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# taz.de -- Russische Propaganda: Purer Hohn für den Journalismus
> Marina Owsjannikowa hatte im russischen Fernsehen protestiert. Nun
> arbeitet sie für die Zeitung „Welt“ und stellt damit den unabhängigen
> Journalismus in Frage.
Bild: Marina Owsjannikowa nach der Anhörung im Moskauer Bezirksgericht am 15. …
[1][Unser Bundeskanzler] wird nicht müde zu betonen, dass das, was in der
Ukraine passiert, allein Putins Krieg sei. Mindestens wenn es um die
russische Propagandamaschinerie geht, sollte klar sein, dass Menschen, die
Teil dessen sind oder waren, ebenfalls Verantwortung tragen: Für die Lügen,
die seit vielen Jahren über die Ukraine verbreitet wurden und somit auch
für diesen Krieg.
Marina Owsjannikowa war bis vor Kurzem Teil dieser Lügenwelt. Seit 2003
arbeitete sie als Redakteurin für einen der landesweit wichtigsten
Fernsehsender, den Ersten Kanal. Ein Sender, der für seine Propaganda
berüchtigt ist. Owsjannikowa war zuständig für Auslandsnachrichten. Sie
recherchierte, führte Interviews mit Politikern, produzierte Beiträge für
den Sender. Sie lebte ein gutes Leben in der Moskauer Mittelschicht,
[2][sagte sie im März in einem Interview.]
Einen Tag bevor sie dieses Interview gegeben hatte, war sie [3][mit einem
Protestschild in die Abendnachrichten des Ersten Kanals gestürmt]. „Glaubt
der Propaganda nicht“, stand darauf. Sie rief „Nein zum Krieg“, ein Ausru…
der da schon in Russland unter Strafe stand. Nur wenige Sekunden sah man
sie, während die Moderatorin im Vordergrund ihren Nachrichtentext weiter
vortrug, als wäre sie eine Maschine. Dass Owsjannikowa diese Aktion
mindestens ihren Job kosten würde, war klar. Sie wurde verhaftet und zu
einer Geldstrafe von 30.000 Rubel (ca. 250 Euro) verurteilt.
International wurde sie als Heldin gefeiert. Für ihren Mut belohnte man sie
nun sogar mit einem Job. Die Ex-Mitarbeiterin eines Propagandasenders wird
ab sofort als freie Korrespondentin für die Welt unter anderem aus der
Ukraine und Russland berichten, [4][das teilte der Springer Verlag am
Montag mit]. Owsjannikowa habe die Zuschauer in Russland mit einem
ungeschönten Bild der Wirklichkeit konfrontiert, wird Welt-Chefredakteur
Ulf Poschardt in der Mitteilung zitiert. Damit habe sie die wichtigsten
journalistischen Tugenden verteidigt.
## Politischer Druck und staatliche Repressionen
Zeichnen sich Journalist:innen nicht durch ihr Handwerk aus? Eine
Berichterstattung, die der Wahrheit verpflichtet ist? Owsjannikowa hat mit
ihrer Arbeit jahrelang ein System von Lügen mitgetragen und mitgestaltet.
Sie störte sich nicht an der Propaganda. Es waren stattdessen
Kolleg:innen unabhängiger russischer Medien, die trotz politischen
Drucks und staatlicher Repressionen ihr Leben riskierten, um ehrlichen
Journalismus zu machen. Viele von ihnen mussten bereits aus Russland
fliehen. Diese Journalist:innen wären einer
Korrespondent:innenstelle würdig. Unverständlich ist auch, wie man
mit dieser Personalentscheidung unzählige ukrainische Journalist:innen
übergehen konnte. Owsjannikowa über die Ukraine berichten zu lassen, wirkt
wie ein Hohn.
Wie wenig qualifiziert sie für diesen Job ist, bewies sie [5][in ihrem
ersten Text], Überschrift: „Die Russen haben Angst“. Eine klassische
Opfergeschichte, in der sie das Bild vermittelt von einer Mehrheit in
Russland, die gegen den Krieg sei, nur eben zu ängstlich sei, das laut zu
sagen. Interessant ist auch eine Stelle, in der sie berichtet, humanitäre
Hilfe für ukrainische Flüchtlinge zu organisieren, die in der Region Kaluga
„in örtlichen Sanatorien untergebracht“ worden seien. Kein zweifelndes Wort
daran, ob diese Ukrainer:innen freiwillig nach Russland geflohen sind.
Kein Wort über die Verschleppungen und Zwangsumsiedlungen nach Russland.
Ist das aufrichtiger Journalismus?
Im Krieg gibt es eine Sehnsucht nach Helden. Owsjannikowas Plakataktion
wird zur Heldenerzählung stilisiert. Ein Beweis eben, dass nicht alle
Putins System unterstützen. Das gefällt sicher auch dem Bundeskanzler.
Vielleicht wird man sich am Ende ja wieder geirrt haben – [6][wie einst
unser Bundespräsident mit Putin].
13 Apr 2022
## LINKS
[1] /Zeitenwende-von-Kanzler-Scholz/!5845311
[2] https://www.spiegel.de/ausland/russland-interview-mit-tv-journalistin-marin…
[3] /Protest-im-russischen-Staatsfernsehen/!5841999
[4] https://www.axelspringer.com/de/ax-press-release/marina-owsjannikowa-wird-k…
[5] https://www.welt.de/politik/ausland/plus238054341/Marina-Owsjannikowa-Die-R…
[6] /Steinmeiers-Selbstkritik/!5846071
## AUTOREN
Erica Zingher
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