| # taz.de -- Interne Konflikte bei Deutscher Welle: Teils hochproblematisch | |
| > Antisemitismus bei der Deutschen Welle? Ein Bericht spricht lediglich von | |
| > Einzelfällen. Ein Problem hat der Sender trotzdem. | |
| Bild: Steht unter politischem Druck: Deutsche Welle-Intendant Peter Limbourg | |
| Es bewegt sich etwas bei der Deutschen Welle. Der Auslandssender trennt | |
| sich von fünf Personen aus dem Umfeld der arabischen Sprachredaktion und | |
| der Deutsche Welle Akademie – [1][wegen antisemitischer Aussagen]. Das | |
| teilte Intendant Peter Limbourg am Montag mit, bei der Vorstellung eines | |
| [2][Untersuchungsberichts zu Antisemitismus beim Sender]. | |
| Mit acht weiteren Personen, denen antisemitische Äußerungen | |
| „unterschiedlicher Intensität“ nachgewiesen wurden, wird das interne | |
| Gespräch gesucht. Der Leiter der arabischen Redaktion gibt auf eigenen | |
| Wunsch seinen Posten auf. Merkliche personelle Konsequenzen also im | |
| Antisemitismusskandal bei dem steuerfinanzierten Sender – wenngleich nur am | |
| unteren Ende und im mittleren Management. | |
| Die Deutsche Welle, traditionell Medium für die bundesdeutsche | |
| Perspektive im Ausland, ist gerade zeitgleich im Zentrum von zwei | |
| politischen Konflikten. Den Konflikt um die Schließung ihres Büros in | |
| Moskau durch die russische Regierung, in dem ihr viel Sympathie zuteilwird. | |
| Und der innere Konflikt um die israelfeindlichen Äußerungen und | |
| Holocaustleugnung einiger Beschäftigter – an dem zu zerbrechen die Welle | |
| offenbar eben noch mal verhindert hat. | |
| Was den Russland-Konflikt angeht, ist die Sache recht klar. Das DW-Büro in | |
| Moskau musste schließen, nachdem deutsche Medienanstalten dem russischen | |
| Auslandssender [3][RT DE das Senden via Satellit und Kabel in Deutschland | |
| untersagt] hatten. Die russische Regierung begreift ihr Verhalten als | |
| „Vergeltungsmaßnahme“. | |
| ## Eingeschränkte Pressefreiheit in Russland | |
| Es handelt sich aber nicht um Aktion – Reaktion, wie die Lesart des Kreml | |
| nahelegt. RT DE wird in Deutschland zwar vorerst am Senden via Satellit und | |
| Kabel gehindert, nicht aber am Arbeiten. RT DE sendet wie gewohnt im Netz, | |
| seine Redaktion kann frei recherchieren. Und das, obwohl RT sich ganz | |
| unverblümt als „Informationswaffe“ begreift, wie RT-Chefin Margarita | |
| Simonjan 2012 der Zeitung Kommersant sagte. | |
| Dazu kommt, dass Russland schon lange keine Steilvorlage aus Deutschland | |
| mehr braucht, um Pressefreiheit einzuschränken. Journalist:innen und | |
| unabhängigen Medien wird die Arbeit erschwert, indem sie etwa zu | |
| „ausländischen Agenten“ erklärt werden. Korrespondent:innen arbeiten | |
| in dem Wissen, dass jeder Tag der letzte im Land sein könnte. | |
| Was den Russland-Konflikt angeht, kann Deutsche-Welle-Intendant Peter | |
| Limbourg also auf die Bedeutung freier Presse pochen und ansonsten auf | |
| anstehende Gespräche verweisen: Moskau-Studioleiter Juri Rescheto mit der | |
| russischen Regierungssprecherin am Mittwoch; Kanzler Scholz mit Präsident | |
| Putin kommende Woche. | |
| Anders die Sache mit dem Antisemitismus. Hier muss der Intendant sich | |
| zerknirscht zeigen, Besserung loben und erklären, wie es überhaupt so weit | |
| kommen konnte. Zwei von drei dieser Dinge hat er am Montagabend ganz gut | |
| hingekriegt. | |
| ## Antisemitische Äußerungen in Arabischen Redaktionen | |
| Drei externe Personen hatten die Deutsche Welle, vielmehr den | |
| arabischsprachigen Zweig des Senders von Mitte Dezember bis Ende Januar auf | |
| strukturellen Antisemitismus untersucht: die ehemalige Justizministerin | |
| Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, der Psychologe Ahmad Mansour und die | |
| Politikberaterin und Expertin für Extremismusprävention, Beatrice Mansour. | |
| Die drei sprachen bei der Vorstellung des Berichts am Montag die Deutsche | |
| Welle einerseits frei von „strukturellem Antisemitismus“, legten | |
| andererseits vieles offen, was beim Sender im Argen liegt. Und gaben | |
