# taz.de -- ADF-Rebellen in Kongo und Uganda: Antiterrorkrieg mit allen Mitteln | |
> Militäroffensive im Kongo, Verhaftungen und Folter im eigenen Land: | |
> Uganda will die islamistisch radikalisierten ADF-Rebellen endgültig | |
> zerschlagen. | |
Bild: Kongolesische und ugandische Soldaten im Einsatz gegen die ADF, 9. Dezemb… | |
KAMPALA taz | Ugandas Hochsicherheitsgefängnis liegt am südlichen Rand der | |
Hauptstadt Kampala, unweit des Victoriasees. Hinter der meterhohen | |
Zaunanlage schmiegen sich Baracken für rund 8.000 Gefangene an den Hügel. | |
Ganz oben befindet sich ein abgetrennter Bereich: Dort sitzen mutmaßliche | |
Terroristen. | |
Einer von ihnen: Jamil Mukulu, der ehemalige Anführer der ugandischen | |
Rebellengruppe ADF (Vereinigte Demokratische Kräfte), die sich seit fast 20 | |
Jahren im Osten der Demokratischen Republik Kongo verschanzt und | |
mittlerweile zum „Islamischen Staat“ gezählt wird. Sie wird für | |
[1][Massaker an Tausenden Zivilisten im Kongo] verantwortlich gemacht sowie | |
für mehrere Bomben, die [2][im November in Kampala] sieben Menschen | |
töteten. | |
Seit Ende November jagt Ugandas Armee auf kongolesischem Gebiet die | |
Rebellen in den dicht bewaldeten Bergen im Grenzgebiet. Derweil suchen | |
Polizei und Geheimdienste innerhalb Ugandas nach denjenigen, die die | |
Anschläge vorbereiteten. | |
Fast täglich präsentiert Polizeisprecher Fred Enanga den Medien | |
festgenommene mutmaßliche Mitglieder von ADF-Schläferzellen. 15 davon | |
wurden am Donnerstag erstmals dem Haftrichter vorgeführt, angeklagt wegen | |
Beihilfe zum Terrorismus. Stolz werden Beweise gezeigt: Waffen, Bauteile | |
für Bomben. Über 30 festgenommene Terrorverdächtige vertritt Geoffrey | |
Turyamusiima, der Anwalt von ADF-Führer Mukulu: Verschwundene, deren | |
Familien ihn anrufen, weil sie ihn vom Verfahren gegen Mukulu kennen. | |
Wie viele insgesamt verhaftet wurden, ist unklar. Die Polizei spricht von | |
über 100. Sieben Verdächtige wurden bei der Festnahme erschossen. „Sie | |
verhaften ganze Familien – auch die Söhne und Töchter“, sagt Turyamusiima. | |
Von seinen Klienten weiß er: Sie werden wochenlang in Folterhäusern auf | |
einer Insel im Victoriasee festgehalten. Die sind berüchtigt: Die | |
US-Regierung setzte vergangene Woche [3][Abel Kandiho, Chef des ugandischen | |
Militärgeheimdienstes CMI], wegen Folter auf ihre Sanktionsliste. | |
Weltgewandt mit vielen Frauen | |
Unterdessen kämpft der frühere ADF-Führer Mukulu hinter Gittern mit seiner | |
Gesundheit. Den mittlerweile 57-Jährigen plagen Diabetes und | |
Magengeschwüre, sagt sein Anwalt – Folgen von Einzelhaft und Folter: | |
„Verbrennungen mit dem Bügeleisen, Ausreißen der Fingernägel, angebunden | |
hinter einem Lastwagen herlaufen“, zählt er die Methoden auf. „Die | |
Menschenrechte meines Klienten werden brutal verletzt.“ | |
Jamil Mukulu wurde 2015 [4][in Tansania verhaftet] und später nach Uganda | |
ausgeliefert. In Tansanias Metropole Daressalam besaß er eine Importfirma, | |
handelte mit Kleinwagen. Regelmäßig reiste der Rebellenführer zwischen | |
London, arabischen Ländern, Ostafrika und Ostkongo hin und her. Laut seinem | |
Anwalt hat er zahlreiche Frauen und Kinder weltweit. Eine Frau lebt mit | |
Kind in Tottenham in London, andere in Kampala, andere kämpfen in der ADF. | |
Eine von ihnen, Safi Adidja, wurde 2020 verwundet und von Kongos Armee | |
gefasst. | |
Über Jamil Mukulu ist wenig bekannt. Geboren wurde er in eine christliche | |
Familie als David Steven. Er studierte Wirtschaftsmanagement in Kenia und | |
ging von dort mit einem Stipendium nach Saudi-Arabien, wo er zum Islam | |
