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# taz.de -- Treffen im brandenburgischen Bio-Hotel: Diesmal Anreise per Bus
> Im Landgut Stober bei Nauen, wo bereits der Senat tagte, geht nun die
> Grünen-Fraktion in Klausur. Auch der Ukrainekrieg und die Folgen sind
> Thema.
Bild: Im Landgut Stober südlich von Nauen trifft sich die Berliner Grünen-Fra…
Berlin taz | Am Samstagvormittag wird südlich von Nauen ein Reisebus bei
einem [1][idyllisch gelegenen Landgut] vorfahren, das mal der
Industriellenfamilie Borsig gehörte. An Bord: die Berliner Grünen-Fraktion.
Die trifft sich dort zu ihrer ersten Klausurtagung. Inhaltlich sind der
Ukrainekrieg und die Lage der Flüchtlinge im Fokus. Aber im Landgut Stober
geht es auch ums vertiefte Kennenlernen: In der von 27 auf 32 Abgeordnete
gewachsenen Parlamentsfraktion ist die Hälfte der Mitglieder neu.
[2][Jian Omar] ist einer dieser Neuen. „Dass ich mal die Arbeit einer
Partei mitprägen würde, das war damals unvorstellbar“, sagt er im Gespräch
mit der taz. Omar, 37, sitzt bei diesen Worten entspannt in einem der roten
Sessel auf den Fluren des Abgeordnetenhauses. „Damals“, das war 2005, als
er, Angehöriger der kurdischen Minderheit, Syrien verließ. Omar studierte
in Münster und Berlin, erhielt Geflüchtetenstatus, wurde Deutscher,
engagierte sich für andere Flüchtlinge, fand zu den Grünen – und kam im
Herbst ins Parlament.
Werdegang und Engagement haben ihn prädestiniert, einen „Masterplan
Ankommen & Teilhaben“ für ukrainische Flüchtlinge zu schreiben, den die
Fraktion bei der Klausur besprechen will. „Wir profitieren viel von seinen
Erfahrungen“, sagt Fraktionschefin Silke Gebel der taz. Omars großes
Anliegen für den Umgang mit Flüchtlingen: dafür zu sorgen, „dass sich die
Menschen hier wohl fühlen“. Ebendas soll eine „grüne Linie“ werden, hin…
die man nicht mehr zurückfallen dürfe.
Die Wahl, die Omar wie 15 andere Grüne neu in die Fraktion brachte, liegt
kaum acht Monate zurück. Doch die Coronapandemie, der Streit über den
Umgang mit dem [3][Volksentscheid zur Enteignung] von großen
Wohnungseigentümern und seit Februar der Ukrainekrieg lassen den Wahltermin
weit länger zurückliegend wirken.
Dass nichts daraus wurde, nach der Verteilung von Vorstandsaufgaben und
Sprecherjobs reibungsfrei in die neue Wahlperiode zu finden, hat aber auch
viel mit einem Rücktritt zu tun. Im Februar gab Antje Kapek bekannt, dass
sie nach über neun Jahren als Fraktionschefin nicht mehr könne: zu
belastend, zu kraftraubend seien Pandemie, Wahlkampf und
Koalitionsverhandlungen gewesen.
## Graf rückte für Kapek an die Fraktionsspitze
Nachfolger wurde einer, der erst wie ein Verlierer der
Personalentscheidungen nach der Regierungsbildung ausgesehen hatte: Werner
Graf, bis Ende 2021 noch Grünen-Landesvorsitzender, wäre gerne
Verkehrssenator geworden – doch das Ressort ging an Bettina Jarasch als
vormalige Spitzenkandidatin.
Schon nach wenigen Wochen im neuen Amt sorgte Graf für eine Überraschung.
Während die Grünen, vor allem in Person von Jarasch, beim umstrittenen
Enteignungsthema lange eine Mittelposition einzunehmen schienen, legte er
sich im Tagesspiegel fest: Es geht aus Grafs Sicht nur um das Wie und nicht
um das Ob von Enteignung.
„Das hat mich überrascht“, reagierte Regierungschefin Franziska Giffey
(SPD) [4][im taz-Interview]. Vor allem der Zeitpunkt von Grafs Äußerung
konnte irritieren: Denn nach etwas Gezerre hatte sich gerade die von der
Koalition verabredete Expertenkommission zu diesem Thema gefunden. Sie soll
nun möglichst in Ruhe bis zum nächsten Frühjahr beraten.
Dass Grüne und SPD derzeit nicht durchweg allerbeste Freunde sind, hat aber
auch mit Grafs Chefkollegen Raed Saleh von der SPD-Fraktion zu tun: Der
preschte jüngst allein mit der Nachricht vor, dass er für die Koalition
eine Verfassungsänderung zur [5][Absenkung des Wahlalters mit der FDP
vereinbart] hatte. Und verbreitete per Interview den Vorschlag, das
Parlament könne Volksbefragungen auf den Weg bringen – wohl wissend, dass
seine Koalitionspartner, bislang jedenfalls, von solchen aus ihrer Sicht
„von oben“ angesetzten Abstimmungen nichts halten. Und so kann man im
Parlament durchaus erleben, wie Grünen-Abgeordnete SPD-Senatsmitglieder im
Stil von Oppositionsmitgliedern befragen.
Wobei die Klausur dabei nun etwas die Wogen glätten könnte: Saleh ist
nämlich, wie auch die Doppelspitze der Linksfraktion, als Gast im Landgut
Stober angekündigt. Am Samstagabend soll über die nächsten Jahre
rot-grün-roter Zusammenarbeit diskutiert werden. Vielleicht orientieren
sich die Koalitionäre dabei auch an einer Erkenntnis, die
Ex-Fraktionschefin Kapek jetzt, rund zehn Wochen nach ihrem Rücktritt, in
der Berliner Morgenpost von sich gab: „Weniger Arbeit führt dazu, dass man
mehr schafft.“
Mit dem erwähnten Reisebus, der die Ex-Chefin, ihren Nachfolger Graf,
Flüchtlingspapier-Verfasser Omar und den Rest der Fraktion, aber auch grüne
Senatsmitglieder zum Landgut bringt, soll die Anreise klimaneutral sein.
Immerhin trägt der Tagungsort den Beinamen „Biohotel am See“. Im Januar
[6][bei einer Senatsklausur] dort war das noch anders. Da reisten auch
grüne Senatsmitglieder im Dienstwagen an. Umweltsenatorin Jarasch, so
rückte es ihr Pressesprecher am Donnerstag gegenüber der taz zurecht, kam
zumindest vollelektrisch, in einem Tesla Model 3.
13 May 2022
## LINKS
[1] https://www.landgut-stober.de/tagungshotel-berlin-brandenburg.html
[2] https://www.jian-omar.de/
[3] https://wahlen-berlin.de/abstimmungen/ve2021/AFSPRAES/index.html
[4] /Franziska-Giffey-ueber-den-Eierwurf/!5850528
[5] /Koalition-und-FDP-einigen-sich/!5849898
[6] https://www.bz-berlin.de/berlin/mit-nobel-karossen-wurde-der-senat-zum-oeko…
## AUTOREN
Stefan Alberti
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Franziska Giffey
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