# taz.de -- Verfassungsschutz soll Richter checken: Ein neuer Radikalenerlass? | |
> Die CDU in Niedersachsen will alle Richter:innen auf ihre | |
> Verfassungstreue überprüfen. SPD und Gewerkschaften reagieren skeptisch. | |
Bild: Landgericht Aurich: Die CDU will geprüft haben, wer hier künftig Recht … | |
GÖTTINGEN taz | In Niedersachsen sollen nach dem Willen der CDU neben | |
Polizist:innen künftig auch Richter:innen auf ihre Verfassungstreue | |
überprüft werden. Für sie solle es eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz | |
geben, sagt Unions-Landeschef und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann. | |
Extremisten hätten weder in der Polizei noch in der Justiz etwas zu suchen, | |
sie dürften erst gar nicht angestellt werden. Richter:innen, die im Dienst | |
enttarnt würden, müssten so schnell wie möglich ihre Entlassungsurkunde | |
bekommen, „da sollten wir nicht lange fackeln“. | |
Althusmann kündigte an, dass eine Änderung des Richtergesetzes noch in | |
dieser Wahlperiode auf den Weg gebracht werden soll. Eine Regelabfrage | |
durch den Verfassungsschutz bei Bewerber:innen für den Polizeidienst | |
ist bereits geplant. Für Staatsanwälte und Richter wird aktuell in | |
Niedersachsen bei Bewerbungsverfahren eine umfassende Registerauskunft | |
angefordert. | |
Althusmanns Parteifreundin, Landesjustizministerin Barbara Havliza, begrüßt | |
den Vorstoß. „Rechtsstaat und Rechtsstaatlichkeit sind elementare | |
Grundlagen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens“, sagte sie. Zwar gebe | |
die Richterschaft in Niedersachsen bislang keinen Anlass, ihr zu | |
misstrauen, aber Fälle in anderen Bundesländern ließen aufhorchen. Sie | |
denke hier an die aktuelle Diskussion in Sachsen, sagte Havliza. | |
Dort sowie auch bundesweit schlägt seit Wochen [1][der Fall des ehemaligen | |
AfD-Bundestagsabgeordneten Jens Maier], der vom Verfassungsschutz als | |
Rechtsextremist eingestuft wird und der sich selbst schon als „kleinen | |
Höcke“ bezeichnete, hohe Wellen. Maier will nach seinem Ausscheiden aus dem | |
Parlament im Herbst wieder in die Justiz zurückkehren. Bis 2017 war er als | |
Richter am Landgericht Dresden tätig. | |
Sachsens Justizministerin Katja Meier (Grüne) hatte zunächst erklärt, eine | |
Rückkehr Maiers nicht verhindern zu können. Inzwischen kündigte sie an, den | |
60-Jährigen in den Ruhestand zu versetzen. Er soll zwar vom 14. März an dem | |
Amtsgericht Dippoldiswalde als Richter zugewiesen werden, parallel dazu hat | |
das Ministerium aber beim Landgericht Leipzig – dem zuständigen | |
Dienstgericht für Richter – einen Antrag auf Versetzung Maiers in den | |
Ruhestand gestellt. Sie beabsichtige, „Herrn Maier ab dem Zeitpunkt seiner | |
Rückkehr in den Dienst, die Führung der Amtsgeschäfte vorläufig zu | |
untersagen“, sagt Meier. | |
In Niedersachsen stößt die von der CDU gewünschte generelle Überprüfung von | |
Richtern durch den Verfassungsschutz bei der SPD-Landtagsfraktion auf | |
Skepsis. Ihr Innenexperte Ulrich Watermann erklärte, er halte wenig von | |
einer unkontrollierten Regelabfrage beim Geheimdienst. Natürlich müssten | |
Richter auf dem Boden der Verfassung stehen. Dass das kontrolliert werden | |
müsse, sei unstrittig, „aber von einer Regelanfrage halte ich nicht viel – | |
auch mit Blick auf die Fehler, die wir etwa mit dem Radikalenerlass gemacht | |
haben“. | |
Ähnlich sieht das die Fachgruppe der Richter:innen und | |
Staatsanwält:innen im Ver.di-Landesbezirk Niedersachsen-Bremen. Sie | |
teilt das Ziel, rechtsradikale Jurist:innen von den Laufbahnen als | |
Richter:in oder Staatsanwält:in fernzuhalten. Das von der CDU | |
vorgeschlagene Mittel sei allerdings „unverhältnismäßig und daher nicht | |
zielführend“. | |
Unter dem [2][Radikalenerlass] von 1972 hätten „in erheblicher Zahl“ auch | |
engagierte Gewerkschafter:innen gelitten. Insgesamt wurden damals 1,4 | |
Millionen Personen überprüft. Etwa 1.100 davon wurde der Eintritt in den | |
oder das Verbleiben im öffentlichen Dienst verwehrt – unter ihnen waren | |
auch Lokführer und Briefträger. In den allermeisten Fällen wurde ihnen eine | |
Mitgliedschaft in oder Sympathie gegenüber der Deutschen Kommunistischen | |
Partei (DKP) oder einer ihrer „Massenorganisationen“ zur Last gelegt. | |
## Schlechte Erfahrungen bei den Linken | |
„Wir sehen keinen Anlass, ein derart flächendeckendes und potenziell in die | |
Berufsfreiheit eingreifendes Instrument heutzutage erneut zu installieren“, | |
erklärte die Fachgruppe. Das beamtenrechtliche Mäßigungsgebot und die | |
disziplinarrechtlichen Instrumente der Richterdienstgerichte böten „eine | |
zielgenaue, rechtsstaatliche Handhabe“. | |
Dass für Richter:innen spezielle Dienstgerichte vorgesehen sind, ergibt | |
Sinn. Denn anders als Staatsanwält:innen sind Richter:innen keine | |
Beamt:innen. Sie stehen aber in einem öffentlich-rechtlichen | |
Dienstverhältnis, das dem Beamt:innenverhältnis ähnelt. Wären | |
Richter:innen verbeamtet, so ergäben sich Probleme mit der richterlichen | |
Unabhängigkeit. Beamt:innen sind weisungsgebunden. | |
Gegen eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz spricht aus linker Sicht | |
schließlich auch eine Skepsis gegenüber dem Inlandsgeheimdienst. Ein | |
Vorwurf lautete stets, [3][die Behörde sei auf dem rechten Auge blind oder | |
doch stark sehbehindert.] | |
17 Feb 2022 | |
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## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
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