# taz.de -- EU-Afrika-Gipfel: Beziehungsstatus: Es ist kompliziert | |
> Das Treffen wird vom Streit um Impfstofffreigabe und vom geplanten | |
> Truppenabzug aus Mali überschattet. Soldaten sollen wohl nach Niger | |
> verlegt werden. | |
Bild: Viele Präsident:innen, darunter von der Leyen, Senegals Sall, und Macron | |
Berlin/Brüssel taz | Eine gemeinsame „Allianz“ wurde es nicht, für eine | |
„Gemeinsame Vision für 2030“ immerhin reichte es. Anders als beim letzten | |
Gipfel 2017 in Abidjan endete [1][das Treffen der Staaten der Europäischen | |
Union (EU) und der Afrikanischen Union (AU)] am Freitag in Brüssel mit | |
einer Schlusserklärung. Darin versicherten sich beiden Seiten, für | |
„nachhaltige und anhaltende wirtschaftliche Entwicklung und Wohlstand für | |
unsere Bürger und für unsere künftigen Generationen“ zusammenarbeiten zu | |
wollen. | |
Als die 40 afrikanischen Staatschefs am Donnerstagmittag zum Gipfel in | |
Brüssel eintrafen, hatten die Europäer sie zunächst warten lassen. Wegen | |
eines „Emergency Meetings“ zur Ukraine war Afrika erst später dran. Dabei | |
hatte die EU sich vorgenommen, die „Partnerschaft“ mit Afrika zu einer | |
„Allianz“ auszubauen. Doch gegen diesen Begriff hatte die Afrikanische | |
Union (AU) sich schon vorab gewehrt – zu groß schienen die Differenzen. | |
Einer der wichtigsten Streitpunkte: Die Freigabe von Impfstoffpatenten. Die | |
AU fordert sie, die EU blockiert sie – auch auf Drängen von Biontech, | |
Europas wichtigstem Impfstoffhersteller. Der hatte PR-trächtig am Mittwoch | |
bei einem Treffen im Marburger Biontech-Werk von EU und drei afrikanischen | |
Staatschefs, darunter dem AU-Vorsitzenden Macky Sall aus Senegal, | |
[2][mobile Produktionscontainer präsentiert]. Die will Biontech in Senegal, | |
Ruanda und Ghana aufstellen. | |
Damit war der Konflikt allerdings nicht entschärft. Den entscheidenden | |
Versuch dazu unternahmen EU-Ratspräsident Charles Michel, Kommissionschefin | |
Ursula von der Leyen und Frankreichs Präsident Macron, der den Ratsvorsitz | |
innehat, am Freitag. Gemeinsam mit WHO-Direktor Tedros Ghebreyesus stellten | |
sie ein von der EU unterstütztes WHO-Projekt zur patentfreien Herstellung | |
von mRNA-Impfstoff vor. | |
## Südafrika pocht auf Patentfreigabe | |
Grundlage dafür ist der Forschungserfolg eines südafrikanischen | |
Pharma-Konsortiums. Das hatte im Auftrag der WHO 2021 begonnen, einen | |
mRNA-Covid-Impfstoff zu entwickeln, der jenem des US-Unternehmens Moderna | |
nachgebildet ist. Nach nur zwei Monaten waren die südafrikanischen | |
Wissenschaftler:innen damit fertig. Das Medikament soll nun zunächst | |
in Ägypten, Kenia, Nigeria, Senegal, Südafrika und Tunesien produziert | |
werden. Moderna hatte die Entwicklung toleriert. Biontech hingegen hatte | |
über die von ihm mitfinanzierte Kenup-Stiftung bei der Regierung Südafrikas | |
darauf gedrängt, das Projekt wegen Patentverstößen zu stoppen und | |
gleichzeitig Werbung für die eigenen Produktionscontainer gemacht. | |
Südafrika aber pocht weiter auf eine europäische Patentfreigabe. Es sei | |
nicht akzeptabel, dass Afrika sich mit Blick auf Medikamente immer hinten | |
anstellen müsse, sagte Präsident Cyril Ramaphosa am Freitag. „Regierungen, | |
die wirklich wollen, dass die Welt Zugang zu Impfstoffen hat, sollten sich | |
für eine Patenfreigabe einsetzen.“ Spenden alleine seien kein nachhaltiger | |
Weg, um Widerstandsfähigkeit aufzubauen. Es dürfe nicht um die Gewinne | |
einiger weniger Unternehmen gehen, so Ramaphosa, der AU-Beauftragter für | |
