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# taz.de -- Coronapolitik in Berlin und Brandenburg: Gemeinsam ist nicht vereint
> Das unterschiedliche Timing beim Ende von 2G zeigt: Trotz vieler
> Gemeinsamkeiten bleiben Berlin und Brandenburg faktisch zwei
> Bundesländer.
Bild: Bei aller Nähe zwischen den Regierenden: Berlin und Brandenburg bleiben …
Irgendwie klang das im Dezember anders. „Unsere gemeinsame Hauptstadtregion
endet nicht am A10-Autobahnring, sondern an Elbe, Oder und Neiße“, war von
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) kurz vor Weihnachten zu
hören, als er wegen der Wahl von Franziska Giffey zur Regierenden
Bürgermeisterin ins Abgeordnetenhaus kam. Das verhieß eine enge
Zusammenarbeit mit Berlin und – weil die genannten Flüsse die Außengrenzen
von Brandenburg markieren – quasi eine zumindest gedankliche Fusion der
beiden Bundesländer.
Woidkes Parteifreundin Giffey würgte etwaig aufkommende Gedanken an eine
politische Fusion zwar schon kurz darauf ab – im Jahr 1996 war ein
[1][Volksentscheid gescheitert]. Aber dass Berlins Regierende ihre erste
Dienstreise nach Potsdam unternahm und nicht etwa nach Brüssel oder
Warschau, unterstrich Woidkes Satz von der gemeinsamen Region. Viel war
fortan von beiden Seiten von Gleichschritt, Gemeinsamkeiten und von der
Metropolenregion zu hören.
Doch was passierte am Dienstag dieser Woche? Da beschloss die eine
Landesregierung – [2][jene in Potsdam] – die 2G-Regel für den Einzelhandel
ab dem nächsten Tag aufzuheben und nur noch eine FFP2-Maskenpflicht
vorzuschreiben. Auch Ungeimpfte dürfen also wieder in diese Geschäfte. Die
andere Regierung – [3][der Berliner Senat] – fasste diesen Schritt am
selben Tag zwar auch ins Auge, verschob einen Beschluss darüber aber auf
den nächsten Dienstag. Gültig wäre er dann eineinhalb Wochen später als in
Brandenburg.
Als Hauptgründe für das zögliche Verhalten Berlins gelten anhaltende
Vorsicht und die Absicht, die 2G-Regel in einem Schwung nicht nur für den
Einzelhandel, sondern auch für Museen und Bibliotheken zu kippen. Doch
diese unterschiedliche Herangehensweise führt nun zu skurrilen Situationen.
Beispielsweise darf ein Umgeimpfter in Zehlendorf im Berliner Südwesten
nicht in ein Elektronikfachgeschäft, während er sich ein paar hundert Meter
weiter im angrenzenden brandenburgischen Kleinmachnow dazu lediglich eine
FFP2-Maske aufsetzen muss. So könnte der Eindruck entstehen, dass es ja
nicht her sein kann mit der gemeinsamen Region, dem Sich-Absprechen und
Im-Gleichschritt-Gehen. Umso mehr, weil Brandenburg zuletzt eine höhere
(und steigende) 7-Tage-Inzidenz hatte als Berlin, wo diese wieder sinkt.
Diese Sichtweise ist aber zu einfach – und das nicht nur, weil in Berlin
die Rate jener, die mit oder wegen Corona ins Krankenhaus kommen, fünf Mal
höher ist. Nein, es zeigt, dass zwei Landesregierungen – selbst wenn sie
wie in Berlin und Brandenburg seit mehr als 20 Jahren von ein und derselben
Partei geführt werden – Dinge unterschiedlich betrachten können. Auf Basis
ihrer lokalen Verortung, ihrer Erfahrungen, ihrer Schwerpunktsetzung.
Das zeigte sich etwa auch 2020, als in Potsdam das SPD-geführte
Bildungsministerium die Abschlussklassen komplett im Präsenzunterricht
ließ. Berlins Bildungssenatorin, gleichfalls Sozialdemokratin, setzte
hingegen in ihrem nur 30 Kilometer Luftlinie entfernten Büro am
Alexanderplatz auf andere Unterrichtsformen.
## Ohne Fusion bleibt die Konkurrenz
Wirkliche und völlige Gemeinsamkeit und Einheitlichkeit brächte nur eine
echte Länderfusion. Dann würde eine Landesregierung entscheiden, würde ein
Landesparlament Gesetze für jenes von Woidke so begrenzte Gebilde zwischen
Elbe, Oder und Neiße beschließen.
Das kann man aus vielen Gründen wollen und aus ähnlich vielen nicht. Man
darf sich aber nicht der Hoffnung hingeben, dass beide Länder auch ohne
offizielle Vereinigung wie eine Region funktionieren. Ohne Fusion werden
beide Länder nur so lange gemeinsame Sache machen, wie es beiden nützt –
etwa bei er Verkehrsplanung. Sobald sie aber in einer Konkurrenzsituation
sind etwa wenn es um Fördergelder des Bundes geht oder um Steuereinnahmen
durch Unternehmensansiedlungen, wird jedes Land zuerst an sich denken.
Letzten Endes ist das auch richtig so und macht den Kern eines föderalen
Systems aus – das eine ist eben nicht ohne das andere zu haben.
12 Feb 2022
## LINKS
[1] https://www.neugliederung-bundesgebiet.de/m%C3%B6gliche-fusionspartner/berl…
[2] https://ticker.taz.de/tkr/2022/02/09.nf/tkr?name=askD5fo53&pos=0
[3] https://ticker.taz.de/tkr/2022/02/09.nf/tkr?name=askkv5vML&pos=21
## AUTOREN
Stefan Alberti
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