| # taz.de -- Aktivistin verteidigt Waldbesetzer: „Klimaschutz wird kriminalisi… | |
| > Marjolein Schlüter von der Wuppertaler Waldschutz-Initiative „Osterholz | |
| > bleibt“ über martialische Polizisten, Kettensägen und Politiker. | |
| Bild: Polizisten führen am Dienstagmorgen einen Aktivisten im besetzten Waldst… | |
| taz: Frau Schlüter, um Platz für die Abraumhalde eines Kalksteinbruchs zu | |
| schaffen, hat die Polizei am Dienstag im [1][Osterholz] in Wuppertal mit | |
| der Räumung von 5,5 Hektar Wald begonnen. Wie sieht es gerade vor Ort aus? | |
| Marjolein Schlüter: Hier kreischen die Kettensägen, fahren schwerste | |
| Maschinen, sogenannte Harvester. Zwar ist unsere Mahnwache abgedrängt | |
| worden. Aber auch aus der Entfernung ist sichtbar, wie der Wald lichter | |
| wird. Allerdings hat die Räumung der Aktivist:innen, die das Osterholz seit | |
| 2019 besetzt hielten, ziemlich lange gedauert. | |
| Bis wann? | |
| Die letzten haben bis Donnerstag durchgehalten. Ihre Baumhäuser wurden | |
| ihnen aber noch am späten Mittwochabend unter den Füßen weggerissen. Das | |
| war eine reine Machtdemonstration: Sie sollten die Nacht in Kälte und Nässe | |
| verbringen müssen. Oder aufgeben. | |
| Wie geht es den Besetzer:innen jetzt? | |
| Manche konnten wegen Unterkühlung nicht mehr laufen, mussten aus dem Wald | |
| getragen werden. Vier Leute sind direkt ins Krankenhaus gebracht worden – | |
| und die anderen wanderten erst einmal für einen Tag in | |
| Gefangenen-Sammelstellen. Klimaschutz wird kriminalisiert. | |
| Inwiefern? | |
| Den Aktivist:innen wird von den Besitzern des Steinbruchs, der Familie | |
| Iseke, Hausfriedensbruch vorgeworfen – und das nur, weil sie den Wald nicht | |
| sofort verlassen haben, nachdem er am Dienstag zur Abholzung eingezäunt | |
| wurde. Ohne die Besetzung aber wären die Bäume schon vor zweieinhalb Jahren | |
| gefällt worden. Das Osterholz sichert unsere Lebensgrundlagen, die wir in | |
| der Klimakatastrophe dringend brauchen. Sein jetzt gerodeter Teil war ein | |
| CO2-Speicher, hat Sauerstoff und Kühle gespendet. Trotzdem hat der Wald | |
| keine Stimme – und die, die ihm eine geben, wandern in den Knast. Für mich | |
| symbolisiert das die völlige Unverhältnismäßigkeit dieses Polizeieinsatzes. | |
| Warum unverhältnismäßig? | |
| Die Polizei war mit Hundertschaften, der Reiterstaffel, mit Hubschraubern | |
| hier. Im Osterholz stand sogar ein Räumpanzer. Ein Panzer! Und das alles, | |
| um Tausende Bäume zu fällen, an deren Stelle Millionen Tonnen Müll, Abraum, | |
| Lehm und Sand aus dem Steinbruch abgekippt werden sollen. Dabei haben wir | |
| schon vor einem Jahr Alternativen aufgezeigt – doch Wuppertals grüner | |
| Oberbürgermeister Uwe Schneidewind hat viel zu spät reagiert. | |
| Was werfen Sie ihm vor? | |
| Wir haben schon im Januar 2021 vorgeschlagen, den Abraum in andere, wenige | |
| Kilometer entfernte Gruben zu bringen. Trotzdem hat er erst im Juli einen | |
| runden Tisch einberufen – dabei hatte die Bezirksregierung Düsseldorf die | |
| Rodung schon im Mai genehmigt. | |
| Schneidewind sagt, die Stadt sei eben nicht für die Genehmigung zuständig – | |
| und verspricht, sich auf Bundesebene für eine Änderung des | |
| Kreislaufwirtschaftsgesetzes und damit für mehr Waldschutz stark zu machen | |
| … | |
| Ich bin gespannt, ob er das schafft. Die Zerstörung von 5,5 Hektar Wald im | |
| Osterholz hat er jedenfalls nicht verhindert. | |
| Aber Verwaltungsgerichte haben die Rodung doch auch für rechtmäßig erklärt? | |
| Ja, weil das Waldstück für den weltweiten Klimawandel angeblich nicht | |
| relevant ist. Wir als Bürgerinitiative halten das für einen Freibrief für | |
| Waldzerstörung überall: Im ostwestfälischen Halle lässt die Süßwarenfirma | |
| Storck gerade 7 Hektar abholzen. Im Dannenröder Wald in Hessen frisst die | |
| Autobahn 49 sogar 85 Hektar. Und bei Vlotho will die bundeseigene Autobahn | |
| GmbH einen Wald roden lassen, nur um zu verhindern, dass Wildschweine auf | |
| die Fahrbahn laufen. Das Osterholz ist überall. | |
| Was machen Sie jetzt? | |
| Wir sind vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Wir versuchen damit, das | |
| bahnbrechende Urteil des höchsten Gerichts von April 2021, nach dem zu | |
| wenig Klimaschutz heute nicht die Freiheitsrechte künftiger Generationen | |
| verletzen darf, auf lokaler Ebene und gegen ein relativ kleines Unternehmen | |
| wie den Kalksteinbruch wirksam werden zu lassen. | |
| Dessen Besitzerfamilie deutet an, dass es künftig keine weiteren Rodungen | |
| geben könnte … | |
| Davon glaube ich kein Wort. Dass es keine weitere Waldzerstörung geben | |
| soll, wird uns schon seit Jahrzehnten immer wieder versprochen. Trotzdem | |
| wird dann doch gerodet. Schon heute sind weitere 20 Hektar Osterholz als | |
| Abgrabungsgebiet ausgewiesen. Wenn wir uns nicht wehren, ist die Zerstörung | |
| auch dieses Walds nur eine Frage der Zeit. | |
| 31 Jan 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Wyputta | |
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