# taz.de -- Fachgespräch über Triage-Urteil: Ausschuss reagiert auf Kritik | |
> Der Gesundheitsausschuss lädt zu Gesprächen. Zunächst vergessen: | |
> Selbstvertretungsorganisationen von Menschen mit Behinderung. | |
Bild: Beatmungsgerät an einem Coronapatienten | |
Der Gesundheitsausschuss des Bundestags hat nun doch ein Mitglied einer | |
Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung zum Fachgespräch über | |
Triage eingeladen: Horst Frehe soll als Vorstand der Interessenvertretung | |
„Selbstbestimmt Leben in Deutschland“ teilnehmen. Zuvor hatte die Liga der | |
Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung kritisiert, dass keine | |
Selbstorganisation beim Fachgespräch eingeladen waren. | |
Das Gespräch soll am 16. Februar stattfinden und behandelt das Urteil des | |
[1][Bundesverfassungsgerichts zur Triage] aus dem vergangenen Dezember. | |
Triage meint, dass die medizinischen Kapazitäten fehlen, um alle | |
Patient*innen zu versorgen. Zum Teil geht es dabei um Leben und Tod. | |
Eine Gruppe behinderter Menschen war besorgt, dass sie benachteiligt werden | |
könnten und klagte. Das Bundesverfassungsgericht gab ihnen recht. Bisher | |
gab es nur [2][eine Empfehlung des Interdisziplinären Vereinigung für | |
Intensiv- und Notfallmedizin (Divi)]. Die sei aber ein Einfallstor für | |
Diskriminierung. Das Gericht forderte, unverzüglich ein Gesetz zu schaffen. | |
Auf der Sachverständigenliste des Gesundheitsausschusses standen bisher | |
fünf Gruppen oder Personen. Als letzte in der Liste stand die Richterin und | |
Behindertenaktivistin Nancy Poser, die unter anderem gegen die bisherige | |
Regelung geklagt hatte. Vor ihr gelistet waren: die Bundesärztekammer, die | |
Divi, ein Mitglied des Ethikrats und eine Münchener Oberärztin, die sich | |
mit klinischer Ethik befasst. | |
## Sie komme sich vor wie ein „Alibi“ | |
Für Sigrid Arnade, Sprecherin der Liga, sind diese vier „ausdrücklich die | |
Falschen, um über das Gesetz zu beraten.“ Sie unterstelle ihnen nicht, dass | |
sie etwas Schlechtes im Sinn hätten. Aber das Bundesverfassungsgericht habe | |
ihren Positionen eine Absage erteilt. Arnade kritisiert, dass die Argumente | |
der Selbstvertretungen im Fachgespräch offenbar einen Randaspekt | |
einnehmen. | |
Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) ist stellvertretende Vorsitzende des | |
Gesundheitsausschusses. Sie erklärt, das Fachgespräch sei eine erste | |
Befassung mit dem Thema Triage. Danach werde es „eine öffentliche Anhörung | |
im Gesundheitsausschuss geben“. Sie sei aber froh, dass Nancy Poser ihre | |
Position im Ausschuss darstellen werde. | |
Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, verweist | |
darauf, dass seine Fraktion Poser als Expertin empfohlen hatte. | |
„Ausdrückliches Anliegen der Union war es, die Perspektive von Menschen mit | |
Behinderung angemessen zu repräsentieren.“ | |
Nancy Poser sagte hingegen der taz, sie komme sich vor wie ein „Alibi“. | |
Auch sie kritisiert, dass vor allem die medizinische Perspektive zu Wort | |
komme. Dabei sei aber eine gesellschaftliche Diskussion nötig. | |
Dass keine Organisationen von Menschen mit Behinderung eingeladen wurden, | |
hält sie für ein schlechtes Zeichen. Sie hofft, dass das Gesetz trotzdem | |
vor Diskriminierung schützt. „Sonst müssen wir ja wieder nach Karlsruhe.“ | |
Dass der Ausschuss auf die Kritik reagierte und den Vorstand Horst Frehe | |
einlud, begrüße sie. Aber es sei doch bezeichnend, dass es erst die Kritik | |
gebraucht habe. | |
11 Feb 2022 | |
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## AUTOREN | |
David Muschenich | |
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