# taz.de -- Die FDP und der Benzin-Rabatt: Plötzlich ist der Markt egal | |
> Beim Klimaschutz wollte die FDP komplett auf Preismechanismen setzen. | |
> Doch sobald das Benzin tatsächlich teuer wird, ist Klientelpolitik | |
> wichtiger. | |
Bild: Preiswertes Autofahren, so scheint es, ist für die Liberalen ein Grundre… | |
Es war ein klares Konzept, das [1][die FDP] im Wahlkampf vertreten hat: Die | |
Liberalen versprachen, das ambitionierte 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, doch | |
anders als die politische Konkurrenz wollten sie dabei auf Vorschriften, | |
Verbote und Subventionen verzichten. Den Rückgang der | |
Treibhausgas-Emissionen wollten die Liberalen stattdessen komplett mit | |
marktwirtschaftlichen Instrumenten erreichen: Der Handel mit | |
CO2-Zertifikaten, der bisher nur für große Industriebetriebe und Kraftwerke | |
vorgeschrieben ist, sollte auf alle Sektoren ausgeweitet werden. | |
Das ist in der Theorie keine schlechte Idee. Wenn die CO2-Emissionen | |
überall einen einheitlichen Preis kosten, werden sie immer dort eingespart, | |
wo es ökonomisch am günstigsten ist. Und über die jährliche Absenkung der | |
maximalen Emissionsmenge können die Klimaziele punktgenau erreicht werden. | |
In der Praxis ist die Sache allerdings – wie so häufig – deutlich | |
komplizierter. Denn was ökonomisch ideal ist, [2][kann sozialpolitisch | |
ziemlich katastrophal sein]. Die CO2-Abgabe, die in Deutschland bisher für | |
Autofahren und Heizen fällig wird, ist mit 30 Euro pro Tonne deutlich | |
niedriger als der Preis im EU-Emissionshandel, der Ende letzten Jahres fast | |
100 Euro pro Tonne betrug. Würden, wie von der FDP gefordert, alle Sektoren | |
in den Emissionshandel einbezogen, würden sich Benzin und Diesel um 25 Cent | |
pro Liter verteuern, und auch das Heizen wäre deutlich teurer. | |
Die FDP hatte damit im Wahlkampf kein Problem, sondern erklärte die hohen | |
Preise ausdrücklich für notwendig: „So schaffen wir Anreiz zur Investition | |
in klimafreundliche Technologien“, heißt es im Wahlprogramm. Die Partei | |
ging sogar davon aus, dass der CO2-Preis dazu führen würde, dass | |
synthetische Kraftstoffe, die mithilfe von Ökostrom hergestellt werden, | |
dadurch billiger würden als fossiles Benzin – was erst der Fall wäre, wenn | |
sich dessen Preis etwa verdoppelt. „So können wir Klimaschutz | |
marktwirtschaftlich und wissenschaftlich sicher erreichen“, hieß es im | |
Wahlprogramm. | |
Ein halbes Jahr später ist von diesem Glauben an den Markt nicht viel | |
geblieben. Als die Benzinpreise in Folge des Ukrainekriegs plötzlich | |
steigen, sieht die FDP das nicht mehr als notwendigen Schritt für den | |
Klimaschutz, sondern als Problem. Statt auf den Markt zu vertrauen, war es | |
nun FDP-Chef Christian Lindner, der am lautesten nach einem Eingreifen des | |
Staates rief und via Bild-Zeitung einen „Benzin-Rabatt“ versprach. | |
Der wird nicht ganz so bürokratisch umgesetzt, wie von Lindner ursprünglich | |
mit einer Verrechnung zwischen Tankstellen und Finanzministerium | |
vorgeschlagen worden war. Aber auch die jetzt von der Ampelkoalition | |
geplante Steuersenkung macht die Treibstoffe deutlich billiger. Statt des | |
versprochenen Anreizes für klimafreundliche Technik gibt es jetzt das | |
