# taz.de -- Koalition und FDP einigen sich: Wahlrecht ab 16 kommt in Berlin | |
> Rot-Grün-Rot will mithilfe der FDP das Wahlalter bei | |
> Abgeordnetenhauswahlen auf 16 Jahre senken. Bis Ende 2022 könnte ein | |
> Beschluss stehen. | |
Bild: U 18 soll künftig bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus eine Stimme… | |
BERLIN taz | Bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl, regulär 2026, und bei | |
Volksentscheiden sollen [1][auch 16- und 17-Jährige abstimmen dürfen]. | |
Darauf haben sich die rot-grün-rote Koalition und die FDP-Fraktion im | |
Abgeordnetenhaus geeinigt. SPD-Fraktionschef Raed Saleh bestätigte der taz | |
am Donnerstag Informationen zu einem eben solchen Treffen mit | |
FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja. „Es ist gelungen, dass die FDP | |
mitmacht“, sagte Saleh. Ihm zufolge binden die Liberalen daran keine | |
Bedingung. Rund 70.000 junge Menschen würden durch die Änderung zusätzlich | |
wählen können. Bei der jüngsten Wahl gab es in Berlin 2,45 Millionen | |
Wahlberechtigte. | |
Allein kann die Koalition die Neuerung nicht beschließen, weil dafür eine | |
Verfassungsänderung erforderlich ist, bei der im Parlament eine | |
Zwei-Drittel-Mehrheit nötig ist. Darüber verfügen SPD, Grüne, Linkspartei | |
und FDP seit der Wahl im vergangenen September, anders als in der vorigen | |
Wahlperiode. Die Stimmen der bei früheren Debatten über ein niedrigeres | |
Wahlalter ablehnenden CDU sind dafür nicht nötig. Saleh rief deren | |
Fraktions- und Landesvorsitzenden Kai Wegner dennoch auf, sich dem Bündnis | |
für eine Änderung des Wahlalters anzuschließen: „So ein Vorhaben sollte man | |
so breit wie möglich verabreden.“ | |
Im Abgeordnetenhaus verfügen die drei Koalitionsfraktionen zusammen seit | |
Herbst über 92 Sitze. Mit den 12 Mandaten der FDP-Fraktion sind es 104 – | |
sechs mehr als die Zwei-Drittel-Mehrheit erfordert. In der vergangenen | |
Wahlperiode fehlten einem solchen informellen Bündnis vier Stimmen. „Liebe | |
CDU, macht mit“, forderte Saleh seinen CDU-Kollegen Wegner auf. Die CDU | |
habe zwar in der Vergangenheit Gesprächsangebote nicht angenommen, „aber | |
die Tür steht nach wie vor offen“, sagte Saleh. | |
Die Christdemokraten hatten bisher unter anderem damit argumentiert, dass | |
es nicht zusammenpasse, wenn 16-Jährige ein Landesparlament wählen, aber | |
nicht vollumfassend Verträge abschließen dürfen. Die Haltung in der | |
aktuellen CDU-Fraktion ist allerdings offener: Fast die Hälfte ihrer 30 | |
Abgeordneten ist im Herbst neu ins Abgeordnetenhaus gekommen. | |
Fraktionssprecher Olaf Wedekind ging gegenüber der taz davon aus, dass sich | |
die Fraktion bei ihrer nächsten Sitzung am 3. Mai mit dem Thema | |
beschäftigen wird, falls bis dann ein offizieller Antrag vorliegt. | |
SPD-Fraktionschef Saleh hatte nach eigenen Angaben im Auftrag der | |
rot-grün-roten Koalition mit FDP-Mann Czaja gesprochen, zu dem er, wie sich | |
im Parlament immer wieder zeigt, einen guten Draht hat. „Mir persönlich ist | |
das Thema seit vielen Jahren wichtig“, sagt er der taz. Tatsächlich fragte | |
Saleh schon im taz-Sommerinterview 2019 rhetorisch zum Thema Wahlalter: | |
„Wer soll das hinbekommen, wenn nicht Rot-Rot-Grün?“ Der SPD-Landesverband | |
habe sich bereits vor vier Jahren hinter die Forderung nach einem Wahlalter | |
ab 16 Jahren gestellt. Eine Mitgliederbefragung 2015 hatte das noch | |
abgelehnt. | |
## Jusos wollen ab 14 wählen | |
Dass künftig auch unter 18-Jährige das Landesparlament wählen können, ist | |
auch eine langjährige Forderung des SPD-Nachwuchsverbands Jusos. Deren | |
Landesdelegiertenkonferenz hatte sich sogar dafür ausgesprochen, schon ab | |
14 Jahren wählen zu lassen. Für ihre Landeschefin Sinem Tasan-Funke waren | |
die Jusos in der SPD die treibende Kraft hinter der nun verabredeten | |
Absenkung auf 16 Jahre. „Wir sehen das auch als unseren Erfolg, dass das | |
jetzt kommt“, sagt sie der taz. | |
Wenn das Abgeordnetenhaus die Verfassungsänderung tatsächlich, wie von | |
Saleh angestrebt, bis Jahresende beschließt, wäre Berlin das sechste | |
Bundesland, in dem auch 16- und 17-Jährige mit abstimmen dürfen. Das ist | |
bisher in Bremen, Brandenburg, Hamburg und Schleswig-Holstein möglich – und | |
seit Anfang April auch im grün-schwarz regierten Baden-Württemberg. „Wenn | |
die CDU dort zustimmen kann, warum dann nicht auch in Berlin?“, fragte | |
Saleh gegenüber der taz. Im seit 2017 von der CDU geführten | |
Schleswig-Holstein war das Wahlalter 2013 unter der rot-grünen | |
Vorgängerregierung abgesenkt worden. | |
Bei den in Berlin zeitgleich zur Abgeordnetenhauswahl anstehenden Wahlen zu | |
den Bezirksverordnetenversammlungen dürfen 16- und 17-Jährige in Berlin | |
bereits mit abstimmen. „Das hat der Demokratie genutzt und nicht | |
geschadet“, meint Saleh und fordert: „Keine Angst vor Beteiligung!“ Desha… | |
darf die Absenkung des Wahlalters aus seiner Sicht auch nicht auf der | |
Landesebene halt machen: „Perspektivisch müssen wir über das | |
Bundeswahlrecht nachdenken.“ | |
Die auf Bundesebene regierende Ampel-Koalition befürwortet das. Sie hat | |
aber im Bundestag auch mit der Linksfraktion zusammen keine | |
Zwei-Drittel-Mehrheit und wäre, anders als die rot-grün-rote Koalition in | |
Berlin, auf die CDU angewiesen. | |
21 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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