| # taz.de -- M23-Rebellen im Kongo: Sie suchen den Königsweg | |
| > Regionale Militärkooperation hat die Gewalt im Osten Kongos nicht | |
| > beendet. Jetzt probiert die Regierung es mit regionaler | |
| > Wirtschaftsintegration. | |
| Bild: Geflohene vor Kämpfen zwischen Kongos Armee und den M23-Rebellen: In ein… | |
| Kampala taz | Die sonst so geschäftige und matschige Hauptstraße der | |
| kongolesischen Kleinstadt [1][Bunagana] an der Grenze zu Uganda ist wie | |
| leergefegt. Auf den Fotos, die lokale Journalisten online stellen, ist kein | |
| Mensch zu sehen. Die Frauen und Kinder sind geflohen. Das Rote Kreuz | |
| meldete am Montag: Rund 40.000 Kongolesen suchen derzeit in Auffanglagern | |
| auf der ugandischen Seite des Schlagbaums Schutz. | |
| Ebenso verwaist sind die vielen kleinen Dörfer hoch oben in den Bergen rund | |
| um Bunagana. Die Ernte ist reif, doch niemand arbeitet auf den Feldern. | |
| Über eine Woche lang haben sich in diesen Bergen im Dreiländereck zwischen | |
| der Demokratischen Republik Kongo, Uganda und Ruanda die [2][Rebellen der | |
| M23 (Bewegung des 23. März)] erneut Gefechte mit Kongos Armee geliefert und | |
| zahlreiche Dörfer eingenommen. | |
| Ende vergangener Woche erklärte die M23 einen „einseitigen | |
| Waffenstillstand“ und am Sonntag letztlich den „völligen Rückzug aus allen | |
| eroberten Gebieten“, um ihre „Anliegen“ mit Kongos Regierung „in einem | |
| offenen und fruchtbaren Dialog ansprechen zu können“. | |
| Zur gleichen Zeit wurde der offizielle Beitritt der Demokratischen Republik | |
| Kongo zur [3][Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC)] in Kenias Hauptstadt | |
| Nairobi festlich besiegelt. Zum ersten Mal seit Ausbruch der Coronapandemie | |
| kamen am Freitag die EAC-Staatschefs persönlich zusammen – ein Meilenstein. | |
| ## „Historische Verbundenheit“ | |
| Mit Fanfaren und Feuerwerk wurde eine Landkarte enthüllt: Sie zeigt die | |
| neuen Außengrenzen der jetzt erweiterten Wirtschafts- und Zollunion vom | |
| Indischen Ozean bis zum Atlantik. „Wir unterzeichnen heute diesen Vertrag, | |
| um unsere historische Verbundenheit mit der ostafrikanischen Region zu | |
| erneuern,“ so Kongos Präsident Félix Tshisekedi, nachdem er seine | |
| Unterschrift geleistet hatte. | |
| Nun hat Kongos Parlament fünf Monate Zeit, das Abkommen zu ratifizieren. Es | |
| gehe um „Wirtschaft und Handel in einem Umfeld des Friedens und der | |
| Sicherheit für alle“, betonte der Präsident. | |
| Der Grenzposten von Bunagana, über den die Kongolesen im vergangenen halben | |
| Jahr dreimal flüchten mussten, liegt genau im Zentrum der neuen | |
| EAC-Landkarte. Das Dreiländereck zwischen Kongo, Uganda und Ruanda wird mit | |
| dem EAC-Beitritt Kongos zu einem wichtigen Handelsknotenpunkt. Am | |
| Schlagbaum waren bereits zuvor gewaltige Straßenbaumaschinen geparkt, um | |
| die Straße von Uganda hinein in den Kongo bis hinunter zur 140 Kilometer | |
| entfernten Millionenstadt [4][Goma] zu teeren, damit schwere Lastwagen | |
| passieren können. | |
| Doch die ugandische Straßenbaufirma, die den riskanten Auftrag umsetzt, | |
| musste ihre Maschinen in Sicherheit bringen, als die Kämpfe anfingen. | |
| Dass die Tutsi-Rebellen der M23 unter der Führung von General Sultani | |
| Makenga nach acht Jahren Ruhe jetzt wieder militärisch aktiv werden, ist | |
| kein Zufall. Bereits 2013, nachdem sie die Millionenstadt Goma kurzzeitig | |
| erobert hatten und dann von einer Offensive von Kongos Armee und | |
| UN-Blauhelmen geschlagen wurden, hatten sich die rund 1.000 M23-Kämpfer | |
| nach Uganda und Ruanda zurückgezogen, um Kongos Regierung an den | |
| Verhandlungstisch zu zwingen. | |
| Damals wurde auf Druck der regionalen Staatschefs ein Abkommen | |
| unterzeichnet, das den M23-Kämpfern die Integration in die Armee und der | |
| politischen M23-Führung die Umwandlung in eine politische Partei in | |
| Aussicht stellte. Dieses Abkommen, geschlossen in Nairobi, hat Kongos | |
| Regierung nie eingehalten. | |
| Das historische EAC-Treffen in Nairobi gab den Rebellen nun die perfekte | |
| Gelegenheit, in der neuen Wirtschaftsunion Chaos anzuzetteln – und sich | |
| wieder zurückzuziehen. „Gut gemacht M23“, twitterte Muhoozi Kainerugaba, | |
| Ugandas Heereschef und Sohn von Präsident Yoweri Museveni, kurz nachdem die | |
