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# taz.de -- Journalist:innen in Russland: „Permanente Anspannung“
> Wegen des Ukrainekriegs verschärft Russland die Unterdrückung der freien
> Presse. Einige Journalist*innen verlassen deswegen ihre Heimat.
Bild: Mutiger Protest im TV: Journalistin Maria Ovsiannikova mit Antikriegsplak…
Berlin taz | Ein Gericht in Moskau hat am Montag Facebook und Instagram
verboten, [1][weil der Konzern Meta, zu dem beide Plattformen gehören,
„extremistisch“ sei]. Ebenfalls am Montag meldete die Nachrichtenagentur
Interfax: Russlands Medien-Regulierer hätten 20 VPN-Dienste blockiert und
arbeiteten daran, weitere zu sperren. VPN-Dienste (kurz für „Virtual
Private Network“) erlauben es Nutzern, ihren Standort zu verbergen – und so
etwa Webseiten aufzurufen, die in einem bestimmten Land gesperrt sind. Seit
Beginn der Ukraine-Invasion hat Moskau immer mehr ausländische, aber auch
kritische inländische Medien gesperrt. [2][Bisher nutzen viele Russ:innen
VPN, um sie trotzdem zu besuchen]. Der Staat macht es immer schwieriger,
Informationen über das Netz zu beschaffen und zu teilen.
Unabhängige journalistische Medien sollen derweil in die
Propaganda-Berichterstattung gezwungen werden: Besonders drastisch ist der
Erlass des russischen Parlaments vom vierten März. Er verbietet Medien, die
Invasion in der Ukraine als „Krieg“ zu bezeichnen.
Kirill Martynow ist stellvertretender Chefredakteur der Nowaja Gazeta,
einer bisher unabhängig und kritisch berichtenden russischen Zeitung. Bei
[3][einem Panel des International Press Institute (IPI)] sprach er kürzlich
über die Konsequenzen eines solchen Gesetzes. Entweder verwende man die vom
Staat publizierten Berichte, „was Propaganda ist“, oder man verwende selbst
recherchierte Informationen – was der Staat dann als „Fake“ bezeichne. Die
Nowaja Gazeta schreibe seither nicht mehr über den Krieg selbst, nur noch
über seine Folgen.
Ein freier Journalist, der anonym bleiben will und nur über Signal
kommuniziert, sagte: „Wir haben permanent ein Gefühl von Gefahr und
Anspannung“. Die Regierung zwinge Journalist*innen, sich öffentlich
kenntlich zu machen, berichtet er. Sie müssten gelb-grüne Warnwesten tragen
– großflächige Presseausweise. Es sei nun geplant, dass
Journalist*innen QR-Codes tragen müssten, die sofort ihre persönlichen
Daten anzeigen. Der Staat argumentiere, das helfe der Polizei, schnell zu
wissen, wer ein „echter“ und wer ein „falscher“ Pressevertreter sei.
## Immer häufiger Festnahmen
Er sei bisher dreimal aufgrund seiner Arbeit festgenommen worden, erzählt
der freie Journalist, der hier „Mikhail“ heißen soll, das letzte Mal bei
einem der Proteste gegen den Ukrainekrieg. Er sei in eine zehn Kilometer
entfernte Polizeistation verschleppt und für sieben Stunden festgehalten
worden. Obwohl er wie gefordert gekleidet war, wurde ihm vorgeworfen, „kein
richtiger Journalist“ zu sein und eine „illegale Veranstaltung“ organisie…
zu haben. Sogar dem Kreml positiv gesinnte Journalisten würden mittlerweile
festgenommen, sagt Mikhail.
Wie die russische Gewerkschaft der Journalist*innen und
Medienschaffenden auf Twitter mitteilt, wurde am vergangenen Freitag der
Chefredakteur einer Pskover Regionalzeitung festgenommen sowie fünf
Journalisten des unabhängigen Mediums SotaVision. Die staatliche
Medienregulierungsbehörde Roskomnadzor blockiert seit einer Woche die
Webseiten von dreißig unabhängigen Medien im Rand. [4][Regelmäßige
Neuigkeiten dieser Art meldet auch das IPI in einem regelmäßigen
Newsticker].
Die Repression gegen Medien in Russland spitzt sich zu. Begonnen hat sie
schon lange vor dem Krieg. [5][Anastasia Kirilenko] ist Journalistin, lebt
mittlerweile in Frankreich. Bevor sie Russland 2014 nach der Annexion der
Krim verließ, arbeitete sie für Radio Free Europe, einem Sender, der von
den USA finanziert wird und sich an Hörer:innen in osteuropäischen und
zentralasiatischen Ländern richtet, in denen die Pressefreiheit staatlich
eingeschränkt wird.
Immer wieder habe der Staat Rügen und Warnungen gegen den Sender
ausgesprochen, erzählt Kirilenko. Zwei ihrer Berichte hätten Putin direkt
betroffen, deshalb habe sie 2011 einen Besuch von der Polizei bekommen.
„Für viele Journalist*innen ist es wahrscheinlich schon Druck, wenn man
fünf Stunden polizeilich befragt wird“, sagt sie, „aber viele meiner
Kolleg:innen haben Schlimmeres erlebt.“ [6][Im Jahr 2019 veröffentlichte
das russische Fernsehen einen Beitrag über Kirilenko, der sie als Feindin
Russlands denunziert].
## „Sie wissen nicht, was sie denken sollen“
Selbst Kirilenkos Familie glaubt eher den Staatsmedien als ihr. „Sie sehen
fern zur Hauptsendezeit“, sagt sie. Und dort gehe es nur darum, wie
großartig Putin sei – „Propaganda-Klischees“. Ihre Familie störe das ni…
„Sie haben immer noch sowjetische Reflexe“, sagt sie. „Sie wissen nicht,
was sie denken sollen“.
Für manche wird der Druck zu groß. Der anonyme „Mikhail“ sagt: „Ich lie…
dieses Land und meine Heimatstadt“. Aber aufgrund der Situation werde er
sie in den nächsten Tagen verlassen. „Ich weiß nicht, wann ich
wiederkomme.“ Durch die [7][SWIFT-Sanktionen] funktionieren russische
Bankkarten im Ausland nicht mehr, das erschwert ihm die Flucht zusätzlich.
Anastasia Kirilenko erzählt, ehe sie Russland verließ, habe sie eine
Entscheidung getroffen: „Ich werde nie zur russischen Staatspropaganda
beitragen – vorher wechsle ich den Job.“ Sie sagt: „Einen Beitrag zur
Propaganda zu leisten, ist ein Beitrag dazu, das Land nicht in die Zukunft,
sondern in die Vergangenheit zu führen.“
22 Mar 2022
## LINKS
[1] /-Nachrichten-zum-Ukrainekrieg-/!5842732
[2] https://www.cnbc.com/2022/03/11/vpn-use-in-russia-is-surging-as-government-…
[3] https://www.youtube.com/watch?v=arafyh-he9Q
[4] https://ipi.media/alerts/?topic=russia-ukraine-war&search=&alert_ty…
[5] https://twitter.com/anastasiaki?lang=de
[6] https://www.vesti.ru/videos/show/vid/794482/cid/1/#/video/https://player.vg…
[7] /Norbert-Roettgen-zum-Ukraine-Krieg/!5842273
## AUTOREN
Lisa Schneider
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