# taz.de -- Entwicklungspolitik: Deutschlands neue Afrika-Strategie | |
> Früher galt das investorenfreundliche „Fördern und Fordern“ in der | |
> Entwicklungspolitik. Was haben die Ampelparteien vor? | |
Bild: Windräder in der Nähe von Nairobi in Kenia | |
BERLIN taz | Die Bundesregierung will Afrika beim „sozial-ökologischen | |
Wachstum“ unterstützen. Im Fokus stehen die Schaffung von Arbeitsplätzen | |
und der Aufbau von Sozialsicherungssystemen. Auch Ernährungssicherung und | |
Investitionen in grüne Energie sind Teil der neuen [1][Afrika-Strategie], | |
die das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) am Dienstag vorstellte. | |
Tickt die Ampel bei der Entwicklungszusammenarbeit anders als ihre | |
Vorgängerregierungen? Bislang galt als Strategie der [2][„Marshallplan mit | |
Afrika“]. Der stellte Investitionen des Privatsektors in den Vordergrund | |
und folgte dem Ansatz „Fordern und Fördern“. In der neuen Strategie ist | |
deutlich mehr über Partnerschaften mit Zivilgesellschaft und kommunalen | |
Institutionen in Afrika zu lesen, „die oft als kritische Korrektive der | |
nationalen Regierungsarbeit in ihren Ländern aktiv sind“. Außerdem will | |
sich das BMZ in internationalen Gremien für eine stärkere Position Afrikas | |
stark machen. | |
Von der Afrika-Direktorin vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen | |
(UNDP) Ahunna Eziakonwa gab es denn auch gleich großes Lob: Auf der | |
Pressekonferenz zur Präsentation der Strategie lobte sie das Papier als | |
Beitrag zu „Entkolonialisierung der Entwicklung“. „Ich hätte nicht gedac… | |
dass ich je eine so inspirierende Strategie aus Europa zu Afrika sehen | |
würde“, sagte sie. | |
Auch Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) betonte: „Wir | |
verfolgen Wirtschaftsinteressen.“ Der Rahmen müsse aber ein sozial | |
gerechter und ökologischer sein. Ob die Bundesregierung das einlöst, ist | |
laut zivilgesellschaftlichen Beobachter:innen noch nicht gesagt. „Wir | |
in Europa benötigen Wasserstoff. Daher verwundert es wenig, dass zur | |
Förderung von [3][Wasserstoff Initiativen] in dem Strategiepapier genannt | |
werden“, sagte etwa Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt. „Off… | |
bleibt aber, mit welchen Instrumenten sichergestellt werden soll, dass die | |
lokale Bevölkerung vom Wasserstoff-Boom profitiert.“ | |
## Reformpartnerschaften sollen weiterentwickelt werden | |
Ein kritischer Aspekt sind auch die Reformpartnerschaft im Zuge des | |
[4][Compact with Africa], die das BMZ „weiterentwickeln“ will. Die G20 | |
Initiative hatte 2017 Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) auf den Weg | |
gebracht. Bei den Reformen ging es bis dato vorrangig darum, das | |
Investitionsklima zu verbessern. | |
Investitionen waren an Reformen gekoppelt, wie etwa investorenfreundliche | |
Steuerreformen, die Aufhebung von Beschränkungen von Investitionen und der | |
Beitritt zu Vereinbarung zum Investitionsschutz, mit denen Unternehmen | |
Staaten verklagen können, auch wenn etwa Gesetze zur Verbesserung des | |
Landrechts oder Klimaschutz Profite mindern. | |
Das BMZ werde auch weiterhin deutsche Investitionen in Afrika unterstützen, | |
etwa mit Garantien und Fonds, heißt es in dem Papier. Wie dabei mittlere | |
und kleinere Unternehmen vor Ort geschützt werden, steht nicht in der | |
Strategie. | |
