| # taz.de -- Human remains in Berlin: Repatriierung als Menschenrecht | |
| > Über die human remains aus Kolonialzeiten in Berlin ist wenig bekannt, | |
| > sagt ein Gutachten. Weitere Forschung müsse zügige Rückgaben zum Ziel | |
| > haben. | |
| Bild: Schädel eines Opfers des Genozids in „Deutsch-Südwest“ bei einer Ü… | |
| Berlin taz | Über die Verbrechen der Kolonialzeit – auch der deutschen – | |
| wird inzwischen viel diskutiert. Auch die Forderung nach Rückgaben | |
| geraubter Kulturgüter ist kein Tabu mehr, nicht zuletzt dank der Debatten | |
| ums Humboldt Forum. Ein wichtiger Aspekt kommt in der öffentlichen | |
| Wahrnehmung bislang jedoch kaum vor: dass in hiesigen Museen und Sammlungen | |
| auch Tausende menschliche Gebeine und Schädel (human remains) aus | |
| ehemaligen Kolonien lagern. Wie viele es genau sind und wer diese Menschen | |
| waren, ist größtenteils unbekannt, denn es gibt keine öffentlich | |
| einsehbaren Bestandslisten. Dies aber wäre eine Voraussetzung, damit die | |
| Nachfahren die Gebeine zurückfordern könnten. | |
| Das am Dienstag vorgestellte wissenschaftliche [1][Gutachten „We want them | |
| back“] zum Bestand menschlicher Überreste aus kolonialen Kontexten in | |
| Berlin gibt erstmals einen Überblick über die Lage. Veranlasst wurde es von | |
| der beim Verein Decolonize Berlin angesiedelten „Koordinierungsstelle für | |
| ein gesamtstädtisches Aufarbeitungskonzept zu Berlins kolonialer | |
| Vergangenheit“. Sie wurde vom Senat beauftragt, Berlins Kolonialgeschichte | |
| zu erforschen und ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen. | |
| Laut dem Gutachten gibt es mehr als 5.958 menschliche Gebeine aus | |
| kolonialen Kontexten in Institutionen im Raum Berlin. Genau könne man es | |
| nicht sagen, erklärte die Verfasserin, die Ethnologin Isabelle Reimann von | |
| der Huboldt-Universität. Auch deswegen, weil die private Berliner | |
| Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, bei der sich | |
| die [2][Rudolf-Virchow-Sammlung mit Knochen von rund 3.500 Individuen] | |
| befindet, eine Auskunft verweigert habe. Hinzurechnen müsste man wohl auch | |
| die 16.000 Knochenfragmente aus Grabungen am ehemaligen | |
| Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie. | |
| Reimann betonte, nur bei einem „Bruchteil“ der human remains habe | |
| Provinienzforschung stattgefunden, sodass die Namen der Toten oder | |
| wenigstens Herkunftskontexte zugeordnet werden könnten. Die Sammlungen | |
| hätten oft erklärt, dafür fehle es ihnen an Geld und/oder Expertise. Es | |
| gebe bislang auch kaum Kontakte der Berliner Institutionen zu | |
| Herkunftsgesellschaften, um Rückgaben einzuleiten. | |
| ## Nachfahr*innen sollen mitreden | |
| Für die weitere Provinienzforschung fordert Reimann die Einrichtung eines | |
| „advisory board“ aus Repatriierungspraktiker*innen und | |
| Nachfahr*innen. Diese sollten die Sammlungen beraten und „an | |
| grundlegenden Entscheidungen ihre Vorfahren betreffend beteiligt“ werden. | |
| Ziel aller weiteren – möglichst institutionenübergreifenden – Forschung | |
| müsse sein, mehr Transparenz zu schaffen, um zügige Repatriierungen zu | |
| ermöglichen. Reimann: „Den Nachfahren muss es so einfach wie möglich | |
| gemacht werden, ihre Vorfahren angemessen zu bestatten und ihnen ein | |
| würdevolles Andenken zukommen zu lassen.“ | |
| Dazu sei Deutschland sogar verpflichtet, betonte Sarah Imani, | |
| Rechtsberaterin am European Center for Constitutional and Human Rights | |
| (ECCHR), die am Dienstag einen Bericht zu Rechtsfragen in diesem | |
| Zusammenhang vorstellte: „Die Repatriierung von ancestral human remains ist | |
| ein Menschen- und Grundrecht.“ | |
| 1 Mar 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://decolonize-berlin.de/wp-content/uploads/2022/02/We-Want-Them-Back_d… | |
| [2] /Rassistische-Wissenschaft/!5047937 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
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