# taz.de -- Interview über russische Medien: „Auch ein Informationskrieg“ | |
> Der Medienpolitiker Thomas Hacker fordert ein deutsches Gegenmedium zu | |
> Russia Today auf Russisch. Auch wünscht er sich mehr Förderung von | |
> Exil-Journalist*innen. | |
Bild: Von Putins Pressedienst verbreitetes Video: der Präsident wendet sich an… | |
taz: Herr Hacker, demnächst könnten Hunderte ukrainische und russische | |
Journalist*innen im deutschen Exil leben. Die einen flüchten vor Krieg, | |
die anderen vor Gefängnisstrafen für Berichterstattung. Was müssen wir tun, | |
damit diese Kolleg*innen hier schnell ihre Arbeit aufnehmen können? | |
Thomas Hacker: Entscheidend ist, dass sie hier in Deutschland ohne | |
bürokratischen Aufwand aufgenommen werden, eine Unterkunft finden und sich | |
ohne Sorge um ihr Leben schnellstmöglich auch wieder ihrem Beruf widmen | |
können. Zweitens muss das größer werdende Informationsdefizit schnell | |
ausgeglichen werden, damit die Menschen in Russland und der Ukraine | |
erfahren, was Putins Staatsmedien eben nicht berichten. Dieser Krieg ist | |
auch ein [1][Informationskrieg], Informationen in ukrainischer und | |
russischer Sprache müssen die Menschen dort weiterhin erreichen. | |
[2][Reporter ohne Grenzen] und die Journalistenverbände fordern humanitäre | |
Visa mit einer Arbeitserlaubnis. Unterstützen Sie das? | |
Ganz klar! Es geht darum, die Pressefreiheit aufrechtzuerhalten und der | |
[3][Kremlpropaganda] mit Journalismus entgegenzutreten. Journalistinnen und | |
Journalisten im Exil müssen die Möglichkeit haben, hier zu arbeiten – egal | |
ob für deutsche oder für ausländische Medienunternehmen. | |
Das Staatsministerium für Kultur und Medien plant eine Förderung von | |
Exiljournalist*innen. Wie können Fördergelder zielgenau und unabhängig | |
verteilt werden? | |
Reporter ohne Grenzen pflegt Kontakte zu Medienschaffenden auf der ganzen | |
Welt, kennt die Mechanismen vor Ort und Bedürfnisse. Auf solche etablierten | |
Organisationen kann man direkt zurückgreifen, ohne neue Bürokratie | |
aufzubauen. Zudem laufen bereits Programme der auswärtigen Kultur- und | |
Bildungspolitik und auch bei der Deutschen Welle. | |
Das Staatsministerium hatte 2021 schon ein Förderprogramm für Journalismus | |
gestartet – in Höhe von einer Million Euro. Das klingt nach viel, aber | |
viele Projekte könnte man mit einem solchen Betrag nicht ausstatten. | |
Diese Förderung versteht sich als strukturelle Förderung für unabhängigen | |
Journalismus, also als gezielte Unterstützung der Arbeit von | |
Journalist*innen, damit sie ihre Recherchen durchführen und Themenideen | |
verfolgen können. Die grundsätzliche Finanzierung der Lebenshaltungskosten | |
umfasst sie nicht – dafür gibt es ergänzende Angebote. | |
Die russischen staatsnahen Sender RT und Sputnik sind in der EU seit Anfang | |
März verboten. In Deutschland wurde schon vorher dem deutschsprachigen RT | |
die Rundfunklizenz verweigert. Manche Provider blockieren derzeit die | |
komplette Website des Nachrichtenportals rt.com. Ist das Sperren von Medien | |
angemessen? Zumal man die kremlnahe Sicht im Netz weiter unschwer findet, | |
wenn man möchte. | |
Die Frage ist berechtigt! Das EU-Verbot für RT und Sputnik ist in der | |
aktuellen Situation sicherlich ein effektives Mittel, um im | |
Informationskrieg Putins gezielt gegen einzelne Verbreitungsformen | |
vorzugehen. Klar ist aber: Es wird natürlich als Zensur gewertet und | |
schwächt unsere Argumentation als freie demokratische Welt. Wenn wir diesen | |
Schritt gehen, liefern wir Argumente für den Kreml, uns als Feinde des | |
russischen Volkes zu diskreditieren. | |
Die Folge: Die Deutsche Welle und andere Auslandssender werden für die | |
nächsten Jahre dann keinen Zugang mehr zu Russland bekommen, um durch ihre | |
Berichterstattung in die russische Zivilgesellschaft wirken zu können. Der | |
Informationskrieg wird heute vor allem über soziale Netzwerke geführt. Es | |
ist gut und wichtig, dass vor allem Google und Meta als private Unternehmen | |
entschieden gegen die Desinformationen vorgehen. Tiktok ist ein Fall für | |
sich … | |
Müssen Medien in russischer Sprache ausgebaut werden, für die Menschen in | |
Deutschland, die vielleicht lieber russischsprachige Nachrichten | |
konsumieren? | |
Diesen Ansatz verfolgen wir als Freie Demokraten schon länger. | |
Migrationsströme führen die nationalen Grenzen ad absurdum, immer mehr | |
Menschen reisen beruflich oder kommen als Flüchtende in andere Länder. Wir | |
hatten vor 30 Jahren einen relativ großen Zuzug von Russlanddeutschen, die | |
teils in ihren Familien heute noch vorwiegend Russisch sprechen. Da braucht | |
es valide Informationen in der eigenen, hauptsächlich gesprochenen Sprache. | |
Wir sehen insbesondere Chancen durch die Zusammenarbeit mit der Deutschen | |
Welle, die jetzt schon russischsprachige Programme für das Ausland | |
produziert. | |
Die Deutsche Welle hat nach einigen Fällen antisemitischer Äußerungen einen | |
inneren Kulturwandel versprochen. Hat sie damit Ihr Vertrauen | |
zurückgewonnen? | |
Die Deutsche Welle ist mit dem Antisemitismusvorwurf in den arabischen | |
Redaktionen und bei den arabischen Kooperationspartnern sehr offen, | |
transparent und entschieden umgegangen. Neben der internen Aufarbeitung | |
durch den Expertenbericht gibt es intensive Gespräche, um aus den Fehlern | |
und Versäumnissen zu lernen. Die Deutsche Welle hat uns im Kulturausschuss | |
versichert, dass dies auch konsequent umgesetzt wird. Ich habe großes | |
Vertrauen, dass das geschehen wird. | |
Bei Ihrem Vorschlag würde die Deutsche Welle über die Hintertür im Inland | |
senden, was eigentlich nicht vorgesehen ist. | |
Über die rechtlichen Hürden müssen wir natürlich reden und diese | |
gegebenenfalls auch verändern. Die Zielgruppen der Deutschen Welle in der | |
digital vernetzten Welt verändern sich. Nationale Grenzen verschwimmen. | |
Wenn die Deutsche Welle im Ausland für die europäischen, demokratischen | |
Werte der Bundesrepublik werben soll, kann sie dies auch im Inland bei den | |
Menschen tun, die unsere Sprache nicht sprechen. | |
17 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Peter Weissenburger | |
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