# taz.de -- Osterholz-Wald in Wuppertal: Räumung im Morgengrauen | |
> Das Osterholz in Wuppertal wird gerodet. Seit Dienstag geht die Polizei | |
> gegen Besetzer:innen und Aktivist:innen vor. | |
Bild: Die Polizei begann am Morgen des 25.01.2022 mit der Räumung des besetzte… | |
WUPPERTAL taz | Die Polizei kam schon vor dem Morgengrauen. Ihr Ziel: ein | |
mehr als 5 Hektar großes Waldstück in Wuppertal, das Aktivist:innen im | |
Stadtteil Vohwinkel seit August 2019 besetzt halten. „Schon weit vor sechs | |
Uhr waren die Beamt:innen da“, sagt Marjolein Schlüter, Sprecherin | |
[1][der Bürgerinitiative „Osterholz bleibt]“. Der erste Hinweis auf die | |
Räumung der Baumhäuser kam um 5.12 Uhr über eine SMS-Alarmkette, nachdem | |
Aktivst:innen den Einsatz bemerkt hatten. | |
Schlüter wohnt nur wenige Hundert Meter davon entfernt. Fassungslos sieht | |
sie am frühen Dienstagmorgen Dutzende Polizist:innen, die eine Mahnwache | |
der Bürgerinitiative immer weiter vom „Barrio“, den Baumhäusern der | |
Besetzer:innen, wegdrängen. | |
Während Beamte auf dem Boden sitzende Protestierende wegschleifen, rollen | |
schwerste Maschinen durch den Wald. Bagger räumen Barrikaden weg, schlagen | |
erste Schneisen ins Unterholz. Sofort folgen ihnen große Traktoren, deren | |
Anhänger mit Schotter für Baustraßen beladen sind. „Trotz Klimakatastrophe | |
werden hier fünf Hektar gesunder Mischwald unwiederbringlich zerstört“, | |
sagt Schlüter. „Und das nur, um Abraum, um Lehm und Sand abzukippen. Das | |
macht mich wirklich krank.“ | |
Denn gerodet wird für die Kalkwerke Oetelshofen der Familie Iseke: Die | |
betreibt im Wuppertaler Stadtteil Vohwinkel einen bis zu 180 Meter tiefen | |
Steinbruch – und in dem fallen Millionen Tonnen Abraum an. Um für diesen | |
Platz auf einer Halde zu schaffen, werden im angrenzenden Osterholz jetzt | |
Tausende Bäume gefällt. | |
„Für das Klima ist jeder Baum wichtig“, hält nicht nur Schlüter dagegen. | |
„Eine Schande, ein Armutszeugnis“ sei die Rodung, findet auch die | |
pensionierte Biologielehrerin Ursula Ripke: „Hier wird ein ganzes Ökosystem | |
abgetragen – das ist einfach nur Wahnsinn.“ Und für Hans-Martin Bröcker, | |
dessen Familie seit mehr als 500 Jahren in Vohwinkel lebt, ist der | |
Steinbruch schlicht „Heimatzerstörung“. Schließlich muss das 180 Meter | |
tiefe Loch ständig leer gepumpt werden – und entzieht so der Natur das | |
Wasser. „Hier geht ein Stück unserer Familiengeschichte zugrunde“, sagt | |
Bröcker an der Mahnwache. | |
„Von den Kalkwerken und den Genehmigungsbehörden werden wir seit | |
Jahrzehnten hintergangen“, ärgert sich eine andere Anwohnerin. Schließlich | |
hieß es schon 2005 von der Bezirksregierung Düsseldorf, „eine | |
Inanspruchnahme von weiteren Flächen für die Anlage von Außenhalden“ könne | |
„für die Zukunft nahezu ausgeschlossen werden“. Und 2013 versicherte die | |
Stadt Wuppertal in einem Planfeststellungsbeschluss, eine „erneute | |
Erweiterung bzw. Erhöhung“ der an das Osterholz angrenzenden Halde | |
Oetelshofen sei „nicht möglich“. | |
## Alternativen zur Abholzung gebe es nicht | |
Jetzt wird trotzdem gerodet. „Mit sehr starken Kräften“, darunter auch | |
Kletterspezialisten, sei die Polizei vor Ort, so deren Sprecher Stefan | |
Weiand. Zwar werde der gesamte Einsatz „noch Tage“ dauern. Allerdings ging | |
Weiand davon aus, dass noch bis Dienstagabend die Baumhäuser der | |
Waldbesetzer:innen geräumt werden könnten. Die riefen zwar noch am | |
Morgen aus ihrem Barrio, sie blieben, „bis das Osterholz bleibt“. Doch | |
schon um 14.20 Uhr [2][twitterte die einstige Sprecherin der | |
Braunkohlegegner von Ende Gelände und heutige grüne Bundestagsabgeordnete, | |
Kathrin Henneberger], ein erster Mensch sei von „der Kletterpolizei | |
geräumt, abgeseilt & in Gewahrsam genommen“ worden. | |
Alternativen zur Abholzung gebe es keine, behaupten dagegen die | |
Geschäftsführer aus der Besitzerfamilie Iseke, die in Wuppertal politisch | |
bestens vernetzt ist: In der Bezirksvertretung des Stadtteils Vohwinkel war | |
Kalkwerke-Geschäftsführer Moritz Iseke lange Fraktionssprecher der CDU, saß | |
auch im Umweltausschuss des Wuppertaler Stadtrats. Eine „Innenverkippung“, | |
also die Lagerung von Lehm und Sand im Steinbruch selbst, [3][komme „nicht | |
infrage“]. Den Isekes ist das offenbar schlicht zu teuer. | |
## „Lokaler Filz“ | |
Gescheitert sind auch Pläne, den Abraum in anderen Kalksteinbrüchen zu | |
verkippen. Diskutiert hatte die ein von Wuppertals grünem Oberbürgermeister | |
Uwe Schneidewind einberufener runder Tisch. „Extrem belastend“ sei die | |
Situation auch für ihn persönlich, [4][hatte Schneidewind erklärt]. Am | |
Montag und Dienstag war der Grüne, der vor seiner auch von der CDU | |
unterstützten Wahl zum Rathauschef 2020 Präsident des renommierten | |
Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie war, allerdings nicht | |
erreichbar. | |
Aktivist:innen wie Marjolein Schlüter sind von Schneidewind deshalb | |
mehr als enttäuscht und sprechen von „lokalem Filz“. Für erfolglos halten | |
sie ihren Protest trotzdem nicht: „Der Klimawandel hat die Menschen | |
aufgerüttelt“, sagt der Anwohner Hans-Martin Bröcker: „Noch einmal kommen | |
die Kalkwerke mit einer solchen Waldzerstörung nicht durch.“ | |
25 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://osterholzbleibt.org/ | |
[2] https://twitter.com/KathrinAnna?ref_src=twsrc%5Egoogle%7Ctwcamp%5Eserp%7Ctw… | |
[3] https://oetelshofen.de/Aktuelles/News/Osterholz-Teilrodung-unausweichlich | |
[4] /Protest-gegen-Rodung-fuer-Kalkwerk/!5825355 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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