorgen. Mein Augenmerk liegt auf den freien MusikerInnen und | |
Ensembles. Die ja meist die spannenderen Projekte machen, sie sind das Salz | |
in der Suppe. Für sie hat es in Frankreich, Italien, Großbritannien recht | |
früh ein staatliches Auffangnetz gegeben, um zumindest die Substanz zu | |
erhalten. Auch in Deutschland hat das, soweit ich weiß, schnell | |
funktioniert. Sogar im Deutschen Bundestag zum Beispiel wurden – erstmals | |
in dessen Geschichte – die Namen konkret gefährdeter freier Ensembles | |
genannt. In der Folge hat dann auch Bremen ein [1][Förderprogramm] für | |
musikalische Projekte aufgelegt. Überhaupt sind die MusikerInnen kreativ | |
geworden, haben in Gottesdiensten gespielt, Online-Unterricht gegeben und | |
Ähnliches. Sie haben diese Krise als Chance begriffen. | |
Redet man sich da nicht eine existenzbedrohende Situation schön? | |
Ich finde nicht. Ich glaube vielmehr, das ist das Überlebensgen des | |
Menschen, zu sagen: Krempeln wir die Ärmel auf und schauen, welche Chancen | |
es gibt. Wenn wir irgendwann mit dem Virus umzugehen gelernt haben, werden | |
die Chancen gerade im Kulturbereich weit größer sein als bisher. Weil die | |
Wertigkeit kultureller Projekte so viel höher eingestuft sein wird. | |
Woraus schließen Sie das? | |
Daraus, dass genau das im Bund passiert ist: dass auch jemand wie | |
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier verstanden hat, dass dieser | |
[2][Sektor wertvoll] ist und unterstützt werden muss. | |
Zu Beginn der Pandemie spürte man wenig davon. Kultureinrichtungen wurden | |
mit als erste geschlossen und ansonsten ignoriert. | |
Ja. Aber wo ein Tal ist, kommt auch wieder ein Berg. Viele | |
KulturfunktionärInnen aus Musik- und Kulturrat sagen inzwischen: Da sind | |
Themen aufgewertet worden. Bisher ist die Kulturlobby immer gegen Wände | |
angerannt, das heißt gegen die Finanz-Verantwortlichen in Bund und Ländern. | |
Und plötzlich ist das aufgeweicht, auf mehreren Ebenen. | |
Inwiefern? | |
Unabhängig davon, dass dann Geld geflossen ist, haben PolitikerInnen | |
angefangen, sich positiver über Kultur zu äußern und überhaupt erstmals | |
deren Notwendigkeit zu begreifen. Das ist ein neuer, positiver | |
Ausgangspunkt für künftige Debatten über die Förderung von Kultur. | |
Trotzdem galten für das Konzert- und Museumspublikum lange genauso strenge | |
Auflagen wie für ausgelassene Fußballfans. | |
Das stimmt, aber inzwischen hat sich doch alles geändert. Durch die | |
öffentliche Debatte haben sich Verhärtungen gelockert, es gibt mehr | |
Verständnis füreinander. Ich sage ja nicht, dass alles schon optimal ist. | |
Wir sind mitten im Prozess. Entscheidend ist aber, dass wir durch die | |
Impfungen jetzt ein Stück weiter sind und gerade neue Regeln für ein | |
Miteinander aushandeln. Denn wie Frau Rabl-Stadler, Präsidentin der | |
[3][Salzburger Festpiele], in diesem Jahr vor jedem Konzert zum Publikum | |
sagt: „Wir sind dankbar, dass die Festspiele stattfinden können. Wir tun | |
unser Möglichstes, um das gut zu machen. Aber wir brauchen Ihre Mithilfe | |
und Unterstützung.“ | |
Sie meinte nichts Finanzielles. | |
Nein. Es ging um das Verhalten: dass man Abstand hält und im Foyer auch als | |
Geimpfter nicht alle umarmt. Denn es wäre ein Fehler, sich so zu verhalten, | |
als gäbe es kein Corona, nur weil man ein paar Schritte weiter ist. Im | |
