# taz.de -- Verlässliche Informationen: Das schwer umkämpfte Gut | |
> Die Pressefreiheit ist fast überall durch illiberale Tendenzen bedroht. | |
> Doch gibt es inmitten der größten Krise auch einen Hoffnungsschimmer. | |
Bild: Irpin, Ukraine am 6. März: Journalisten fliehen vor heftigem Beschuss | |
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine macht es deutlich: | |
Unabhängige Medien sind im Jahr 2022 so wichtig und so bedroht wie kaum | |
jemals zuvor. Im Krieg selbst können verlässliche Informationen das | |
Überleben sichern. Journalist*innen ordnen die Kriegshandlungen ein, | |
leisten Aufklärungsarbeit auch mit Blick auf Kriegsverbrechen, wollen | |
verstehen und verständlich machen. | |
Auch deshalb will die Mehrheit der [1][ukrainischen Journalist*innen] | |
im Land bleiben und weiter berichten. In Russland ist die Situation eine | |
andere: Als unabhängiger Journalist oder kritische Reporterin ist es im | |
Land nicht mehr auszuhalten. Seit das drakonische Mediengesetz vom 4. März | |
„falsche“ Berichterstattung mit bis zu 15 Jahren Gefängnis bedroht, | |
verlassen Medienschaffende in Scharen das Land. | |
Reporter ohne Grenzen hat die Einschränkungen der freien Berichterstattung | |
in Russland seit Langem kritisiert. Schon in den Monaten vor dem Überfall | |
auf die Ukraine war die Repression massiv, die Liste angeblicher | |
„ausländischer Agent*innen“ wuchs rasant an. | |
Heute droht Russland zu einem medialen schwarzen Loch zu werden – um | |
[2][die Pressefreiheit ist es so schlecht bestellt] wie seit dem Ende der | |
Sowjetunion nicht mehr. | |
## Gefährliche Recherchen zu Korruption, Politik und Kriminalität | |
Weltweit nehmen illiberale Tendenzen mit Blick auf die Medien zu. Abseits | |
von Kriegen und Krisen leben Journalist*innen vor allem dann | |
gefährlich, wenn sie über die Verstrickungen korrupter Politiker*innen | |
mit der organisierten Kriminalität berichten. | |
Nicht umsonst ist Mexiko das Land mit den meisten getöteten | |
Journalist*innen. In China wirft das Regime im weltweiten Vergleich die | |
meisten Medienschaffenden ins Gefängnis. In [3][Hongkong], einst ein | |
Vorbild der Pressefreiheit, mussten mit Apple Daily und Stand News die | |
letzten unabhängigen Medien schließen. | |
In [4][Afghanistan] wiederum radieren die Taliban die vergangenen 20 Jahre, | |
in denen eine sehr vielfältige Medienlandschaft entstanden ist, vollständig | |
aus. In vielen Ländern haben die Regierungen die Covid-19-Pandemie genutzt, | |
um mit Gesetzen gegen Fake News ihr eigenes Narrativ zu unterstützen. | |
Auch in Europa steht die Pressefreiheit unter Druck. In Ungarn hat Viktor | |
Orbán über 80 Prozent der Medien unter mehr oder weniger direkte Kontrolle | |
gebracht. In diesen Medien kam der Wahlkampf seines Widersachers Peter | |
Marki-Zay quasi nicht vor – Orbáns erneuter Wiederwahl zum | |
Ministerpräsidenten Anfang April hat das sicher nicht geschadet. | |
## Verachtung für kritische Journalist*innen | |
Das ungarische Vorbild verfängt: Auch der gerade abgewählte slowenische | |
Ministerpräsident [5][Janez Janša] machte aus seiner Verachtung für | |
kritische Journalist*innen keinen Hehl. Die i[6][n Polen regierende | |
PiS] ihrerseits hat den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wie ihr Pendant | |
Fidesz in Ungarn, zu einem staatlichen Propagandainstrument gemacht. | |
In Deutschland ist in den vergangenen zwei Jahren kaum ein Wochenende | |
vergangen, an dem es keine Beleidigungen von Journalist*innen, keine | |
Schläge oder Schubsereien, keine veröffentlichten Klarnamen und Adressen | |
von Medienvertreter*innen gegeben hätte. | |
Im Jahr 2020 hatte Reporter ohne Grenzen 65 [7][gewaltsame Angriffe auf | |
Journalist*innen] gezählt. Schon diese Zahl bedeutete einen starken | |
Anstieg (2019: 13). 2021 nahm die Gewalt gegenüber Medienschaffenden | |
hierzulande weiter zu auf mindestens 80 verifizierte Fälle. | |
Es gibt aber auch positive Entwicklungen. Das Schicksal der ukrainischen | |
und russischen Medien löste europaweit eine enorme Welle der | |
Hilfsbereitschaft aus: Redaktionen machen unbürokratisch Arbeitsplätze für | |
bedrohte Kolleg*innen frei, zivilgesellschaftliche Organisationen legen | |
zügig Hilfsprogramme und Projekte auf, Stiftungen und einzelne Menschen | |
spenden viel Geld. | |
Um dieses zu kanalisieren und zügig dorthin zu lenken, wo es am | |
dringendsten gebraucht wird, hat RSF gemeinsam mit der | |
Rudolf-Augstein-Stiftung und der Schöpflin Stiftung den JX Fund aufgelegt, | |
einen europäischen Fonds für Exiljournalismus. Denn das ist fast allen | |
Journalist*innen gemein, die ihre Heimat verlassen müssen: Sie wollen | |
arbeiten, wollen weiter berichten, sei es über die Ukraine, über Russland, | |
über Belarus oder [8][Afghanistan]. | |
Dieser Text ist Teil einer Beilage der taz Panter Stiftung und von Reporter | |
ohne Grenzen in der taz vom 3. Mai 2022, dem Internationalen Tag der | |
Pressefreiheit. | |
2 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Reporterinnen-in-der-Ukraine/!5846751 | |
[2] /Medien-in-Russland-unter-Druck/!5841829 | |
[3] /Pressefreiheit-in-Hongkong/!5845239 | |
[4] /Journalist-ueber-Arbeit-in-Afghanistan/!5808946 | |
[5] /Pressefreiheit-in-Slowenien/!5762694 | |
[6] /Pressefreiheit-in-Polen/!5786010 | |
[7] /Pressefreiheit-in-Deutschland/!5768012 | |
[8] /Medienfreiheit-in-Afghanistan/!5816886 | |
## AUTOREN | |
Christopher Resch | |
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