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# taz.de -- Lukas Köhler (FDP) über Klimapolitik: „Das Tempolimit ist irrel…
> Von Tempolimit und höheren Steuern will die FDP trotz Ukraine-Krieg
> nichts wissen. Fraktionsvize Lukas Köhler erklärt, warum er das richtig
> findet.
Bild: Einen „Freiheitsverlust“ durch solche Verkehrszeichen auf Autobahnen …
taz: Herr Köhler, zum 1. Juni soll für drei Monate der Tankrabatt kommen,
durch den die Steuern auf Diesel um 17 Cent und auf Benzin [1][um 35 Cent
pro Liter sinken]. Benzin wäre dann deutlich billiger als vor dem
Ukrainekrieg. Finden Sie das wirklich sinnvoll?
Lukas Köhler: Ja. Die Energiesteuer wollte die FDP unabhängig von der
Ukrainekrise senken. Aber jetzt ist es erst recht richtig, dass wir auf die
gestiegenen Energiepreise und die hohe Inflation reagieren.
Aber Ihr Parteichef Christian Lindner hatte doch als Ziel ausgegeben, dass
der Preis für Diesel und Benzin wieder unter 2 Euro pro Liter sinken soll.
Das ist zwischenzeitig auch ohne Steuersenkung passiert.
Es ist aber nicht absehbar, wie sich die Preise weiter entwickeln. Es ist
ja sehr realistisch, dass es demnächst ein Embargo für russisches Öl gibt.
Dann geht der Preis mit Sicherheit wieder nach oben, weil sich die
Angebotsmenge verringert. Und deshalb ist es gut, dass wir dieses
Instrument jetzt haben.
Halten Sie in dem Fall auch eine Verlängerung der Steuersenkung für
möglich?
Ob es bei den drei Monaten bleibt, kann ich nicht sagen. Das hängt davon
ab, wie sich der Krieg in der Ukraine entwickelt. Aber wir haben die
Flexibilität, das zu verlängern, wenn es etwa durch ein Ölembargo nötig
wäre.
Um Benzin zu verbilligen, brechen Sie ein zentrales Wahlversprechen der
FDP: dass Sie keine neue Schulden wollen. Nun geben Sie zur Senkung des
Benzinpreises über 3 Milliarden Euro aus, für die es keine
Gegenfinanzierung gibt. Haben Sie keine Sorge, dass das auch bei Ihrer
eigenen Wählerschaft schlecht ankommt?
Steuern zu senken ist ja ebenfalls eine zentrale Forderung der FDP, denn
Steuern sind ja kein Selbstzweck. Gleichzeitig möchte ich betonen, dass wir
den CO2-Preis nicht infrage stellen – das haben wir auch nicht getan, als
es im EU-Emissionshandel im letzten Jahr eine extreme Preissteigerung auf
96 Euro pro Tonne gab. Und zu den neuen Schulden: Natürlich freut sich
unser Finanzminister nicht, dass er jetzt mehr Kredite aufnehmen muss.
Und im nächsten Jahr wollen wir die Schuldenbremse ja auch wieder
einhalten. Aber in einer Ausnahmesituation, wie dieser Krieg sie darstellt,
muss jede Partei darüber nachdenken, ob sie ihre Glaubenssätze eins zu eins
umsetzen möchte – oder ob sie das Richtige tun will für das Land.
Wenn Sie die Schuldenbremse 2023 wieder einhalten wollen, die Ausgaben
durch Krieg und Klimakrise aber hoch bleiben, könnte man die Steuern für
Spitzenverdiener erhöhen. Wäre die FDP zu einer solchen Zeitenwende bereit?
Nein. In einer Situation, wo wir mit Pech eine größere Rezession sehen
werden, wären Steuererhöhungen das Unklügste, was man machen kann. Aber
natürlich werden wir auch im nächsten Jahr unsere Politik entsprechend der
Situation anpassen, die dann gegeben ist. Ich hoffe aber, dass wir bis
dahin die aktuellen Probleme gelöst haben.
Auch an einem anderen Glaubensgrundsatz hält die FDP bisher fest: dass es
trotz Krieg und Klimakrise in Deutschland kein Tempolimit geben soll.
Ich glaube, das Tempolimit ist in jeder Hinsicht ein symbolisches Thema.
Bei der Unabhängigkeit von russischem Öl geht es ja nicht darum, wie stark
wir in Deutschland den Verbrauch reduzieren, sondern um die Kapazitäten,
die am Weltmarkt verfügbar sind.
Berechnungen zeigen, dass ein Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde die
deutschen Ölimporte aus Russland [2][immerhin um 8 Prozent verringern
könnte]. Das finden Sie symbolisch?
Natürlich sind 8 Prozent nicht nichts. Aber relevant ist beim Sprit vor
allem die Frage, ob es auf dem Weltmarkt Alternativen gibt, etwa weil die
Organisation der Erdöl exportierenden Länder (Opec) die Produktion
hochfährt. Und es kommt darauf an, wie die ostdeutschen Raffinerien
versorgt werden können, die an der Erdölpipeline aus Russland hängen. Das
Tempolimit ist dafür irrelevant.
Sie sind ja in Ihrer Partei auch für den Klimaschutz zuständig. Wie soll
das Klimaziel im Verkehrssektor künftig eingehalten werden, wenn Sie mit
höheren Benzinpreisen und Tempolimit die zwei Maßnahmen ablehnen, die
kurzfristig wirken würden?
Was kurzfristig am besten wirken würde, wäre das Einfügen des
Verkehrssektors in den europäischen Emissionshandel. Dann halten wir unsere
definierten Klimaziele klar ein. Durch das sogenannte Cap, also das
Treibhausgaslimit, begrenzen wir ja die Gesamtmenge an ausstoßbaren
Treibhausgasen, und durch das Handelssystem sorgen wir für einen Preis, der
angibt, wo die einzelne Tonne am besten eingespart wird.
Aber dann würde Benzin wiederum deutlich teurer, was Sie ja offenbar auch
nicht wollen.
Ich hatte ja schon gesagt, dass wir die CO2-Bepreisung im
EU-Emissionshandel nicht infrage stellen, ganz im Gegenteil, und dabei
bleiben wir natürlich auch im Verkehr oder Wärmesektor. Der Unterschied zu
einem kurzfristigen und unerwarteten Preisschock wie durch den aktuellen
Krieg oder einen Importstopp ist aber, dass es hier einen geplanten
Senkungspfad und damit eine klare Perspektive der Emissionsentwicklung
gibt. Deswegen ist es richtig und im Einklang mit unserer Position, eine
kurzfristige Preissteigerung auszugleichen, aber trotzdem weiterhin auf das
effiziente Mittel der CO2-Bepreisung zu setzen. Das Tempolimit bringt fürs
Klima jedenfalls wenig, und es hat auch volkswirtschaftliche Kosten.
Welche meinen Sie?
Hauptsächlich geht es um den Zeitverlust. Und natürlich, das wiegt für uns
viel schwerer, bedeutet es auch einen Freiheitsverlust.
22 Apr 2022
## LINKS
[1] /Entlastungspaket-der-Bundesregierung/!5845245
[2] /Energiesparen-in-Deutschland/!5840784
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
## TAGS
FDP
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Tempolimit
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