Gegenteil: Wenn wir auf diesem Planeten mit dem Virus umgehen wollen, | |
müssen wir einen Codex entwickeln, der gemeinsame Veranstaltungen und | |
künstlerische Prozesse weiter möglich macht. Da geht es ganz schlicht um | |
Artikel 1 des Grundgesetzes, die [4][Würde des Menschen] – ausdrücklich | |
auch die des Mitmenschen. Und wer den Codex nicht einhalten will, kann eben | |
nicht teilnehmen. | |
Welche Regeln haben Sie für das anstehende Bremer Musikfest aufgestellt? | |
Zunächst die üblichen: tägliches Testen aller im Team, Abstand, 3G … | |
… also die Erfordernis, vollständig geimpft zu sein, nachweislich genesen | |
oder zumindest frisch negativ getestet … | |
… Kontaktverfolgung, nur circaein Drittel der BesucherInnen im Saal. | |
Außerdem haben wir die [5][Eröffnungsnacht] modifiziert: Normalerweise | |
bewegen sich da 4.000 BesucherInnen gleichzeitig zwischen neun Konzertorten | |
hin und her, Tausende flanieren durch die illuminierte Innenstadt, stehen | |
dicht gedrängt auf dem Marktplatz. Diese Pulkbildung vermeiden wir diesmal: | |
Erstens sind es ohnehin weniger BesucherInnen. Zweitens haben wir Zeiten | |
und Orte der Konzerte sowie die Wegführung so gestaltet, dass immer nur | |
zwei BesucherInnen-Cluster gleichzeitig unterwegs sind, zwischen zwei weit | |
entfernten Orten, sodass sich nicht alles am Markt ballt. Zudem haben wir | |
schlecht belüftbare Spielstätten wie das historische Rathaus und den | |
Schütting herausgenommen. | |
Weniger Publikum bedeutet weniger Einnahmen. Wie rechnet sich das? | |
Es gibt zwar keine Ausfallgarantie, aber wenn man sich rechtzeitig bewirbt | |
und die ungefähren coronabedingten Einbußen angibt, springt der Bund ein. | |
Reduzieren sich auch die KünstlerInnengagen? | |
Ja. Wir sagen in den Honorarverhandlungen sehr klar: Einerseits wollt und | |
sollt ihr auftreten. Andererseits haben wir in diesem Jahr nur ein Drittel | |
des Publikums im Saal. Da sind wir wieder an diesem Solidaritätspunkt: Bis | |
auf einen Fall, wo ich nicht ganz das Verständnis fand, das ich mir | |
gewünscht hätte, hat sich keiner gegen ein geringeres Honorar gewehrt. | |
Wird das so bleiben? Halb leere Säle wird es wohl noch eine ganze Weile | |
geben. | |
Das ist ein wichtiger Punkt: Die Honorarvorstellungen sind, geschürt durch | |
Faktoren wie Plattenindustrie und Vermarktungskampagnen, zum Teil in | |
schwindelerregende Höhen geraten. Aber fast alle KünstlerInnen verstehen: | |
Wenn das Schiff weiterfahren soll, müssen wir uns auf ein neues | |
„Betriebssystem“ verständigen. | |
Könnten die Honorare dauerhaft schrumpfen? | |
Ich denke, dass diese Frage nicht ausbleiben wird. Es gibt zwar noch | |
Menschen, die glauben, dass alles so wird wie früher. Aber auch das | |
kulturelle Leben wird sich ändern durch Corona. Wie das Danach aussieht, | |
ist ungewiss. | |
Wird das sinkende Gagenniveau unbekannte MusikerInnen nicht härter treffen | |
als die Stars? | |
Ich denke eher an eine Umverteilung. Es gibt etliche NachwuchsmusikerInnen, | |
die für weit weniger Geld hervorragende Leistungen bringen. Sie bekommen | |
dann vielleicht ihre Chance. Der Markt wird sich regulieren. | |
24 Aug 2021 | |
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## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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