Gegenteil: Je größer und sprithungriger ein Auto ist, [3][desto mehr | |
profitieren die Fahrer:innen von der Benzinpreissenkung]. | |
Preiswertes Autofahren, so scheint es, ist für die Liberalen ein Grundrecht | |
– ganz anders als bezahlbares Wohnen: eine Mietpreisbremse lehnt die Partei | |
bis heute ab. Wer sich die explodierenden Mieten nicht mehr leisten könne, | |
müsse eben umziehen, argumentiert die FDP. Wer sich das Autofahren nicht | |
mehr leisten kann, bekommt dagegen Hilfe vom Staat. Am Benzin-Rabatt hält | |
die Partei fest, obwohl die Preise inzwischen wieder unter die zunächst als | |
Ziel genannte Marke von 2 Euro pro Liter gefallen sind. | |
Zusammen mit dem Glauben an den Markt hat sich die FDP dabei auch von einem | |
weiteren Grundsatz verabschiedet: dem Verzicht auf neue Schulden. Die | |
hatten die Freidemokraten zunächst sogar abgelehnt, wenn damit neue | |
Investitionen finanziert werden sollten, die langfristig Kosten sparen. | |
Nachdem sie dort – richtigerweise – nachgegeben hatten, wollten sie aber | |
zumindest bei Konsumausgaben hart bleiben. | |
„Wenn die Union eine sogenannte Spritpreisbremse fordert, dann muss sie | |
sagen, was sie im Haushalt kürzen will“, hatte Lindner noch am 13. März | |
erklärt – nur um wenige Tage später seinen eigenen Tank-Rabatt | |
vorzustellen, der über neue Schulden finanziert werden soll. | |
## Bloß keine Preiskontrolle | |
Die FDP begründet den Markteingriff damit, dass es durch den Krieg einen | |
sehr plötzlichen Preissprung gab; anders als beim allmählichen – und damit | |
planbaren – Anstieg durch einen steigenden CO2-Preis hätten sich die | |
Menschen darauf nicht vorbereiten können, etwa durch den Umstieg auf ein | |
Elektroauto oder einen sparsameren Verbrenner. Das ist grundsätzlich | |
richtig. Doch um den Preisanstieg zu begrenzen, hätte es noch eine andere | |
Möglichkeit gegeben: Analysen zeigen, dass der Preis von Benzin und Diesel | |
an der Tankstelle sehr viel stärker gestiegen ist, als durch den höheren | |
Rohölpreis (und die mit steigendem Preis ebenfalls steigende | |
Mehrwertsteuer) notwendig gewesen wäre. Einen großen Teil des Mehrpreises | |
kassieren die Mineralölkonzerne als zusätzliche Gewinne. | |
Das ließe sich durch eine staatliche Preisregulierung verhindern. Mehrere | |
andere europäische Länder nutzen diese Möglichkeit und geben eine | |
Obergrenze für Benzin- und Dieselpreise vor, die sich am jeweiligen | |
Rohölpreis plus einer gewissen Gewinnmarge orientiert. Selbst in Luxemburg, | |
einem Land, das eher für Deregulierung als für Kommunismus steht, gibt der | |
Staat einen Höchstpreis vor. | |
Doch eine solche Maßnahme, die die Benzinpreise senken würde, ohne den | |
Staatshaushalt zu belasten, ist mit der FDP nicht zu machen: Schon der | |
Vorschlag, ein solches Vorgehen für Deutschland auch nur zu prüfen, wurde | |
auf Druck der Partei wieder aus dem Beschlusspapier der Ampelkoalitionäre | |
zum Entlastungspaket gestrichen. Hohe Unternehmensgewinne zu Kriegszeiten | |
sind offenbar noch wichtiger als eine Entlastung von Autofahrer:innen | |
oder ein ausgeglichener Staatshaushalt. | |
8 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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