| Empfehlungen, die einfacher klingen, als sie sind. | |
| Seit Herbst 2021 konfrontierten Medienberichte die Welle wiederholt mit | |
| antisemitischen Äußerungen von Mitarbeiter*innen in der | |
| arabischsprachigen Redaktion, von Partnermedien im arabischen Raum und bei | |
| der Deutsche Welle Akademie, erst vor wenigen Tagen legte [4][die Welt | |
| Fälle offen]. | |
| Der externe Untersuchungsbericht von Leutheusser-Schnarrenberger und den | |
| Mansours bestätigt nun in mehreren Fällen „klassische antisemitische Muster | |
| bis hin zu Holocaustleugnung“ – dazu gehören neben den bereits aufgedeckten | |
| Fällen acht weitere Personen, auf die man durch die Untersuchung aufmerksam | |
| wurde. | |
| Der Bericht unterscheidet dabei deutlich zwischen Kritik am politischen | |
| Handeln der israelischen Regierung und Antisemitismus im Sinne von | |
| Aberkennen des Existenzrechts Israels, Holocaustleugnung sowie | |
| Antisemitismus gemäß der Arbeitsdefinition der International Holocaust | |
| Remembrance Alliance. | |
| Der Bericht sieht zur merklichen Freude des Intendanten kein strukturelles | |
| Problem, weder in der arabischen Redaktion noch beim Sender insgesamt. „Wir | |
| reden von punktuellem Fehlverhalten und Fehlaussagen“, sagte Ahmad Mansour. | |
| „Ein struktureller Antisemitismus in der Redaktion ist nicht vorhanden.“ | |
| Dennoch legt der Bericht einiges offen, was hochproblematisch ist. | |
| ## „Werte“ verbindlicher machen | |
| „Einzelne Partner“ in der Region würden die Unterstützung der Welle nutze… | |
| um antisemitische Propaganda zu verbreiten, hieß es. Die Welle ist zu ihrer | |
| Verbreitung auf Kooperation mit regionalen Medien angewiesen. Einige davon | |
| hatten sich als antiisraelisch herausgestellt. „Die arabische Redaktion ist | |
| zutiefst gespalten“, sagte Mansour weiter. Seit Jahren war bekannt, | |
| [5][dass die arabische Redaktion unter ihrer Führung leidet (die taz | |
| berichtete)]. Dennoch war sie bisher nicht ausgewechselt worden. | |
| Der arabischsprachige Zweig der Welle ist seit einigen Jahren äußerst | |
| erfolgreich, wird in der Region gut angenommen. Die redaktionelle Arbeit | |
| dagegen ist konfliktbehaftet. DW-Mitarbeiter*innen haben in den letzten | |
| Jahren immer wieder kritisiert, dass es der Senderführung vor allem um | |
| Reichweite gehe, weniger um Qualität. Das wird nun offenbar ernst genommen. | |
| „Es darf nur mehr Reichweite geben, wenn auch die Inhalte passen“, sagte | |
| Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in ihrem Fazit. Die Welle verspricht | |
| einen Zehn-Punkte-Plan, um ihre „Werte“ verbindlicher zu machen für | |
| Mitarbeiter*innen und Partnermedien. Auch die Mitarbeitergewinnung | |
| soll „wertebasiert“ werden. | |
| Das alles ist so vorbildlich wie überfällig. Warum gab es kein | |
| wertebasiertes Recruiting bei einem Sender, der für Werte werben soll? | |
| Warum hat Limbourg so lange alle Vorwürfe abgebügelt, dass Kritik zu äußern | |
| im Sender schwierig sei? Warum hielt er an der Führung der arabischen | |
| Redaktion fest? | |
| Nun ist Limbourg auf Bewährung – muss die versprochene Transparenz | |
| umsetzen. Darf den Sender nicht zurückfallen lassen in einen Modus des | |
| [6][Abwiegelns und Beschweigens]. Der Vertrauensvorschuss, den ein | |
| deutsches öffentlich-rechtliches Medium im Gegensatz zum russischen | |
| Regierungssender RT genießt, gilt nicht ewig. | |
| 8 Feb 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Antisemitismusvorwuerfe-gegen-DW/!5819508 | |
| [2] https://www.dw.com/de/deutsche-welle-pr%C3%A4sentation-des-untersuchungsber… | |
| [3] /Russisches-staatsnahes-Fernsehen/!5832888 | |
| [4] https://www.welt.de/politik/deutschland/plus236689223/Deutsche-Welle-Antise… | |
| [5] /Kritik-an-der-Deutschen-Welle/!5654402 | |
| [6] /Konfliktmanagement-der-Deutschen-Welle/!5821136 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Weissenburger | |
| Erica Zingher | |
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