# taz.de -- Von Kongo bis Mosambik: Ostafrika im Krieg | |
> Uganda greift im Kongo ein, Ruanda in Mosambik. Aber ein Versuch | |
> Ostafrikas, Kongos Regierung zu Gesprächen mit Rebellen zu bewegen, ist | |
> gescheitert. | |
Bild: Auf dem Weg an die Front gegen die Rebellenbewegung M23: Kongolesische So… | |
Kampala taz | Es wirkte wie ein letzter Versuch des Zuredens, als Kenias | |
Präsident Uhuru Kenyatta im Garten des [1][Safaripark-Hotels in Nairobi] | |
ans Rednerpult trat. Eindringlich wandte er sich an die rund 80 | |
kongolesischen Rebellenvertreter, die sich in dem Luxushotel eingefunden | |
hatten. | |
„Wenn ihr die Waffen nicht niederlegt“, so Kenyatta, „werden die Früchte | |
des Wohlstands – die auch euch zustehen – nur schwer fassbar bleiben“, | |
sagte er. Wenn nicht alle Kongolesen gemeinsam auf „Einheit und | |
Zusammenhalt“ hinarbeiten, „wird jede einzelne Fraktion für immer Verlierer | |
bleiben“. | |
Wieder einmal bemühten sich in jenen Apriltagen nach Ostern die regionalen | |
Staatschefs, in der Demokratischen Republik Kongo, Frieden zu schaffen. | |
Wieder einmal sprachen in Nairobi kongolesische Rebellenvertreter mit | |
Kongos Regierung. Und wieder einmal endeten diese Gespräche ergebnislos. | |
Denn während in Nairobi diskutiert wurde, kam es im Ostkongo zu neuen | |
Kämpfen zwischen der Armee und den Rebellen der [2][M23 (Bewegung des 23. | |
März)]. Die Bevölkerung musste fliehen. Von Früchten des Wohlstands – keine | |
Spur. | |
M23-Präsident Bertrand Bisimwa war nach Nairobi gereist und hatte das | |
letzte Friedensabkommen im Gepäck, das er 2013 in Nairobi mit Kongos | |
Regierung unterzeichnet hatte. Darin war eine Integration der M23-Kämpfer | |
in die Armee vereinbart worden sowie die Umwandlung in eine politische | |
Partei und die Rückführung ihrer Familien aus den Flüchtlingslagern in | |
Uganda und Ruanda. „Wir warten nach wie vor auf die Regierung, ihre | |
Versprechen zu erfüllen“, so Bisimwa zur taz. | |
## Zehn Jahre und keinen Schritt weiter | |
Es ist nun genau zehn Jahre her, dass die M23 entstand. Im Mai 2012 | |
[3][desertierte] Tutsi-General [4][Sultani Makenga] mit Hunderten Soldaten | |
aus Kongos Armee (FARDC) und warf der Regierung vor, ein vorheriges | |
Abkommen mit der früheren Tutsi-geführte Rebellenbewegung [5][CNDP | |
(Nationalkomitee zur Verteidigung des Volkes)] vom 23. März 2009 nicht | |
umzusetzen. Makengas M23 eroberte einen breiten Landstrich, besetzte sogar | |
die Millionenstadt Goma. Bereits damals bemühten sich die regionalen | |
Staatschefs um Vermittlungen. Doch statt zu verhandeln, wurden im Dschungel | |
Milizen aufgerüstet und im November 2013 die M23 mithilfe von | |
UN-Hubschraubern [6][aus ihren Stellungen gebombt]. Sie zog sich über die | |
Grenzen nach Uganda und Ruanda zurück. | |
Seitdem war es größtenteils ruhig um die M23, Kongos einzige Rebellengruppe | |
mit eindeutig politischen Forderungen. Doch die Milizen im Dschungel gaben | |
keine Ruhe. UN-Experten listen mittlerweile über 200 bewaffnete Gruppen. | |
Sie alle malträtieren die Bevölkerung. | |
Also sollte jetzt in Nairobi mit den wichtigsten von ihnen gesprochen | |
werden. Nur 24 kamen – als Gründe nannten die kenianischen Organisatoren | |
Regen in Kongos Dschungel. Analysten vermuten, dass zahlreiche Gruppen | |
ohnehin auf den Gehaltslisten von Kongos Armee stehen. Die | |
