# taz.de -- Streit um Berliner Humboldtforum: Überreste aus dem Unrechtskontext | |
> Bei den außereuropäischen Sammlungen liegt die Provenienzforschung völlig | |
> im Argen. Hilfe kommt von der Gerda Henkel Stiftung. | |
Bild: Ein Totenschädel aus der Luschan-Sammlung, der inzwischen an Namibia zur… | |
Man war in Sorge. Denn auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung, warum die | |
Aufarbeitung der von der Charité übernommenen Felix-von-Luschan-Sammlung | |
mit afrikanischen Schädeln aus Zeiten der deutschen Kolonialherrschaft so | |
langsam vorankomme, antwortete Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung | |
Preußischer Kulturbesitz (SPK), dass sich doch ein Archivar und ein | |
Wissenschaftler schwerpunktmäßig mit dieser Sammlung beschäftigten: „Mehr | |
können wir nicht tun.“ | |
Der Mann, der das sagt, will der Öffentlichkeit zur gleichen Zeit | |
weismachen, die Bestände ihrer außereuropäischen Sammlungen, die die SPK im | |
Humboldtforum zeigen wird, würden konsequent nach Provenienzen erforscht. | |
Kein Wunder, dass sich die Kunsthistorikerin an der TU Berlin, Bénédicte | |
Savoy, aus dem Beirat des Humboldtforums verabschiedete, den sie in einem | |
Zeitungsinterview als Pro-forma-Veranstaltung kritisierte. Was das ist, | |
weiß die Öffentlichkeit dank der „Aufarbeitung“ des Dieselbetrugs der | |
deutschen Autoindustrie inzwischen sehr genau. | |
Doch mit den Versprechungen wird es bei der SPK vielleicht nicht so schlimm | |
kommen wie bei VW. Denn wie die Stiftung am 2. August mitteilte, finanziert | |
die Gerda Henkel Stiftung ein zweijähriges Pilotprojekt zur Aufarbeitung | |
der Luschan-Sammlung. Es werden dabei Wissenschaftler verschiedener | |
Fachgebiete zusammenarbeiten, da sowohl ethnologische als auch | |
anthropologische und kolonialgeschichtliche Kenntnisse nötig sind. | |
Ziel ist es, ein internationales Netzwerk mit Wissenschaftlern aus den | |
betroffenen Herkunftsländern (Tansania, Burundi, Rwanda) aufzubauen, um | |
eine angemessene Erforschung zu gewährleisten. Dabei soll das Pilotprojekt | |
als Vorbild für die zukünftige Erforschung der Provenienz der übrigen Human | |
Remains dienen, die sich in der Obhut des Museums für Vor- und | |
Frühgeschichte befinden. | |
## Menschliche Überreste | |
Das sollte freilich genau beobachtet werden. Immerhin meint Hermann | |
Parzinger, für den weiteren Umgang mit den menschlichen Überresten und | |
besonders für deren Restitution sei es entscheidend zu wissen, „ob sie aus | |
einem Unrechtskontext stammen“, als ob man bei den menschlichen Überresten, | |
die während der Kolonialherrschaft nach Deutschland kamen, jemals von | |
Rechtmäßigkeit sprechen könnte. | |
Für die Gerda Henkel Stiftung geht es jedenfalls darum, „gemeinsam mit | |
Wissenschaftlern der Zielregionen Rückgabekonzepte auf Augenhöhe zu | |
erarbeiten“, wie ihr Vorstandsvorsitzender Michael Hanssler sagt. Die | |
Stiftung erinnert an die Frau des Gründers der Henkel-Werke. Wobei einem | |
sofort einfällt, dass reiche Leute mit ihrem Geld offenbar viel | |
intelligentere und nötigere Beiträge leisten können als ein lächerliches | |
Kreuz auf die Kuppel des Humboldtforums setzen zu lassen. | |
Es könnten allerdings auch die alten weißen Männer, die die Verantwortung | |
für das Humboldtforum tragen, ihre Gönner und Gönnerinnen vielleicht auch | |
besser beraten, wenn sie sich nur trauten – nicht wahr? | |
13 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Brigitte Werneburg | |
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