Wie auch in der Vorgängerstrategie will das BMZ illegale Kapitalabflüsse | |
eindämmen. Neu ist, dass das BMZ auch die legale Steuervermeidung bremsen | |
will. Allein durch illegale Steuerflucht verliert Afrika nach Schätzungen | |
der UNO jährlich etwa 88 Milliarden US-Dollar – etwa doppelt so viel, wie | |
es aus der Entwicklungszusammenarbeit erhält. Die legale Steuervermeidung | |
ist hingegen weitaus höher – nicht zuletzt angetrieben durch | |
Reformforderungen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF). | |
## Reformen beim globalen Schuldenmanagement | |
„Die Bundesregierung sollte die Länder darin unterstützen, ihre Steuerbasis | |
zu erhöhen, und sich dafür einsetzen, dass transnationale Unternehmen ihre | |
Steuern auch dort zahlen, wo ihre Produktionsstätten sind“, sagt Anke | |
Kurat, kommissarische Geschäftsführerin vom entwicklungspolitischen Verband | |
Venro, dazu. Investoren sollten außerdem an „strenge soziale und | |
ökologische Nachhaltigkeitskriterien geknüpft“ sein. | |
Gleichzeitig will das BMZ auch in diesen Internationalen | |
Finanzinstitutionen Veränderungen herbeiführen, zum Beispiel beim | |
Schuldenmanagement. Kristina Rehbein von der Organisation Erlassjahr.de | |
begrüßt, dass sich das BMZ im Vergleich zu den anderen Ministerien | |
„proaktiv“ zeigt. Es bringe sich bereits für Länder mit niedrigem Einkomm… | |
bei der Überarbeitung der Schuldentragfähigkeitsanalysen des IWF und der | |
Weltbank ein. | |
Zudem könnte das BMZ die Entwicklung unabhängiger „regionaler Institutionen | |
unterstützen, die Länder bei Schuldenverhandlungen verfahrenstechnisch | |
beraten“, schlägt Rehbein vor. Im Hinblick auf mehr Schuldentransparenz | |
mahnt Rehbein, hierbei nicht nur Schuldner, sondern auch Geber zu | |
verpflichten. Dann müssten auch Gläubiger ihre Forderungen offenlegen und | |
finale Vereinbarungen über Schuldenrestrukturierungen der Öffentlichkeit | |
zugänglich machen. | |
Ein weiterer Aspekt beim Anspruch des BMZ, „bestehende Asymmetrien zu | |
überwinden“, ist die Handelspolitik. Hervorzuheben ist die Unterstützung | |
der kontinentalen Afrikanischen Freihandelszone, an der derzeit in der | |
Afrikanischen Union gearbeitet wird. | |
## BMZ hält an den EPAs fest | |
Gleichzeitig hält das BMZ an den Handels- und Investitionsabkommen | |
zwischen der EU und afrikanischen Ländern (EPAs) fest, die vielfach | |
kritisiert werden, weil sie interne Märkte, vor allem von wirtschaftlich | |
schwächeren Ländern durch subventionierte Importe aus Europa gefährden und | |
Export-orientierung von Rohstoffen unterstützen, statt regionale Märkte zu | |
schützen. | |
Die Ansprüche des BMZ klingen lobenswert. Ob die Wirtschaftsbeziehungen | |
zwischen Deutschland und Afrika sozial gerechter und ökologisch | |
nachhaltiger sein können, hängt letztlich an der Umsetzung. | |
Stephan Exo-Kreischer, Direktor von der Entwicklungsorganisation ONE | |
Deutschland fordert dazu „eine kohärente Afrika-Strategie der gesamten | |
Bundesregierung, damit Zielkonflikte strategisch aufgelöst werden können“. | |
25 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bmz.de/resource/blob/137600/bmz-afrika-strategie-de.pdf | |
[2] /Entwicklungshilfe-fuer-Afrika/!5372754 | |
[3] /Energiekooperation-mit-Namibia/!5896715 | |
[4] /Afrika-Gipfel-in-Berlin/!5420396 | |
## AUTOREN | |
Leila van Rinsum | |
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