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# taz.de -- Keine Nazis als Schöffen bei Gericht: Justizminister will Gesetz �…
> AfD und NPD rufen Anhänger:innen zur Mitarbeit in der Justiz auf. Der
> Justizminister will das durch Regeln zur Verfassungstreue verhindern.
Bild: Richterrobe
Karlsruhe taz | Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will
klarstellen, dass Extremist:innen nicht Schöff:innen werden können.
Ein erster Vorschlag für die Änderung des Deutschen Richtergesetzes liegt
bereits vor. Damit würde die ohnehin bestehende Rechtslage sichtbarer
gemacht.
In Deutschland wirken an Strafurteilen oft auch Laienrichter:innen
mit, die Schöff:innen. Sie sollen die Lebensnähe der Justiz sicherstellen
und haben das gleiche Stimmrecht wie Berufsrichter:innen. Bundesweit gibt
es rund 40.000 Schöff:innen. Immer wieder rufen NPD und AfD ihre Mitglieder
und Anhänger:innen dazu auf, Schöff:innen zu werden.
Als Schöff:in kann sich bei der Gemeinde bewerben, wer die deutsche
Staatsangehörigkeit besitzt und zwischen 25 und 70 Jahre alt ist. Als
politische Ausschlussgründe stehen bisher im Richtergesetz nur, dass jemand
„gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit
verstoßen hat“ oder als hauptberuflicher oder inoffizieller Mitarbeiter für
die DDR-Stasi gearbeitet hat.
In einem Regelungsvorschlag des Justizministeriums, der der taz vorliegt,
soll dieser Katalog nun um einen dritten Punkt erweitert werden. Als
Schöff:in soll auch nicht berufen werden, wer „keine Gewähr dafür bietet,
dass er jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne
des Grundgesetzes eintritt“.
## Rechtslage bereits geklärt
Anlass war eine Anregung des damaligen Stuttgarter Landesjustizministers
Guido Wolf (CDU) von Anfang 2021. Die damalige Bundesjustizministerin
Christine Lambrecht (SPD) nahm die Anregung auf und fragte bei den
Bundesländern und juristischen Verbänden nach.
Die Rückmeldung war überwiegend positiv. Zwar bestehe kein dringender
gesetzgeberischer Handlungsbedarf, schrieb zum Beispiel der Deutsche
Richterbund, aber es spreche auch nichts dagegen.
Tatsächlich ist die Rechtslage längst geklärt. Denn das
Bundesverfassungsgericht hat 2008 entschieden, dass für ehrenamtliche
Richter:innen die gleichen Anforderungen an die Verfassungstreue gelten
wie für hauptberufliche Richter:innen.
Anlass war der Fall von [1][Oliver H., der bei der schwäbischen
Nazirockband Noie Werte spielte] und gleichzeitig als ehrenamtlicher
Arbeitsrichter agierte. Die christliche Gewerkschaft CGM hatte ihn
vorgeschlagen. Als er vom Landesarbeitsgericht Stuttgart seines Amtes
enthoben wurde, klagte H. in Karlsruhe.
Doch das Bundesverfassungsgericht lehnte seine Verfassungsbeschwerde ab.
„Die politische Treuepflicht fordert mehr als nur eine formal korrekte, im
Übrigen uninteressierte, kühle, distanzierte Haltung gegenüber dem Staat
und seiner Verfassung“, zitierten die Richter:innen ausgiebig aus ihrer
eigenen Berufsverbote-Rechtsprechung der 70er-Jahre.
Diese Pflicht gelte auch, so Karlsruhe, für ehrenamtliche Richter. Denn am
Arbeitsgericht bilden zwei Ehrenamtliche und ein Berufsjurist zusammen das
„staatliche Gericht“. Der Staat habe „streng da-rauf zu achten“, dass k…
Verfassungsfeinde zum ehrenamtlichen Richter ernannt werden.
## Kein Ermessen bei fehlender Verfassungstreue
Auch Lambrechts Nachfolger als Bundesjustizminister, Marco Buschmann, hält
es für sinnvoll, dies im Deutschen Richtergesetz ausdrücklich zu erwähnen.
Eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz ist aber nicht geplant.
Die hessische Landesjustizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) hatte zwar
moniert, dass Buschmann nur eine „Soll“-Vorschrift vorschlage und keine
„Muss“-Vorschrift. Im Bundesministerium sieht man darin keinen Unterschied.
„Bei fehlender Verfassungstreue gibt es keinen Ermessensspielraum“, sagte
ein Sprecher.
Eine Sollvorschrift könne aber verhindern, dass Angeklagte wegen eines
übersehenen extremistischen Schöffen eine fehlerhafte Besetzung des
Gerichts rügen und später vielleicht mit einer Revision erfolgreich gegen
ein Strafurteil vorgehen könnten. Buschmann wertet derzeit die
Rückmeldungen zu seinem Regelungsvorschlag aus. Wann er einen formellen
Gesetzentwurf einbringt, lässt das Ministerium noch offen.
24 Mar 2022
## LINKS
[1] /Schoeffen-wurde-zu-Recht-abgesetzt/!5181410
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
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