# taz.de -- Verfassungsschutzbeobachtung von Linken: „Eine unkontrollierbare … | |
> In Niedersachsen hat der Verfassungsschutz zwei Politiker:innen der | |
> Linken beobachtet. Die Parteivorsitzenden reagieren empört. | |
Bild: Unter Beobachtung: Maren Kaminski und Thomas Goes sind in der Linkspartei… | |
HAMBURG taz | Der Verfassungsschutz und die Linkspartei, eine | |
problematische Beziehung. Wie jetzt bekannt geworden ist, hat der | |
niedersächsische Ableger des Inlandsnachrichtendienstes sechs Jahre lang | |
die ehemalige Linken-Landesgeschäftsführerin Maren Kaminski und den | |
jetzigen Kreisvorsitzenden der Partei in Göttingen, Thomas Goes, überwacht. | |
Ein Schreiben der Landesbehörde an die Betroffenen legt nahe, dass dabei | |
auch V-Leute in ihrem direkten Umfeld eingesetzt wurden. | |
Am vergangenen Donnerstag berichtete [1][die taz in ihrer Nordausgabe] | |
erstmalig über das beunruhigende VS-Schreiben. In der Linkspartei sorgt die | |
Spitzelattacke nun verständlicherweise für Aufregung. | |
„Hier zeigt sich einmal mehr, dass der Verfassungsschutz eine | |
unkontrollierbare Behörde ist, die sich Methoden annimmt, die jeglichen | |
demokratischen Grundkompass vermissen lassen“, sagte die Bundesvorsitzende | |
Janine Wissler. „Dieser Überwachungsapparat ist kein Demokratieschützer, | |
sondern ein antidemokratischer Verein, der politisch motiviert nach seinen | |
eigenen Gesetzen handelt.“ Es wäre „höchste Zeit für die Auflösung des | |
Verfassungsschutzes“, so Wissler. | |
„Wir werden uns als Partei von einer Geheimdienstbehörde, die Beobachtungen | |
von unseren Mitgliedern durchführt und Spitzel gegen sie engagiert, nicht | |
einschüchtern lassen“, sagte die Co-Bundesvorsitzende Susanne | |
Hennig-Wellsow. „Daher ist es nur folgerichtig, dass die Betroffenen der | |
Überwachung in Niedersachsen unsere volle Unterstützung genießen.“ | |
## Post vom Landesamt für Verfassungsschutz | |
Der gegenwärtige Konflikt hat einen langen Vorlauf. [2][Im Frühjahr 2021 | |
hatten Kaminski und Goes erstmals Post vom Landesamt für Verfassungsschutz | |
in Niedersachsen erhalten.] In dem Schreiben teilte die in Hannover | |
ansässige Behörde ihnen mit, dass über sie eine „Informationsbeschaffung | |
mit nachrichtendienstlichen Mitteln“ erfolgt sei. Die Überwachung lief von | |
2007 bis 2013. | |
Nach Paragraf 22, Absatz 1 des niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes | |
müssen Betroffene von einer geheimdienstlichen Überwachung unterrichtet | |
werden, wenn diese abgeschlossen ist. Über den Anlass der Beobachtung und | |
welche Daten gesammelt wurden, führte der Verfassungsschutz jedoch nichts | |
aus. Aus dem Grund stellten Kaminski und Goes mit ihrem Rechtsbeistand Sven | |
Adam aus Göttingen am 10. April 2021 ein Auskunftsersuchen zu den Vorgängen | |
bei der Behörde. | |
Die Antwort erhielten sie nun kürzlich, fast neun Monate später. Sie blieb | |
allgemein: Der VS suche stets nach einer möglichen Gefährdung der | |
freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Als einzigen „tatsächlichen | |
Anhaltspunkt“ hierfür nennt der VS in seinem Antwortschreiben jedoch | |
Kaminskis und Goes’ parteipolitisches Engagement. „Das ist nicht | |
hinnehmbar“, sagte Kaminski der taz. Und Goes sagte kurz und knapp: | |
„Skandalös.“ | |