übertrat und sich radikalisierte. Er sei „brillant“, weit gereist und | |
spreche fünf Sprachen fließend, so sein Anwalt. Im Irak traf er angeblich | |
Saddam Hussein, in Sudan später Osama Bin Laden. | |
Anfang der 1990er kam Mukulu nach Kampala zurück und schloss sich der | |
Tablik-Sekte an. Gemeinsam mit 40 Gefährten stürmte er 1991 die zentrale | |
Moschee in der Altstadt, um einen islamischen Staat auszurufen. Dafür wurde | |
er verhaftet und saß bis 1995 im Gefängnis. Als er freikam, zog er sich mit | |
seinen Mitstreitern in die Berge an der Grenze zu Kongo zurück und gründete | |
die ADF. | |
Seit März wird ihm vor Ugandas Oberstem Gericht der Prozess gemacht. Doch | |
das Verfahren kam nie recht in Gang. Wegen Covid-19 sollte Mukulu aus dem | |
Gefängnis per Video zugeschaltet werden. Doch er weigerte sich. Also | |
verlegten die Richter die Verhandlung ins Hochsicherheitsgefängnis. Zuletzt | |
stockte der Prozess wegen Krankheit und Geldmangel. | |
## Black Box ADF | |
Unter Kongos Hunderten Rebellengruppen gilt die ADF als die | |
geheimnisvollste. Selbst diejenigen, die für die UN-Mission im Kongo | |
(Monusco) mit Rebellen verhandeln, um sie aus dem Busch zu locken, haben | |
nie mit ADF-Kommandanten gesprochen. Mukulu gab nie Interviews. Von seiner | |
Zeit als ADF-Anführer ist nur ein einziges Video bekannt: im Poloshirt und | |
Baseballmütze steht er in einem Zelt aus Bananenblättern und streckt eine | |
Kalaschnikow gen Himmel. Dabei predigt er auf Arabisch den Dschihad, den | |
heiligen Krieg. | |
Bereits damals hielt die ADF Kontakte zum Terrornetzwerk al-Qaida. Nach | |
Mukulus Verhaftung 2015 kam es zur Spaltung. Aus dem Gefängnis hielt der | |
charismatische Führer Kontakt zu seinem Sohn Richard im Hauptquartier im | |
Kongo, gab Anweisungen. | |
Gleichzeitig bemühte sich Musa Baluku, davor der oberste Richter der Miliz, | |
die Kommandokontrolle zu übernehmen. Er war bis dahin für Propaganda und | |
Disziplin zuständig und saß den Scharia-Gerichten vor. Mukulu hatte dem | |
44-jährigen Baluku sogar seine Tochter Sophia zur Frau gegeben. Im Streit | |
um die Nachfolge ließ Baluku aber Sophia und ihren Bruder Richard | |
enthaupten. | |
Unter Baluku hat sich die ADF radikalisiert. Er etablierte Kontakte zur | |
islamistischen Miliz al-Shabaab in Somalia, rekrutierte Jugendliche aus | |
Somalia, Tansania, Burundi und Kenia. Damit modernisierte und | |
internationalisierte sich die Miliz, die sich bislang aus Ugandern und | |
Kongolesen zusammensetzte. | |
Über die Shabaab kam der Kontakt zum „Islamischen Staat“ (IS) zustande. In | |
einem Video, das im Oktober 2017 online ging, schwört Baluku dem IS die | |
Treue: „Ich schwöre bei Gott, dass dies das Haus des Islam des | |
[5][Islamischen Staates in Zentralafrika] ist.“ Seitdem bekennt sich der IS | |
zu den ADF-Anschlägen: Attacken im Kongo gegen Zivilisten, Militärs und die | |
UNO, zuletzt die Anschläge in Kampala. | |
Der aktuelle ADF-Führer ist verschwunden | |
Mehrfach hat Ugandas Luftwaffe in den vergangenen Wochen ADF-Camps im Kongo | |
bombardiert. Gleich am ersten Tag, am 30. November, trafen Raketen das | |
ADF-Hauptquartier „Belu-1“, von wo aus Balukus Satellitentelefon Signale | |
sendete. Seitdem ist es aus. Baluku ist untergetaucht. Es heißt, er sei | |
schwer verletzt. | |
Über hundert ADF-Rebellen ergaben sich seit Beginn der Operationen oder | |
wurden von Kongos Armee gefasst, über 30 Kinder und Frauen befreit. Sie | |
alle liefern jetzt Informationen. Ugandas Spezialeinheiten durchkämmen den | |
Dschungel, um den verletzten Anführer zu finden. | |
Heiligabend nahmen sie das ADF-Camp Kambi Ya Yua im Virunga-Park ein, das | |
