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# taz.de -- Neujahrsvorsätze für die Bewegung: Weniger rauchen, mehr besetzen
> Auch für soziale Bewegungen lohnt es sich Ziele zu formulieren. Hier ein
> paar bescheidene Vorschläge, was wir 2022 alles schaffen könnten.
Bild: Auch 2022 sollen wieder viele Wälder in Deutschland gerodet werden
Was wäre ein Jahreswechsel ohne Neujahrsvorsätze? Ob mehr Sport machen,
weniger trinken, mit dem Rauchen aufhören oder seit langem eingeschlafene
Freundschaften reaktivieren – bei Vorsätzen handelt es sich immer um Dinge,
von denen wir schon lange wissen, dass sie richtig sind, aber bisher aus
verschiedensten Gründen nicht umsetzten konnten. Gleichzeitig gilt es auch,
sich realistische Ziele für das kommende Jahr zu setzen.
Da dies hier eine Kolumne über soziale Bewegungen ist, wird es im folgenden
nicht um neoliberale Selbstoptimierung gehen. Stattdessen gibt es ein paar
(unvollständige) Vorschläge, welche Vorsätze sich die Bewegung für das noch
frische Jahr 2022 nehmen könnte.
## Neue Freiräume erkämpfen
Besonders in den letzten beiden Jahren sind zahlreiche linke Freiräume der
kapitalistischen Stadtverwertung zum Opfer gefallen. Köpi-Wagenplatz,
Meuterei, Drugstore, Potse, Liebig34 – die Liste ist lang. Daher wird es
Zeit, 2022 endlich mal wieder ein paar neue Freiräume zu erkämpfen.
Einen guten Anfang gemacht haben schon die Bewohner:innen des
[1][queerfeministischen Wagenplatzes Mollies]. Nachdem sie von ihrem alten
zu Hause an der Rummelsburger Bucht verdrängt wurden, haben sie nach langer
Suche endlich einen neuen Platz gefunden. Vorraussichtlich Mitte Januar
können die Bewohner:innen dort einziehen.
Damit der Platz wie zuvor wieder zu einem Safer-Space mit Kulturangebot für
Trans*, Inter*, nicht-binäre und viele andere Menschen wird, sammelt das
Kollektiv Spenden für den neuen Wagenplatz ([2][hier geht's zum
Crowdfunding)].
Auch die erfolgreiche Besetzung der Habersaath Straße im Dezember gibt
Hoffnung. Auch wenn es sich laut dem Bezirk Mitte nur um eine
vorrübergehende Lösung handelt, konnten noch vor Silvester die ersten 21
Bewohner:innen einziehen. Da sie zuvor auf der Straße gelebt haben,
benötigen sie zahlreiche Dinge, um ihr neues zuhause wohnlich zu gestalten.
Gefragt sind daher vor allem Sachspenden, wie Geschirr, Steckdosen und
Bettwäsche ([3][Vollständige Liste hier], Abgabe im Kiezbüro der
Habersaathstraße 48).
## Klimakrise stoppen
Machen wir uns nichts vor: Ohne den Druck der Klimabewegung würde auch die
neue Bundesregierung keinen Finger krum machen, um den CO2-Ausstoß
Deutschlands ernsthaft zu reduzieren. Auch die schwache Hoffnung, dass
durch ein Grün geführtes Verkehrsministerium zahlreiche geplante
umweltzerstörende Infrastrukturprojekte überdacht werden, scheint sich erst
einmal erledigt zu haben.
Doch zum Glück gibt es in ganz Deutschland zahlreiche Waldbesetzungen, die
sich dem angesicht der Klimakrise wahnwitzigen Weiter-So entschlossen
entgegen stellen ([4][hier eine Übersicht]). So zum Beispiel im
nordrhein-westfählischen Osterholz, wo 5,5 Hektar gesunder Mischwald
gerodet werden sollen um Platz für die Abraumhalde eines Kalkwerkes zu
machen. [5][Die Besetzung ist akut räumungsbedroht], wer also Lust hat ein
paar Tage im Wald zu verbringen, ist herzlich willkommen.
