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# taz.de -- Bundespräsident unerwünscht in Kiew: Lieber Panzer als Steinmeier
> Die Ausladung von Bundespräsident Steinmeier stößt in der Ukraine auf
> Zustimmung. Es gibt aber auch kritische Stimmen.
Bild: Wolodimir Selenski während eines Interviews in seinem Büro in Kiew am 9…
taz | Ein Diplomat ist Wolodimir Selenski wirklich nicht. Selbst im
höchsten politischen Amt bleibt der Präsident ein einfacher Mann und
Ukrainer, der seinen Emotionen und seinem Schmerz über die Massengräber in
Butscha mehr Raum gibt als den Gepflogenheiten der Diplomatie. Dabei weiß
er wohl ganz genau, was sein Handeln bewirkt. In seinem undiplomatischen
Verhalten ist er authentisch und genießt eben deswegen auf dem
internationalen Parkett so viel Wertschätzung.
Und weil er das spürt, hat er auch keinen Grund, sein Verhalten zu ändern.
Nicht gegenüber den Vertretern wichtiger Staaten und auch nicht gegenüber
der deutschen Führung. Denn Selenski hat schnell begriffen, dass westliche
Politiker eine Sache tun und gleichzeitig auch etwas ganz anderes tun
können. Sie haben zum Beispiel Sanktionen verhängt und gleichzeitig Nord
Stream 2 gebaut. Und so kann er auch Deutschland für dessen Hilfe dankbar
sein und es gleichzeitig kritisieren und mehr einfordern.
Und mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat er ein Gegenüber, das
bei den Ukrainer:innen [1][viele negative Gefühle] hervorruft. Nach
Steinmeier ist die sogenannte Steinmeier-Formel benannt, die in ihrem Kern
bei den Verhandlungen um eine Regelung für den Donbass der russischen
Position sehr nahe kommt. In der Ukraine sieht man Steinmeiers Verhalten
gegenüber Russland und seine Förderung von Nord Stream 2 als Zugeständnis,
das letztendlich den russischen Überfall auf die Ukraine ermöglicht hat.
Die ukrainische Regierung sieht auch im deutschen Nein von 2008 zu einer
Nato-Mitgliedschaft der Ukraine die Handschrift von Merkel und Steinmeier.
Enttäuschung und Wut haben auch die deutsche Lieferung von 5.000 Helmen und
die Finanzierung eines Lazaretts ausgelöst. Man hatte sich von Deutschland
wirklich mehr erwartet. Und auch nach Kriegsbeginn ärgerte man sich über
die halbherzige Position Deutschlands, das Banken und Energieträger von
den Sanktionen ausnahm.
## „Derartige Handlungen sind nicht zielführend“
In der Bevölkerung wird die Absage an Steinmeier mit Genugtuung
aufgenommen. „Ich verstehe und unterstütze Selenski. Im Gegensatz zu den
Polen, Balten, Briten und Amerikanern haben die Deutschen doch nie klar im
Interesse der Ukraine gehandelt. Während die anderen uns zu 100 Prozent
unterstützen, unterstützen die Deutschen uns nur zu 50 Prozent“, erklärte
die 37-jährige Diätologin Olga aus Hostomel gegenüber der taz.
Und sofort nach Bekanntwerden der Ablehnung postete der ukrainische
Journalist Denis Trubetskoy auf seiner Facebook-Seite: „Falls die
Informationen stimmen, dass Präsident Selenski ein Treffen mit Steinmeier
ablehnte, hat er aus meiner Sicht alles vollkommen richtig gemacht. Er muss
in diesen Zeiten sicher nicht einen der wichtigsten Befürworter des
eigentlich moralisch verbrecherischen Nord-Stream-2-Projekts in Kiew
empfangen, auch dann nicht, wenn dieser zufällig Bundespräsident ist.“
Demgegenüber ist es für den Blogger Evgeny Istrebin keine gute Idee,
Derartiges in aller Öffentlichkeit zu erklären. In der Diplomatie bewege
man sich auf dünnem Eis, derartige Handlungen seien nicht zielführend,
postete er auf seiner Facebook-Seite. „Für uns ist es jetzt wichtig, dass
Deutschland zuerst mit den [2][Waffenlieferungen] beginnt. Und das darf
nicht erst Ende des Jahres passieren, und es sollten auch keine Helme und
Handfeuerwaffen, sondern vielmehr schwere Waffen, Artillerie, gepanzerte
Fahrzeugen etc. sein.“
13 Apr 2022
## LINKS
[1] /Steinmeiers-Selbstkritik/!5846071
[2] /Panzerhaubitzen-fuer-Kiew/!5848373
## AUTOREN
Bernhard Clasen
Anastasia Magasowa
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Frank-Walter Steinmeier
Russland
Kolumne Der rote Faden
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Ukraine
Kolumne Grauzone
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