womöglich als Trainingslager diente. Die Soldaten fanden Kochbananen, | |
Munition, Solarpanels und einen kaputten Laptop. | |
„Ich glaube nicht, dass Militäroperationen diese Rebellion beenden können�… | |
sagt Peter Onega, Vorsitzender von Ugandas Amnestiekommission, der taz. | |
Seit fast 20 Jahren spricht der ehemalige Richter mit den ADF-Anführern. Er | |
traf Mukulu mehrfach in London. Sie handelten Bedingungen aus, unter | |
welchen die ADF sich ergeben könne. | |
Doch seit Mukulu in Haft sitzt, seien die Verhandlungen versiegt. „Ich habe | |
nie mit seinem Nachfolger gesprochen“, sagt Onega. Er unterhalte lediglich | |
Kontakte zu Mukulu-loyalen ADF-Kommandeuren – die beiden ADF-Fraktionen | |
operieren seit der Spaltung unabhängig voneinander. | |
Immerhin: Neulich ging ein Anruf aus Kongo ein. Einer von Mukulus | |
vertrauten Kommandeuren rief an, weil er sich ergeben wollte. | |
27 Dec 2021 | |
## LINKS | |
[1] /ADF-Rebellen-im-Kongo/!5661450 | |
[2] /Bombenanschlaege-in-Uganda/!5816196 | |
[3] https://home.treasury.gov/news/press-releases/jy0517 | |
[4] /Ugandischer-Rebellenfuehrer-gefasst/!5008287 | |
[5] /Islamistischer-Terror-in-Afrika/!5791322 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
Ostkongo | |
Uganda | |
ADF | |
Schwerpunkt Islamistischer Terror | |
Uganda | |
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
Uganda | |
Uganda | |
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
Kongo | |
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Anschlag auf Hochzeitspaar: Terroristen töten Touristen | |
In Uganda mehren sich Anschläge der islamistischen ADF. Dabei wurde ein | |
britisch-südafrikanisches Hochzeitspaar und ein Reiseführer getötet. | |
Überfall auf eine Schule: Mindestens 41 Tote in Uganda | |
Unter den Opfern der Attacke in Mpondwe befinden sich laut offiziellen | |
Angaben 38 Kinder. Die islamistische Rebellengruppe ADF soll hinter dem | |
Anschlag stecken. | |
Heftige Kämpfe im Ostkongo: Marodierende Rebellen | |
Die einst mächtige Rebellenarmee Ostkongos hat kein Asylland mehr. Sie | |
verwickelt sie Kongos Armee in schwere Kämpfe. | |
Regimekritiker und Autor in Uganda: Zurück an einem „sicheren Ort“ | |
Der Schriftsteller Kakwenza Rukirabashaija war am Dienstagmorgen von | |
Spezialeinheiten verschleppt worden. Nun kam er wieder frei. | |
Regierungskritiker in Uganda: Bestsellerautor wieder in Haft | |
Kakwenza Rukirabhaija hat den Sohn des Präsidenten beleidigt. Jetzt sitzt | |
der Schriftsteller in Haft und wird wohl gefoltert. Nicht zum ersten Mal. | |
Bericht eines NGO-Leiters aus Uganda: „Die Luft wird dünner“ | |
Ugandas Regierung hat das EU-Demokratieförderprogramm blockiert. Viele | |
Organisationen können nicht mehr aktiv sein. Ein NGO-Leiter berichtet. | |
Brutaler Mord im Kongo: Gelyncht, weil er Tutsi war | |
Der kongolesische Armeemajor Kaminzobe wurde von einer Miliz grausam | |
umgebracht. Es lag an seiner Ethnie, sagen Banyamulenge-Tutsi. | |
Kooperation zwischen Uganda und Kongo: Mit Bulldozern gegen Rebellen | |
Ugandas Intervention gegen die ADF-Rebellen in DR Kongo hat nicht nur | |
militärische Ziele. Sie ist Teil einer breiter angelegten | |
Wirtschaftsintegration. | |
Ugandas Militäreinsatz in Kongo: Der Nachbar soll es richten | |
Ugandas Armee will jetzt in der Demokratischen Republik Kongo die | |
ADF-Rebellen zerschlagen. Vor Ort stößt die Intervention auf viel | |
Zustimmung. | |
Jagd auf den „Islamischen Staat“: Dschihad im Herzen Afrikas | |
Massaker im Kongo, Bomben in Uganda: Angst und Schrecken verbreitet die | |
Rebellengruppe ADF. Nun bereiten die USA den Antiterrorkrieg vor. |