| # taz.de -- Afrika-Experte über die Bundesregierung: „Nicht nur Entwicklungs… | |
| > Christoph Kannengießer vom Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft geht | |
| > mit der Ampelkoalition hart ins Gericht. Er fordert Gleichberechtigung | |
| > und echte Partnerschaft. | |
| Bild: Die Elektrobusfabrik Kiira Motors wird erweitert. Die Belegschaft wird vo… | |
| taz: Herr Kannengießer, wie bewerten Sie die Afrikapolitik der neuen | |
| Bundesregierung? | |
| Christoph Kannengießer: Es ist erstaunlich, wie stiefmütterlich das Thema | |
| behandelt wird. Man kann sagen, das gehört nicht zu den Wohlfühlthemen, und | |
| so hat man es zur Seite geschoben – es ist andererseits schon ein Signal | |
| und das wird auch so wahrgenommen. Im Bundeswirtschaftsministerium wurden | |
| Afrika und Entwicklung zusammengeschoben in einem Staatssekretärsressort, | |
| die Außenwirtschaft findet woanders statt. Das zeigt, dass man nicht | |
| verstanden hat, dass Afrika in der internationalen weltwirtschaftlichen | |
| Arbeitsteilung ankommt und dass wir in Richtung Afrika eine | |
| außenwirtschaftspolitische Agenda brauchen, nicht eine, die nur aus der | |
| Entwicklungspolitik kommt. | |
| War das unter der vorigen Regierung besser? | |
| Die letzte Legislaturperiode war so schlecht nicht. Das | |
| Bundeswirtschaftsministerium hat einige Initiativen ergriffen. Wir hatten | |
| einen Entwicklungsminister, der das Thema Arbeitsplätze für Afrika sehr | |
| stark forciert hat. Und es gab eine Bundeskanzlerin, die den [1][Compact | |
| mit Afrika] (Initiative der deutschen G20-Präsidentschaft von 2017 zu | |
| „Reformpartnerschaften“ mit ausgewählten Ländern, um dort Investitionen zu | |
| ermutigen – Anm. d. Red.) vorangetrieben und dieses Thema ständig als | |
| Herzensangelegenheit oben auf der Agenda gehalten hat. Das braucht das | |
| Thema Afrika auch. Es braucht die starke und koordinierende Handschrift des | |
| Bundeskanzleramts. | |
| Und heute? | |
| Ich habe noch nichts gehört und dafür habe ich überhaupt kein Verständnis. | |
| Jetzt beginnt der EU-AU-Gipfel in Brüssel – leider wieder hybrid, aber da | |
| gibt es die Gelegenheit für den Bundeskanzler, Afrikaner zu sehen und zu | |
| treffen und Gespräche zu führen. Die Legislaturperiode ist ja noch lang. | |
| Was müsste jetzt am dringendsten passieren? | |
| Wir sollten von dieser Bundesregierung erfahren, welche Rolle sie der | |
| Privatwirtschaft in Afrika beimisst. Wir sind der Auffassung, dass | |
| privatwirtschaftliches Engagement in Afrika einen gewaltigen | |
| entwicklungspolitischen Impact hat und auch erforderlich ist, um der | |
| geostrategischen Herausforderung aus China, das eine systematische Politik | |
| der Schaffung von Abhängigkeiten verfolgt, etwas entgegenzusetzen. Die | |
| Europäer sind gefordert, den Afrikanern ein Kooperationsangebot zu machen, | |
| das auf Gleichberechtigung, echter Partnerschaft und einer die | |
| afrikanischen Interessen aufnehmenden Agenda basiert. In einer sich | |
| verändernden Welt brauchen wir Partner. Dazu gehört ein Kontinent mit 1,2 | |
| Milliarden Menschen und 54 Staaten, darunter bevölkerungsreiche Länder wie | |
| Nigeria, G20-Länder wie Südafrika und die sogenannten Stabilitätsanker wie | |
| Ägypten oder Marokko. Wir müssen die Beziehungen mit diesen Ländern | |
