| # taz.de -- Simulation für digitale Kunst: Die Welt ist nicht genug | |
| > Der Berliner Künstler Manuel Rossner hat sich sein eigenes Museum für | |
| > digitale Kunst gebaut. Vorerst allerdings nur als | |
| > Virtual-Reality-Simulation. | |
| Bild: Der neue Nachbar der Neuen Nationalgalerie von Manuel Rossner | |
| Hoppla, da fällt ein pinkfarbenes, kissenartiges Objekt aus dem Himmel über | |
| Berlin und landet am Kulturforum zwischen Nationalgalerie und Philharmonie, | |
| dann noch eins und dann noch eins. Sie sehen aus wie ein Wackelpudding mit | |
| Troddeln dran, schütteln sich noch ein bisschen zurecht, bleiben dann still | |
| liegen. | |
| Fenster und ein Eingang erscheinen. Da wo eigentlich gerade die Baugrube | |
| für das Museum des 20. Jahrhundert ausgehoben wird, sieht man nun einen | |
| amorphen Gebäudeblob, der ein bisschen wie ein Pantoffel neben einem | |
| Tastentelefon aussieht und in dem nun eine Auswahl aus Manuel Rossners | |
| Sammlung von digitaler Kunst zu sehen ist. | |
| Natürlich: Auch das Museum ist nur digital. Um es zu besichtigen, muss man | |
| sich die App „Realworld Art“ des Berliner Künstlers Manuel Rossner in den | |
| Appstores von [1][Apple] oder [2][Android] herunterladen; dann kann man das | |
| virtuelle Gebäude durchstreifen und sich eine Auswahl von digitalen | |
| Kunstwerken aus den letzten zwei Jahrzehnten ansehen. Der doppeldeutige | |
| Titel der Ausstellung: „The World is not Enough“. | |
| Rossner baut schon seit über einem Jahrzehnt an seiner eigenen digitalen | |
| 3-D-Welt, in der es Dinge gibt, die im physischen Raum nicht möglich sind: | |
| Gebäude mit schwebenden Baukörpern beispielsweise. Treppen, die sich ohne | |
| jede Abstützung gegen alle Gesetze der Schwerkraft durch den | |
| Ausstellungsraum winden wie eine Achterbahn. Oder endlich mal ein Museum, | |
| das die Art von Computerkunst zeigt, die zwar seit mehr als siebzig Jahren | |
| von zum Teil recht prominenten Künstlern produziert wird, aber im | |
| Kunstbetrieb bis vor Kurzem eine Nischenexistenz bei Festivals oder | |
| spezialisierten Galerien führte. | |
| ## Der Hype um NFTs | |
| Das hat sich im vergangenen Jahr geändert, als der amerikanische | |
| [3][Grafiker Beeple das NFT für seine Werkfolge „Everydays“ für knapp 70 | |
| Millionen Dollar] an einen Investor in Singapur verkaufte. | |
| Seither sind die „Non-fungible Tokens“, wofür die Abkürzung steht, zum | |
| Hype-Thema in der zeitgenössischen Kunst geworden. NFTs sind einmalige, | |
| digitale Zertifikate, letztlich ein Stück Hexadezimalcode, den man mit | |
| einer Kryptowährung wie Bitcoin oder Ether erwerben kann und der als Beweis | |
| für die Originalität zum Beispiel eines digitalen Videos, eines Memes oder | |
| einer GIF-Animation betrachtet wird, weil dieser Code in der Blockchain, | |
| einer dezentralen Datenbank im Internet, registriert ist. | |
| In der Kunstszene haben sie zu einer aufgeregten Diskussion geführt – wenn | |
| auch weniger über digitale Kunst per se, sondern eher über die neue Art, | |
| mit digitaler Kunst Geld zu verdienen. Denn bisher war der Markt für | |
| digitale Kunst überschaubar, weil digitale Werke ohne Qualitätsverlust | |
| unendlich kopierbar sind und daher nicht die auratische Einzigartigkeit | |
| eines physischen Gemäldes oder einer Skulptur besitzen. Dank NFTs verdienen | |
| einige Künstler plötzlich sehr viel Geld mit Arbeiten, für die es vorher | |
| keine Käufer gegeben hatte. | |
| Manuel Rossner sieht die Diskussion differenziert: „Ich finde es spannend, | |
| dass es eine neue Form der Interaktion mit digitalen Arbeiten gibt. | |
| Natürlich ist es auch problematisch, wie wichtig vielen Käufern die | |
| Preissteigerung der NFTs ist. Gleichzeitig ist es an der Zeit, neue Wege | |
| der Interaktion und Erfahrung für digitale Kunst zu finden. Es ist ein | |
| Anachronismus, digitale Kunst wie Malerei zu behandeln, die ins Museum | |
| gehängt wird.“ | |
| ## Rossners virtuelles Museum | |
| Also baute er sich sein eigenes, virtuelles Museum für die Sammlung, die er | |
| in den letzten Jahren zusammengetragen hat – meist für Auflagenarbeiten von | |
| befreundeten oder geistesverwandten Künstlern, die er in den Jahren vor dem | |
| Hype für wenig Geld erworben hat. | |
| Wer sich in das imaginäre Museum begibt, findet Arbeiten von wichtigen | |
| Digitalkünstlern in einer Präsentation, die dann doch wieder an ein Museum | |
| erinnert – wenn auch eins, das im physischen Raum unmöglich wäre. Im | |
| gugelhupfartigen Inneren des Baus finden sich auf mehreren Emporen Werke | |
| von [4][Lorna Mills], Addie Wagenknecht, [5][Katharina Grosse], [6][Rafaël | |
| Rozendaal], Petra Cortright oder [7][Simon Denny]. | |
| Die Idee für einen virtuellen Ausstellungsraum beschäftigt Rossner schon | |
| seit seinem Studium an der Hochschule für Gestaltung (HfG) in Offenbach. | |
| Die Schule hatte einen eigenen Raum für Studentenausstellungen im Bahnhof | |
| von Offenbach. Rossner schuf eine digitale 3-D-Version der Räumlichkeiten | |
| und begann, in seiner „Float Gallery“ Ausstellungen im Virtuellen zu | |
| kuratieren. | |
| Im Grunde schuf er so eine digitale Produzentengalerie, und auch sein neues | |
| Museum ist letztlich nichts anderes. Und wie die Produzentengalerien, die | |
| eine Alternative zum traditionellen Kunstbetrieb sein sollen, so hat auch | |
| seine Arbeit einen institutionskritischen Aspekt: | |
| „Ich bin gespannt, wie meine neuen Nachbarn reagieren“, sagt er mit Blick | |
| auf Nationalgalerie und Kulturforum. „Die Crypto-Community hat etwas | |
| hervorgebracht, das man in der Kunstwelt nicht ignorieren kann. Öffentliche | |
| Häuser müssen sich damit auseinandersetzen. Sie sind jetzt gefragt, die | |
| digitale Kunst der letzten 70 Jahre in den Kanon der Kunstgeschichte | |
| einzuordnen und zu reflektieren, was heute passiert.“ | |
| 16 Mar 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://apps.apple.com/app/id1593210381 | |
| [2] https://play.google.com/store/apps/details?id=com.ManuelRossner.RealworldAr… | |
| [3] /Hype-um-digitale-NFT-Kunstwerke/!5779827 | |
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