die Corona-Pandemie ist. | |
[3][Bundeskanzler Olaf Scholz] wies diese Kritik mit Blick auf das | |
Engagement von Biontech zurück: Es gehe um Produktionsmöglichkeiten vor | |
Ort. Senegal, Ruanda und Ghana seien „sehr froh, dass wir das machen“. | |
Biontech habe „gezeigt, wie Made in Africa geht“, sagte er. | |
## Der französische Rückzug aus Mali | |
Auch sonst war die Gemengelage des Treffens in Brüssel kompliziert. Das | |
fing schon damit an, dass vier der 55 AU-Staaten nicht kommen durften. Die | |
AU hatte die Mitgliedschaft von Sudan, Mali, Burkina Faso und Guinea wegen | |
Militärputschen ausgesetzt. Diese strahlten direkt auf den Gipfel aus: | |
[4][Frankreich hatte am Vorabend des Gipfels entschieden, seine Truppen der | |
Missionen Barkhane und Takuba aus Mali zurück zu ziehen]. Deutschland | |
dürfte bald folgen. | |
Die Truppen sollen künftig wohl im Nachbarstaat Niger stationiert werden, | |
das seinerseits unter schwersten Angriffen der Dschihadisten leidet. | |
Präsident Mohamed Bazoum sagte am Freitag in Brüssel, er wolle die Grenze | |
zu Mali zu sichern. „Wir erwarten, dass dieses Gebiet nach dem Abzug von | |
Barkhane und Takuba erneut unsicher wird und terroristische Gruppen | |
erstarken.“ Neue Militärbasen in Niger unweit der malischen Orte Ménaka und | |
Gao sollen demnach unter anderem Spezialkräfte der Operation Takuba | |
aufnehmen. Eine entsprechende Vereinbarung mit europäischen Regierungen | |
werde noch geschlossen. Laut Bazoum ist auch eine Verlegung von Truppen | |
nach Benin im Gespräch. | |
Hintergrund des französischen Rückzugs aus Mali war neben der anhaltenden | |
Erfolglosigkeit der Mission und dem Coup auch die Anwesenheit der | |
russischen Söldnertruppe Wagner, die die Militärjunta ins Land geholt | |
hatte. Und wie um zu demonstrieren, dass sie entschlossen ist, sich Partner | |
außerhalb des Westens zu suchen, war Malis Außenminister Abdoulaye Diop am | |
Dienstag nach Teheran gereist. Man werde die bilaterale Zusammenarbeit mit | |
den Mullahs „in allen Bereichen verstärken“, twitterte Diop. | |
Frankreichs Präsident Macron betonte die Bereitschaft der EU, Afrika | |
weiterhin im Anti-Terror-Kampf zu unterstützen. Man sei gewillt, Ausbildung | |
und Ausrüstung zu finanzieren, um Afrika zu helfen, eigene Kräfte zu | |
mobilisieren. Partnerschaften müssten die afrikanischen Staaten in die Lage | |
versetzen, die großen Zukunftsthemen eigenständig anzugehen, sagte Macron | |
unter Verweis auf während des Gipfels getroffene Vereinbarungen. | |
## Gelder im Wesentlichen Umschichtung von Entwicklungsfonds | |
Der Abzug aus Mali werde nun organisiert, sagte Macron mit Blick auf die | |
Forderung der Junta in Bamako nach einem unverzüglichen Rückzug. Besiegelt | |
wurde auf dem Gipfel auch, in welchem Umfang Afrika von Europas | |
Giga-Infrastrukturprojekt „Global Gateway“ profitieren soll. Mit dem offen | |
als Konkurrenz zu China angekündigten Förderprogramm will die EU 150 | |
Milliarden Euro für den Ausbau „grüner“ und „digitaler“ Infrastruktur… | |
Afrika mobilisieren. | |
„Wenn das wirklich zur Verfügung gestellt würde, wäre das ein wirklicher | |
Fortschritt und eine Brücke zwischen den beiden Kontinenten“, sagte der | |
AU-Vorsitzende, Senegals Präsident Macky Sall. Bundeskanzler Olaf Scholz | |
sagte, Europa und Afrika könnten die großen Fragen unserer Zeit nur | |
gemeinsam beantworten. „Unsere Beziehungen sind von strategischer Relevanz | |
für beide Seiten.“ Die EU habe dazu ein neues „Kooperationsangebot“ an d… | |