nichtkongolesischen Rebellengruppen, an erster Stelle die ruandische | |
Hutu-Miliz [7][FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas)] und die | |
ugandische islamistische [8][ADF (Vereinigte Demokratische Kräfte)], die | |
sich seit Jahrzehnten im Kongo verschanzen und das Grundproblem der | |
Unsicherheit im Osten darstellen, waren gar nicht erst geladen. | |
In Nairobi gaben die kongolesischen Milizvertreter an, dass sie lediglich | |
zur Selbstverteidigung kämpfen, gegen die FDLR und die ADF, weil der Staat | |
keinen Schutz biete – dieselben Gründe, warum die M23 einst entstand. | |
„Aber die Dinge haben sich seitdem geändert“, behauptete nun in Nairobi | |
Kongos Präsident Tshisekedi. Er trat 2019 sein Amt an mit dem Versprechen, | |
alles anders machen zu wollen als sein Vorgänger Joseph Kabila. Nun steht | |
er unter Druck: Ende 2023 stehen Neuwahlen an, er hat Frieden und | |
Sicherheit versprochen. Vor einem Jahr, im Mai 2021, verhängte er über die | |
ostkongolesischen Provinzen Ituri und Nord-Kivu, wo sich die meisten | |
Milizen tummeln, das [9][Kriegsrecht]. Das Militär regiert jetzt dort. | |
Inzwischen wurde das Kriegsrecht 22 Mal verlängert, ohne das es mehr | |
Sicherheit gibt. Im Gegenteil: Im Jahr des Kriegsrechts verdoppelte sich | |
die Zahl der zivilen Toten in den Provinzen gegenüber dem Vorjahreszeitraum | |
auf über 2.500. | |
M23-Chef Bisimwa hatte Hoffnung, als er am 22. April im Safaripark-Hotel | |
von Nairobi eincheckte. Kenias Vermittlerteam hatte ein Vorgespräch | |
zwischen der M23 und Kongos Regierung anberaumt. Die EAC-Staatschefs hatten | |
klare Spielregeln aufgesetzt: eine Feuerpause im Ostkongo, solange in | |
Nairobi diskutiert wird, sowie eine demilitarisierte Pufferzone. „Das haben | |
wir alles eingehalten“, so Bisimwa. | |
Doch in der Nacht klingelte Bisimwas Telefon, erzählt er: M23-General | |
Makenga schickte Textnachrichten von der Front. Soldaten würden in die | |
Pufferzone vorrücken. Bisimwa leitete dies an das kenianische | |
Mediationsteam weiter. Pünktlich zum Gesprächsbeginn in Nairobi am 23. | |
April startete Kongos Armee eine Offensive. „Da wurde uns klar, es wird | |
keine Gespräche geben“, seufzt Bisimwa am Telefon. Als der M23-Präsident | |
den Verhandlungsraum betrat, so sagt er, warf ihm die Regierung den Angriff | |
vor. „Sie stürmten wütend aus dem Saal“, so Bisimwa. „Dabei waren sie e… | |
die uns angegriffen hatten.“ | |
Geändert hat sich im Kongo also wenig. Dies liegt auch daran, dass | |
Tshisekedi nach seinem Amtsantritt 2019 die mächtigen Kabila-treuen | |
Generäle nicht loswurde, die aus dem Dauerkrieg ihre Pfründen | |
erwirtschaften. Kommandant im Osten ist General Philémon Yav, ein enger | |
Vertrauter von Kabila. Yav gilt als Tutsi-Feind, unterhält gute Kontakte | |
zur FDLR. Er war 2012 einer der Gründe, warum Makenga mit seinen | |
Tutsi-Kämpfern desertierte. Später führte Yav den Kampf gegen die M23 an, | |
wurde verwundet. Mit Makenga hat er also noch eine Rechnung offen. | |
Bisimwa weiß: „Die Regierung wird keine weitere militärische Niederlage | |
gegen uns hinnehmen.“ Doch um zu gewinnen, fehlt es Kongos Armee noch an | |
der nötigen Unterstützung. Die Hubschrauber der [10][UN-Mission Monusco] | |
stellte einst die Ukraine – sie werden nun in der Heimat gebraucht. Ende | |
März stürzte einer der noch übrigen UN-Hubschrauber bei einem | |