## Waren V-Leute im Einsatz? | |
Das Schreiben deutet allerdings darauf hin, dass der VS offenbar auch | |
V-Leute im direkten Umfeld von Mitgliedern der Linkspartei einsetzte, um | |
sie auszuforschen. Die Behörde bezieht sich in ihrer Antwort nämlich auf | |
„Paragraf 14 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6a“ des Verfassungsschutzgesetzes und | |
schreibt von einer „Inanspruchnahme von Personen, deren planmäßig angelegte | |
Zusammenarbeit mit der Verfassungsschutzbehörde Dritten nicht bekannt ist | |
(Vertrauenspersonen)“. | |
Ein weiterer Hinweis auf den Einsatz von V-Leuten findet sich an anderer | |
Stelle in dem Schreiben. Dort heißt es: „Neben biographischen Daten wurden | |
(…) weitere personenbezogene Daten“ erfasst, „über die keine Auskunft | |
erteilt werden kann, da einer Mitteilung Gründe nach § 30 Abs. 2 S. 1“ des | |
Verfassungsschutzgesetzes entgegenstünden. | |
In dem Paragrafen ist unter anderem festgeschrieben, dass weitere Auskünfte | |
unterbleiben dürften, wenn „die Interessen eines Dritten“ gefährdet seien | |
und/oder die „Auskunftserteilung Informationsquellen als auch Arbeitsweisen | |
der Verfassungsschutzbehörde“ offenlegen könnten. | |
## Schmallippige Auskünfte | |
Die Auskünfte sind „sehr schmallippig“, sagte Goes. Er ist | |
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Soziologischen Forschungsinstitut an der | |
Georg-August-Universität in Göttingen und erst seit kurzem | |
Kreisvorsitzender der Linkspartei. | |
Bei Kaminski, die heute Gewerkschaftssekretärin bei der Gewerkschaft | |
Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Hannover ist, findet sich eine | |
Auflistung. Zwanzig Einträge hat der Verfassungsschutz über sie vermerkt: | |
Ihre Kandidatur zur Landtagswahl 2012 beispielsweise, ihre Beteiligung am | |
Programmkonvent oder ihre Teilnahme an einer Kreismitgliederversammlung. | |
Nichts davon überrascht bei einer engagierten Politikerin. „Alles | |
öffentlich zugänglich“, sagte Kaminski. „Hierfür bedarf es keines | |
Geheimdiensts, das Geld wird woanders dringend gebraucht.“ | |
## „Fehlende Bindung an geltendes Recht“ | |
Martina Renner, Obfrau der Linksfraktion im Innenausschuss des Bundestages, | |
sagte der taz: „Ein Geheimdienst, der mit Spitzeleinsatz erst | |
Linkspartei/PDS und später Die Linke traktiert, offenbart den politisch | |
instrumentellen Charakter dieser Behörde, ihre fehlende Bindung an | |
geltendes Recht und die Unmöglichkeit einer effektiven Kontrolle.“ | |
Der niedersächsische Linkspartei-Landesvorsitzende Lars Leopold beklagte, | |
dass der VS „weiterhin verweigert, Auskunft darüber zu geben, welche | |
verdeckt gesammelten Informationen erhoben wurden“. Er forderte von der | |
Landesregierung „volle Transparenz“, wer die Mitglieder seiner Partei | |
bespitzelt habe und wie viele betroffen seien. Wer eine Kandidatur für den | |
Landtag oder das Verschicken einer Pressemitteilung seiner Partei für | |
verfassungsfeindlich hält, so Leopold, „sollte einmal sehr genau über sein | |
Verständnis von Demokratie nachdenken“. | |
Um mehr zu erfahren, klagt Kaminski nun gegen den Verfassungsschutz. | |
21 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Verfassungsschutz-blickt-nach-links/!5758856 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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