Staaten der AU gemacht, das sich auf 20 Milliarden Euro pro Jahr belaufe. | |
„Damit wollen wir Anreize schaffen, um zusätzlich noch viele private | |
Investitionen anzuziehen.“ | |
Tatsächlich gibt die EU selbst nur ein Sechstel der Summe, den Rest soll | |
die Privatwirtschaft liefern. Die Kommission hatte am Mittwoch versichert, | |
der „Gateway“ werde nicht zulasten der Entwicklungshilfe gehen. Doch das | |
darf bezweifelt werden. Die dafür vorgesehenen Gelder seien „im | |
Wesentlichen eine Umschichtung bestehender EU-Entwicklungsfonds“, sagte | |
Jeroen Kwakkenbos von der NGO Oxfam. | |
Dass Äthiopiens Präsident, der Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed, nach | |
Brüssel reiste, nahmen viele Exil-Äthiopier:innen zum Anlass, auf den im | |
November ausgebrochenen Bürgerkrieg in der Region Tigray hinzuweisen. | |
Hunderte Exil-Tigrayer versammelten sich am Donnerstag in der Brüsseler | |
Innenstadt, sie trugen „Stoppt den Genozid“-Transparente. Ahmeds | |
Regierungsarmee warfen sie dabei schwerste Kriegsverbrechen vor. Äthiopiens | |
„Belagerung“ der Region Tigray führt zu einer „menschengemachten | |
Hungersnot“, sagte der Krisenkommissar der EU, Janez Lenarčič. | |
Mitarbeit: Eric Bonse | |
18 Feb 2022 | |
## LINKS | |
[1] /EU-Afrika-Gipfel-in-Bruessel/!5831590 | |
[2] /Impfstoffproduktion-in-Afrika/!5831589 | |
[3] /Afrika-Experte-ueber-die-Bundesregierung/!5831481 | |
[4] /Franzoesischer-Abzug-aus-Mali/!5831652 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
EU-Afrika-Gipfel | |
Afrikanische Union | |
Sahel | |
Europäische Union | |
Impfstoff | |
Emmanuel Macron | |
Afrika | |
Entwicklungspolitik | |
EU-Afrika-Gipfel | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Russland | |
Schwerpunkt Emmanuel Macron | |
Europäische Union | |
Afrika | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Staatengipfel der Afrikanischen Union: Afrika streitet um Israel | |
Israelische Diplomatin wird aus dem AU-Staatengipfel in Äthiopien | |
hinausgeworfen. Südafrika ist begeistert. | |
Entwicklungspolitik: Deutschlands neue Afrika-Strategie | |
Früher galt das investorenfreundliche „Fördern und Fordern“ in der | |
Entwicklungspolitik. Was haben die Ampelparteien vor? | |
EU-Afrika-Treffen in Brüssel: Afrika etwas zurückgeben | |
Die Zukunft hier hängt auch von Frieden und Wachstum in Afrika ab. Die EU | |
sollte ihre zahlreichen Versprechen an den Kontinent einlösen. | |
Nachrichten in der Coronakrise: Queen positiv auf Corona getestet | |
Elizabeth II. spüre „milde, erkältungsähnliche Symptome“, heißt es aus … | |
Buckingham Palace. Das RKI meldet 118.032 Positiv-Tests binnen 24 Stunden. | |
Unterwegs in Kiew: Tag für Tag Ungewissheit | |
In der ukrainischen Hauptstadt macht das stete russische Kriegsgetöse die | |
Menschen mürbe. Bislang blieben die Angriffe aus – doch wie lange noch? | |
Französischer Abzug aus Mali: Macrons Scherbenhaufen | |
Das offizielle Ende der französischen Intervention in Mali ist das | |
Eingeständnis einer Niederlage. Macron steht vor einer Wahl als | |
gescheitert da. | |
Afrika-Experte über die Bundesregierung: „Nicht nur Entwicklungspolitik“ | |
Christoph Kannengießer vom Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft geht mit | |
der Ampelkoalition hart ins Gericht. Er fordert Gleichberechtigung und | |
echte Partnerschaft. | |
EU-Afrika-Gipfel in Brüssel: Long Covid in der Beziehung | |
Bei dem zweitägigen Treffen in Brüssel möchte die EU ihre wirtschaftlichen | |
Beziehungen stärken. Die Afrikaner pochen auf freie Impfstofflizenzen. |