| intensiver pflegen als in der Vergangenheit. | |
| Das zweite Thema sind Afrikas Entwicklungsnotwendigkeiten und unsere | |
| eigenen außenwirtschaftlichen Interessen. Das geht Hand in Hand und darin | |
| liegt die enorme Chance, dass wir unsere Wertschöpfungsketten | |
| diversifizieren und dass gleichzeitig in Afrika entsteht, was am | |
| dringendsten gebraucht wird: gute wertschöpfende Arbeit. Das muss flankiert | |
| werden, denn Geschäftsbanken finanzieren solche Investitionen in Afrika | |
| nicht so leicht wie in Osteuropa oder den USA. | |
| Drittens haben wir das Klimathema. Afrika muss seine Energiebedarfe für | |
| Industrialisierung und wachsenden Wohlstand decken können, ohne die globale | |
| CO2-Bilanz weiter zu belasten. Wenn mit jedem Windrad in Deutschland ein | |
| Kohlekraftwerk in Afrika entsteht, haben wir mit Zitronen gehandelt. Wir | |
| brauchen ein Klimabündnis Europa-Afrika. | |
| Es ist schwierig, so ein Angebot überzeugend zu gestalten. Sie haben China | |
| angesprochen. Wenn die Regierungen von Mosambik oder Uganda seit | |
| Jahrzehnten davon träumen, endlich viel Geld mit Öl und Gas zu verdienen, | |
| und die EU dann sagt ‚Das geht nicht‘, dann gehen sie doch woanders hin. | |
| Deswegen brauchen wir eine Strategie und die darf nicht einseitig sein. | |
| Auch Afrika braucht Brückentechnologien, auch Afrika hat | |
| Grundlastnotwendigkeiten. Wir können nicht sagen, wenn in Afrika | |
| Gaskraftwerke gebaut werden, überlassen wir das den Chinesen. Vor dieser | |
| nüchternen Abwägung scheuen sich gerade in Deutschland manche, weswegen es | |
| wichtig ist, dass unsere Akteure mit den afrikanischen Akteuren ins | |
| Gespräch kommen. | |
| Ist man auf europäischer Ebene weiter? | |
| Ich habe den Eindruck, wir stehen erst am Anfang. An gewaltigen | |
| finanziellen Zusagen fehlt es nicht. Aber man muss das länderbezogen | |
| erarbeiten und industrielle Akteure dafür gewinnen, sich zu engagieren. | |
| Haben Sie Erwartungen an den EU-AU-Gipfel? | |
| Im Bereich der [2][Corona-Impfstoffe] sehen wir viele ermutigende Signale. | |
| Ich finde es gut, dass man nicht nur über Lieferungen von Impfstoffen nach | |
| Afrika spricht, sondern auch über die Frage: Wie kriegt man Afrika in dem | |
| Bereich autonom und löst dieses unwürdige Abhängigkeitsverhältnis? Da | |
| engagieren sich Afrikaner sehr intensiv, auch die Europäer und die | |
| Deutschen. Es gibt das Unterhaken mit der Industrie und das soll | |
| offensichtlich forciert werden, auch von der neuen Regierung: Aufbau | |
| lokaler Impfstoffproduktion, Fokus auf stärkere Autonomie und Resilienz | |
| lokaler Gesundheitssysteme auf der Basis lokaler Produktion. Es wäre gut, | |
| wenn es bei dem Gipfel dazu weitere Initiativen und Signale gibt. Und die | |
| EU sollte in ihrer Global Gateway Initiative (EU-Initiative zur Förderung | |
| von Infrastrukturinvestitionen, um China nicht das Feld zu überlassen – | |
| Anm. d. Red.) einen sehr starken afrikanischen Akzent geben und klarmachen, | |
| dass das nicht ein Thema unter Tausenden ist, sondern zukunftsweisend für | |
| die EU. | |
| 17 Feb 2022 | |
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| [1] /Afrika-Gipfel-Compact-for-Africa/!5792634 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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