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# taz.de -- BVerfG zu Menschen mit Behinderung: Klare Triage-Regeln müssen her
> Werden Intensivbetten knapp, stehen Ärzt:innen vor harten
> Entscheidungen. Menschen mit Behinderung müssen dabei besonders geschützt
> werden, entschied nun das BVerfG.
Bild: Wer kriegt ein Intensivbett? Notaufnahme einer Klinik in Herten, Nordrhei…
Karlsruhe dpa/afp | Der Gesetzgeber muss Vorkehrungen zum Schutz von
Menschen mit Behinderung für den Fall der Triage treffen. Andernfalls
bestehe das Risiko, dass Menschen in einer Triage-Situation wegen einer
Behinderung benachteiligt werden, betonte das Bundesverfassungsgericht in
Karlsruhe in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss. Auch die
Ärzt:innen bräuchten Unterstützung, um [1][die dann anstehenden schweren
Entscheidungen] zu treffen.
Aus dem Schutzauftrag wegen des Risikos für das höchstrangige Rechtsgut
Leben folge eine Handlungspflicht für den Gesetzgeber, so das BVerfG
weiter. Diese habe der Gesetzgeber bisher verletzt, weil er keine
entsprechenden Vorkehrungen getroffen habe. Er müsse dieser Pflicht [2][in
Pandemiezeiten] nachkommen. Bei der konkreten Ausgestaltung habe er
Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum. (Az. 1 BvR 1541/20)
Das Wort Triage stammt vom französischen Verb „trier“, das „sortieren“…
„aussuchen“ bedeutet. Es beschreibt eine Situation, in der Ärzt:innen
entscheiden müssen, wen sie retten und wen nicht – zum Beispiel, weil so
viele schwerstkranke Corona-Patient:innen in die Krankenhäuser kommen, dass
es nicht genug Intensivbetten gibt.
Neun Menschen mit Behinderungen und Vorerkrankungen haben
Verfassungsbeschwerde eingereicht. Sie befürchten, von Ärzt:innen
aufgegeben zu werden, wenn keine Vorgaben existieren. Das höchste deutsche
Gericht gab ihnen nun Recht. Niemand dürfe wegen einer Behinderung bei der
Zuteilung überlebenswichtiger, nicht für alle zur Verfügung stehender
intensivmedizinischer Behandlungsressourcen benachteiligt werden.
Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin
(Divi) hat mit anderen Fachgesellschaften „Klinisch-ethische Empfehlungen“
erarbeitet. Die Kläger:innen sehen die dort genannten Kriterien mit
Sorge, weil auch die Gebrechlichkeit des Patienten und zusätzlich
bestehende Krankheiten eine Rolle spielen. Sie befürchten, aufgrund ihrer
statistisch schlechteren Überlebenschancen immer das Nachsehen zu haben.
## Allein die kurzfristigen Überlebenschancen sind relevant
Das Verfassungsgericht erläuterte, die Empfehlungen der Divi seien
rechtlich nicht verbindlich und „kein Synonym für den medizinischen
Standard im Fachrecht“. Zudem weist es auf die möglichen Risiken bei der
Beurteilung hin, die sich aus den Empfehlungen ergeben könnten. Es müsse
sichergestellt sein, „dass allein nach der aktuellen und kurzfristigen
Überlebenswahrscheinlichkeit entschieden wird“.
Der Gesetzgeber habe mehrere Möglichkeiten, dem Risiko einer
Benachteiligung wegen einer Behinderung bei der Zuteilung pandemiebedingt
knapper intensivmedizinischer Ressourcen wirkungsvoll zu begegnen, befand
das Gericht. Als Beispiel wurden Vorgaben für ein Mehraugen-Prinzip bei
Auswahlentscheidungen genannt oder Regelungen zur Unterstützung vor Ort.
„Der Gesetzgeber hat zu entscheiden, welche Maßnahmen zweckdienlich sind“,
hieß es in der Mitteilung.
Die Verfassungsbeschwerde ist schon seit Mitte 2020 in Karlsruhe anhängig.
Damit verbunden war auch ein Eilantrag – den die Richter:innen des
zuständigen Ersten Senats unter Gerichtspräsident Stephan Harbarth
allerdings abgewiesen hatten. Sie teilten damals mit, das Verfahren werfe
schwierige Fragen auf, die nicht auf die Schnelle beantwortet werden
könnten.
28 Dec 2021
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