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# taz.de -- Streaming in Coronapandemie: Kunst am Bildschirm
> Der Kunstbetrieb streamte während der Coronarestriktionen. Am
> erfolgreichsten taten das die Auktionshäuser.
Bild: Luxushandtaschen von Louis Vuitton und Hermes in der neuen Kölner Depend…
Wir haben ganz schön was gelernt in Corona-Zeiten. Digital und überhaupt.
Alle mussten sich halbwegs befriedigende Kommunikationswege ausdenken. Das
ging im Kunstmarkt überraschend schnell, freilich mit durchwachsenen
Ergebnissen. Messen und Galerien gaben mit Streamingauftritten ihr Bestes.
Das war dann aber des Guten zu viel. Man war, Lockdown hin oder her, bald
der Bilderflut überdrüssig. Die immense Auswahl, naturgemäß erschütternd
beliebig, glich allmählich weniger einer megaloman verlockenden Kunstschau,
sondern zunehmend einem unaufhaltsamen Strom visueller SOS-Rufe.
Die Nase vorn hatten hingegen die Auktionshäuser. Sie sind seit Jahren
schon online präsent. Mit ihren sorgfältig aufbereiteten, vor allem gut
strukturierten Katalogen sowie der einfach zu handhabenden Gebotsabgabe
während der Auktion, direkt oder über eine der international agierenden
Plattformen wie Invaluable, erreichen sie Ihr Publikum – wo und wann auch
immer. Nun aber entwickelte sich zudem das zuvor eher beiläufig behandelte
Feld der Online only-Auktionen rasant.
## Ohne Gründe retournieren
Waren die technischen Voraussetzungen perfektioniert, lief das Geschäft mit
relativ geringem Aufwand. Die fadisierten Digital Natives klickten,
bedienten sich souverän des Instrumentariums der Preisvergleichsportale
(artprice, artnet) und verließen sich auf die Beschreibungen der
renommierten Häuser (wohl wissend, dass sie – nicht anders als beim
Internet-Schuhkauf – gemäß Fernabgabegesetz ohne Angabe von Gründen
retournieren konnten).
Buchstäblich jedes Haus registrierte einen ungeahnten Zuwachs an
überwiegend jüngeren Neukunden. Eingesparte Ausgaben für Urlaubsreisen,
Schnickschnack etc. standen zur Verfügung für vielleicht sogar sinn- und
kapitalstiftende Investitionen in Kunst. Ein schöner Zeitvertreib
obendrein, transparent und anonym zugleich. Die Gebote stiegen
kontinuierlich vom ursprünglich überwiegend drei- und vierstelligen Rahmen
ins Fünfstellige.
Grisebach meldete im Frühjahr den Verkauf eines Ölbilds des 2013
verstorbenen Bremer Malers Norbert Schwontkowski, das mit 20 000 Euro
geschätzt, inklusive Aufgeld, Steuer und Folgerechtsgebühren 132 500 Euro
realisierte. Damit wurde erstmals auf dem deutschen Online-Markt die 100
000er-Marke geknackt.
## Dependance von Sotheby's in Köln
Sotheby’s hat im Spätsommer eine auf Online-Versteigerungen spezialisierte
Dependance in Köln mit dem Hinweis eröffnet, dass sich hier und in der
Benelux-Nachbarschaft viel Sammelleidenschaft und somit großes Potential
befände. Zu dieser (nicht ganz neuen) Erkenntnis gesellt sich vor allem der
Brexit-Effekt. Für Antiquitäten, Designobjekte und Photographie fallen
satte 19 Prozent Einfuhrumsatzsteuer an, wenn online im Königreich
zugeschlagen und anschließend in die EU ausgeführt wird.
Vor diesem Hintergrund wird das Kölner Expertenteam mit Akquise,
Bearbeitung, Lagerung und Auslieferung von Objekten aus diesen
hochbesteuerten Luxussegmenten befasst sein, zu denen auch Armbanduhren und
hochwertige Handtaschen gehören. Ein bis dato mit den Online-Einlieferungen
verbundener bürokratischer und logistischer Aufwand beim Transfer aus der
EU nach London entfällt praktischerweise.
In der Premiere mit einem breitgefächerten Angebot zur modernen und
zeitgenössischen Kunst erzielte ein Gemälde von Max Pechstein 240 000 Euro,
eines von Arnulf Rainer 250 000 Euro und eine Arbeit von Günther Förg kam
auf knapp 190 000 Euro; insgesamt wurden mit 66 Losen fast 2 Millionen Euro
umgesetzt.
Das ist ein verheißungsvolles Signal auf einer nunmehr nach oben offenen
Preisskala im Online-Geschäft. Ein bisschen seelenlos das Ganze? Mag sein.
Aber sehr praktisch. Viren und andere Katastrophen (ausgenommen Einbrüche
auf den Finanzmärkten) können den Betrieb nicht tangieren.
28 Oct 2021
## AUTOREN
Annegret Erhard
## TAGS
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Kultur in Berlin
Kunst
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