| M23 ihren Rückzug in die Berge erklärte: „Lasst die regionalen Führer und | |
| Präsident Tshisekedi eure Anliegen politisch lösen.“ Hinter verschlossenen | |
| Türen wurde in Nairobi demnach intensiv über den Konflikt im Kongo | |
| verhandelt. | |
| Tshisekedi sitzt in einer Zwickmühle, die die M23 jetzt auszunutzen | |
| versucht. Ende 2023 stehen in dem großen Land Wahlen an. Der Präsident, der | |
| anders als beim letzten Mal diese Wahlen wirklich sauber gewinnen möchte, | |
| steht unter Druck: Er muss Stabilität im Ostkongo bringen, damit Kongos | |
| Wirtschaft in Gang kommt. Darauf hoffen auch die Nachbarn. | |
| ## Fast ein Jahr Kriegsrecht ohne Erfolg | |
| Um dies zu erreichen, hatte Tshisekedi im Mai 2021 in den zwei | |
| ostkongolesischen Konfliktprovinzen Nord-Kivu und Ituri, das Kriegsrecht | |
| verhängt. Die Provinzen werden seitdem vom Militär regiert, die Armee | |
| versucht, die über hundert Rebellengruppen der Region zu zerschlagen – | |
| vergeblich. Dieser Tage ist Kongos Premierminister Jean-Michel Sama Lukonde | |
| in den beiden Provinzhauptstädten Goma und Bunia, um den Ausnahmezustand zu | |
| evaluieren. | |
| Die Bilanz ist eher schlecht. Fast täglich kommt es zu Rebellenangriffen | |
| und Massakern. Seit November hilft zwar Ugandas Armee, die [5][ugandische | |
| Rebellengruppe ADF] (Vereinte Demokratische Kräfte) zu zerschlagen, die | |
| sich im Grenzgebiet verschanzt hat – doch auch vier Monate später sind | |
| [6][keine merklichen militärischen Erfolge] zu vermelden. | |
| Im Gegenteil: Am Montag starben bis zu 20 Menschen bei mutmaßlichen | |
| ADF-Massakern in Ituri. Vergangene Woche kamen 28 Zivilisten durch eine | |
| ADF-Attacke in der Region Beni ums Leben. Die Bevölkerung protestierte | |
| erneut gegen die Regierung, die ihnen keine Sicherheit bringt. | |
| Jetzt hoffen sowohl Tshisekedi als auch die M23 auf die ostafrikanischen | |
| Nachbarn. Aus Kinshasa hört man, dass Tshisekedis Sicherheitsberater jetzt | |
| auf schnelle Erfolge gegen die M23 setzen, während die ADF-Operationen | |
| stocken. Ob mit der M23 politisch oder militärisch umgegangen wird – das | |
| ist die Frage. | |
| 13 Apr 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Krieg-im-Kongo/!5075169 | |
| [2] http://Rebellen%20der%20M23%20(Bewegung%20des%2023.xn--%20Mrz)-hra | |
| [3] https://www.eac.int/ | |
| [4] /Ein-Augenzeugenbericht-aus-Kongo/!5769837 | |
| [5] /Ugandas-Militaereinsatz-in-Kongo/!5809679 | |
| [6] /Militaeroperation-gegen-Rebellen/!5831614 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schlindwein | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
| Ostkongo | |
| M23-Rebellen | |
| Uganda | |
| Felix Tshisekedi | |
| Ostafrika | |
| Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
| Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
| Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
| Kongo | |
| Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
| Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Aufflammende Kämpfe im Kongo: Rückkehr der Kriegsstimmung | |
| Luftangriffe, Zehntausende auf der Flucht: Im Kongo wächst Angst vor einem | |
| neuen Krieg. Viele Kongolesen sehen Ruanda hinter der neuen Stärke der | |
| M23-Rebellen. | |
| Von Kongo bis Mosambik: Ostafrika im Krieg | |
| Uganda greift im Kongo ein, Ruanda in Mosambik. Aber ein Versuch | |
| Ostafrikas, Kongos Regierung zu Gesprächen mit Rebellen zu bewegen, ist | |
| gescheitert. | |
| Milizen im Ostkongo: Dutzende Tote bei Angriff auf Mine | |
| Bei einem Angriff auf ein Bergarbeiterlager sind mehrere Zivilisten getötet | |
| worden. Eine Hilfsorganisation verdächtigt die Codeco-Miliz. | |
| Kongo wird EAC-Mitglied: Ostafrika wächst bis zum Atlantik | |
| Der Beitritt der Demokratischen Republik Kongo zur EAC verspricht wenig | |
| Veränderung. Die Staatengemeinschaft ist pleite, die Mitglieder | |
| zerstritten. | |
| Neue Kämpfe im Osten Kongos: UN-Blauhelme sterben | |
| Die ostkongolesischen M23-Rebellen und Kongos Armee liefern sich schwere | |
| Kämpfe. Sogar die UN-Mission verliert einen Hubschrauber voller Soldaten. | |
| Heftige Kämpfe im Ostkongo: Marodierende Rebellen | |
| Die einst mächtige Rebellenarmee Ostkongos hat kein Asylland mehr. Sie | |
| verwickelt sie Kongos Armee in schwere Kämpfe. |