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# taz.de -- Franziska Giffey auf erster Dienstreise: Nicht nur Sanssouci
> Giffey besucht in Potsdam Ministerpräsidentenkollegen Dietmar Woidke.
> Die Zusammenarbeit beider Bundesländer soll enger werden – auch ohne
> Fusion.
Bild: So grünt es ja derzeit nicht im Park von Sanssouci, da muss Franziska Gi…
Berlin/Potsdam taz | Michael Müllers letzte Dienstreise als Regierender
Bürgermeister ging nach Dubai. Mitte November war das, und die Flugreise
dorthin über knapp 4.650 Kilometer dauert auch nonstop gut sechseinviertel
Stunden.
Franziska Giffey, seine SPD-Parteifreundin und Nachfolgerin im Roten
Rathaus, braucht an diesem Montag nicht so lang, wenn sie erstmals
dienstlich verreist. 40 Minuten sind es via Avus und A115 bis zur
Staatskanzlei in Potsdam. Luftlinie sind das keine 30 Kilometer.
Ministerpräsident Dietmar Woidke, auch er von der SPD, wartet dort in der
Heinrich-Mann-Allee auf sie. Er könnte sie auch am Hauptbahnhof schräg
gegenüber abholen, wohin Giffey dank der direkt am Rathaus abfahrenden U5
und dann der S7 in 48 Minuten wäre.
Dass sie nicht in die weite Welt, sondern zu Woidke fahren würde, hat
Giffey schon angekündigt, als sie noch nicht Regierungschefin war. Und dass
auch ihr Brandenburger Kollege an einer engen Zusammenarbeit höchst
interessiert ist, ließ sich im Dezember gleich doppelt beobachten: Woidke
war nicht bloß neben Bundeskanzler Olaf Scholz Gastredner, als die Berliner
SPD dem Koalitionsvertrag zustimmte. Nein, er saß auch im Abgeordnetenhaus
auf der Zuschauertribüne, als Giffey kurz vor Weihnachten zur Regierenden
Bürgermeisterin gewählt wurde. „Ich schätze Sie als eine überaus
engagierte, klare und konsequente Streiterin für die Belange der Menschen
im täglichen Leben und wünsche Ihnen eine erfolgreiche Regierungszeit“,
lobte Woidke sie dabei gegenüber Journalisten.
Drei „Flaggschiffprojekte“ einer länderübergreifenden Kooperation will
Giffey an diesem Montag mit Woidke vorstellen und die Beziehungen zwischen
beiden Bundesländern grundsätzlich weiter vertiefen. „Vielleicht hilft
dabei auch, dass ich meine Wurzeln in Brandenburg habe“, sagte sie am
vergangenen Dienstag in der Pressekonferenz nach der Senatssitzung. Giffey
wurde schließlich in Frankfurt (Oder) geboren und wuchs nur knapp 20
Kilometer von der polnischen Grenze entfernt in Briesen auf, wo ihr Bruder
die väterliche Kfz-Werkstatt übernommen hat. Dort erwartete man sie auch
spätestens zu Weihnachten, wie ihr Vater Wolfgang Journalisten bei ihrer
Wahl im Dezember erzählte.
## Erste Klausurtagung des Berliner Senats
Wenn Giffey in Potsdam ankommt, hat sie auch schon das Wochenende in
Brandenburg verbracht – allerdings nicht bei der Familie in Briesen,
sondern auf der anderen Seite Berlins: Samstag und Sonntag hat sich der
Senat zu seiner ersten Klausurtagung bei Nauen getroffen, gleich begleitet
von wohlmeinenden Forderungen der Industrie- und Handelskammer, schnell
Änderungen für Berlin auf den Weg zu bringen.
In das im dörflichen Groß-Behnitz gelegene Landgut Stober zogen sich die
Senatsmitglieder dabei zurück – was ein Tipp der Grünen gewesen sein
könnte: Deren Fraktion, schon damals unter Führung von Antje Kapek, tagte
schon 2015 in dem Landgut, ehemals im Besitz der Industriellenfamilie
Borsig und laut Homepage das nachhaltigste Hotel Deutschlands. Die Grünen,
in jenem Jahr noch in der Opposition, planten dabei übrigens schon 5.000
Wohnungen auf dem damals noch auf Hochbetrieb fahrenden Flughafen Tegel –
bloß hieß das das noch „Zukunftslabor“ und nicht wie jetzt „Urban Tech
Republic“.
So ein Besuch in Potsdam passt auch bestens zu Giffeys sowohl tatsächlichem
wie gut gepflegtem Image als Kümmerin mit Bodenhaftung – und ist weit
entfernt davon, negative Schlagzeilen zu machen wie einst ihr Vor-Vorgänger
Klaus Wowereit bei einer Dienstreise nach Mexiko. Wobei der damals, 2003,
ein durchaus dichtes Besuchsprogramm hatte, was bloß vor allem wegen eines
urlaubshaft wirkenden Fotos in Berlin anders ankam.
Und zu ihr, der Spiegel und taz unisono zugestanden, „glaubhaft
unbeschwert“ zu sein, passt natürlich die Inschrift an Potsdams
[1][berühmtestem Baudenkmal, Sanssouci, dem Schloss Ohnesorg]. Wobei ja in
Berlin nicht alles sans soucis läuft, nicht bloß beim Großthema Corona: zu
wenige Wohnungen, zu viele Autos, zu langsame Verwaltung. Bettina Jarasch,
jetzt Verkehrssenatorin, hatte im Mai noch als Grünen-Abgeordnete einen
Klimastaatsvertrag mit Brandenburg gefordert.
## Pakt für Neubau und bezahlbares Wohnen
In Potsdam hat Giffey auch gut vor Augen, was privates Engagement bewirken
kann: Das hatte großen Anteil am Wiederaufbau des Stadtschlosses, wo der
Landtag zu Hause ist. Und das nur wenige Meter entfernte, 2017 eröffnete
Museum Barberini des SAP-Gründers und Mäzens Hasso Plattner zieht ähnlich
viele Besucher an wie besagtes Schloss Sanssouci. Erst am Dienstag hatte
Giffey angekündigt, den von ihr angestrebten Pakt für Neubau und
bezahlbares Wohnen, an dem sich ausdrücklich private Investoren beteiligen
sollen, bis Juni abzuschließen.
Am Tag von Giffeys Wahl zur Regierungschefin hatte Ministerpräsident Woidke
das Ausmaß der Zusammenarbeit so beschrieben: „Unsere gemeinsame
Hauptstadtregion endet nicht am A10-Autobahnring, sondern an Elbe, Oder und
Neiße.“ Das hieß: bis an die Außengrenzen Brandenburgs, und musste
natürlich unweigerlich die Frage aufwerfen, warum es dann überhaupt zwei
Bundesländer bleiben sollen und ob nicht endlich doch eine Fusion angesagt
sei – eine Abstimmung darüber scheiterte 1996.
Der Landtag im erwähnten Stadtschloss wäre darauf vorbereitet: Der böte im
Plenarsaal – in dessen pur weißem Ambiente bislang 88 brandenburgische
Abgeordneten auf knallroten Stühle tagen –, dank einer eingeplanten
sogenannten „Berliner Reihe“ Platz für 150 Mitglieder eines gemeinsamen
Parlaments. Noch am Abend nach Woidkes Worten machte Giffey im RBB jedoch
klar, dass eine Länderfusion nicht auf ihrer Agenda steht: Ziel sei sehr
gute und enge Zusammenarbeit, „aber dass das zwei Länder sind, ist in
Ordnung so“.
16 Jan 2022
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Sanssouci
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
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