Aufklärungsflug über M23-Gebiet ab. Da wurde auch der UNO klar, dass es mit | |
der M23 Gespräche geben muss. | |
## Veränderte Rahmenbedingungen | |
Geändert haben sich jedoch die regionalen Rahmenbedingungen: Kongo wird | |
heute von allen ostafrikanischen Ländern unterstützt. Es trat im April der | |
[11][Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC)] bei, in der bald Waren vom | |
Indischen Ozean bis zum Atlantik zollfrei abgewickelt werden sollen. Die | |
EAC-Staatschefs haben angekündigt, Kongos Armee militärisch zu | |
unterstützen. Die Afrikanische Union hat grünes Licht gegeben, „sofort eine | |
regionale Truppe“ einzusetzen, um „Frieden und Stabilität“ | |
wiederherzustellen. | |
[12][Muhoozi Kainerugaba], Ugandas Heereschef und Sohn von Präsident Yoweri | |
Museveni, kündigte auf Twitter an, er wolle der Kommandant dieser | |
regionalen Streitkräfte werden. Der 48-jährige General hat vergangene Woche | |
seine politische Kampagne gestartet: Bei den nächsten Wahlen 2026 will er | |
seinen 77-jährigen Vater ablösen. Vorher muss er sich beweisen. | |
Kongo ist für Kainerugaba ein optimales Spielfeld. Seit tödlichen | |
ADF-Bombenanschlägen im November 2021 in Ugandas Hauptstadt Kampala fliegen | |
regelmäßig ugandische Kampfjets im Tiefflug über die Grenze nach Kongo. | |
Kainerugabas Spezialeinheiten helfen [13][gegen die ADF], stetig melden sie | |
Erfolge. | |
Dennoch wird man den Eindruck nicht los: Es geht nicht voran. Immer noch | |
rächt sich die ADF, die sich selbst „Islamischer Staat Zentralafrika“ | |
(ISCAP) nennt, täglich an Kongos Bevölkerung. Auch andere Milizen bleiben | |
aktiv. Derweil nimmt Ugandas neue Militärintervention im Kongo dieselbe | |
Richtung wie frühere: Aus UN-Kreisen erfährt die taz, dass sich ugandische | |
Truppen in den Goldminen von Ituri festgesetzt haben. | |
Immerhin hat Kainerugaba eine Versöhnung zwischen Uganda und Ruanda | |
herbeigeführt. Anlässlich seines Geburtstags am 24. April lud er Kenias und | |
Ruandas Präsidenten ein. Er nennt die beiden seine „Onkel“ und macht die | |
Regionalpolitik zum Familiengeschäft. Ruandas Truppen kämpfen bereits in | |
Mosambik [14][gegen die dortigen islamistischen Rebellen in der Provinz | |
Cabo Delgado]. Diese bekennen sich ebenfalls zum IS, koordinieren sich mit | |
der ADF im Kongo, bilden zusammen einen „Islamischen Staat“ in der Region. | |
Das Sicherheitsproblem geht also über Ostkongo hinaus, Uganda und Ruanda | |
teilen sich die Arbeit. | |
Mit 21 Salutschüssen wurde Mosambiks Präsident Filipe Nyusi schließlich am | |
27. April in Uganda empfangen. Mit Museveni vereinbarte er militärische | |
Unterstützung. In den vergangenen fünf Jahren hat sich Ugandas | |
Verteidigungsbudget verdreifacht. | |
M23-Präsident Bisimwa wartet nun in Uganda auf neue Anweisungen. Eine | |
zweite Gesprächsrunde mit Kongos Regierung? Oder doch eine Eskalation des | |
Krieges mit regionaler Beteiligung? Von seinem Militärführer Makenga weiß | |
er, dass Kongos Armee permanent angreift. Für die letzten paar Hundert | |
M23-Kämpfer im Ostkongo geht es jetzt ums Überleben. Ruanda und Uganda | |
haben ihnen die Rückzugswege abgeschnitten, auch die Versorgung mit | |
Lebensmitteln und Medikamenten. „Wir werden uns weiter verteidigen“, so | |
Bisimwa. | |
10 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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