Auch der Kampf gegen die Kohleförderung geht weiter: Trotz des
beschlossenen Kohleausstiegs und des Pariser Klimaabkommens will das
Cottbusser Braunkohleunternehmen LEAG im Tagebau Nochten bis 2037 weiter
Kohle fördern. Die Cottbusser Umweltgruppe Grüne Liga wehrt sich gegen die
Zerstörung von Wäldern und Dörfern und hat dazu ein Waldstück gepachtet,
dass eigentlich abgebaggert werden soll und nutzt diesen nun für Bildungs-
und Kulturveranstaltungen. Aktuell gibt es im [6][Haus der Demokratie und
Menschenrechte eine Austellung über den Kampf in der Lausitz]; am Montag
gibt es eine Vernissage (Vernissage: Montag, 10. Januar, 19 Uhr, Anmeldung
erforderlich: [7][[email protected]]; Bis 26. Februar, Mo.–Fr.
12–15 Uhr, Greifswalder Straße 4).
## An bestehende Kämpfe anknüpfen
Nicht zuletzt gilt es an bestehende Kämpfe anzuschließen. So wird es auch
dieses Jahr wieder die Luxemburg-Liebknecht Gedenkdemo geben, bei der an
die Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts 1918 gedacht wird. Das
diesjährige Motto ist „Dekolonisierung. Entmilitarisierung. Streik. Für
eine kämpferische Antwort auf jede Krise.“ Obwohl die Demo jedes Jahr
wieder auch ein illustres Publikum von Antizionisten, KPD-Greisen und
[8][FDJ-Cosplayer:innen] anzieht, wäre es Schade das Gedenken an die beiden
Revolutionär:innen einfach obskuren linken Randgruppen zu überlassen
und keine eigenen Akzente zu setzen. [9][So wird es auch einen
antifaschistischen / internationalistischen Block geben] (Sonntag, 9.
Januar, Frankfurter Tor, 10 Uhr).
Ebenfalls schon zu (leider notwendigen) Tradition geworden ist die
Oury-Jalloh-Gedenkdemo in Dessau, die jedes Jahr am 7. Januar dort
stattfindet. Auch heute, 17 Jahre nachdem der Sierra-Leoner gefesselt in
einer Polizeizelle verbrannte, wurde noch keiner der Täter:innen zur
Verantwortung gezogen. Dabei verdichten sich Jahr für Jahr die Hinweise,
dass Oury Jallohs Tod nur Mord gewesen sein könne. Zuletzt wurde im
November [10][ein neues Gutachten veröffentlicht.]
Daher lohnt es sich, weiter Druck zu machen, um die Aufklärung des Falls
voranzutreiben. Von Berlin aus gibt es eine gemeinsame [11][Anreise mit
Bussen] (7. Januar, Ostbahnhof, 10 Uhr, 10€ pro Person, BIPOC frei).
In diesem Sinne – auf ein erfolgreiches 2022.
5 Jan 2022
## LINKS
[1] /Queere-Bauwagensiedlung-in-Berlin/!5745170
[2] https://www.gofundme.com/f/help-queer-wagenplatz-mollies?member=14602295&am…
[3] https://twitter.com/1892hilft/status/1477710974404730883
[4] https://wald-statt-asphalt.net/proteste/
[5] https://osterholzbleibt.org/
[6] https://www.hausderdemokratie.de/Ausstellungen
[7] /[email protected]
[8] /Rosa-Luxemburg-Demo-in-Berlin/!5738916
[9] http://lldemo.fightandremember.org/
[10] /Fall-Oury-Jalloh/!5809374
[11] https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/2021/12/20/abfahrts-infos-berli…
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
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Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
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