| # taz.de -- Georg-Elser-Halle in Hamburg: Culturewashing mit Hitler-Attentat | |
| > Eine neue Veranstaltungshalle in Hamburg ist nach Georg Elser benannt. | |
| > Taugt der Nazi-Bunker als Gedenkort für einen Widerstandskämpfer? | |
| Bild: Aufs Dach kommt die Georg-Elser-Halle: Bunker-Baustelle auf dem Hamburger… | |
| Bitte vormerken: Für Herbst 2022 ist ein Konzert in der Georg-Elser-Halle | |
| in Hamburg angekündigt. Ganz beiläufig taucht der Name des neuen | |
| Veranstaltungsraums auf. Die Georg-Elser-Halle liegt auf dem [1][Bunker in | |
| der Feldstraße 66] in Hamburg, ist also Teil der Bunkeraufstockung. Ihr | |
| Betreiber, der Club-Manager Wolf von Waldenfels (*1960) – ja, der vom | |
| Phonodrome, vom Powerhouse, dem Uebel & Gefährlich und dem Golem und bis | |
| 2020 im Vorstand des Clubkombinat Hamburg e.V. – betreibt die Halle über | |
| seine eigens dafür gegründete HighGroundGardens Event GmbH, deren | |
| Miteigentümer und Geschäftsführer er ist. Bis zu 2.200 Gäste bzw. 1.300 in | |
| der „Half-House“-Variante fasst die neue Stadtteil- und Musikhalle, die ab | |
| dem zweitem Quartal 2022 „alle Facetten kulturellen Lebens zelebrieren“ | |
| soll. | |
| Der Hochbunker in St. Pauli, dieser [2][weithin sichtbare Koloss], erinnert | |
| an die militärische Aggressivität und Gewalt des Nationalsozialismus. 1942 | |
| innerhalb eines knappen Jahres von Zwangsarbeitern errichtet, bot er im | |
| Sommer 1943 bis zu 25.000 zusammengedrängten Menschen Schutz vor den | |
| Luftangriffen der „Operation Gomorrha“. Mit dem Bau wie mit seiner Nutzung | |
| war also unendliches Leid verbunden. | |
| Zugleich sollte die schnelle Errichtung und monströse Präsenz die | |
| Wehrhaftigkeit der Heimatfront demonstrieren. Unmittelbar nach Kriegsende | |
| 1945 lebten hier Ausgebombte. Dann siedelten sich Medienunternehmen an, | |
| darunter der Nordwestdeutsche Rundfunk. [3][F.C. Gundlach gründete hier | |
| seine legendäre Foto-Firma PPS]. Der Bestandsbau hat aktuell rund 40 | |
| Mieter, darunter der Musikclub Uebel & Gefährlich und das Ensemble | |
| resonanz. Mahnmal, Kulturstätte und Geschäftsort zugleich, gehört er | |
| inzwischen – wahrlich unverrückbar – zur Hamburger Kultur- und Medienszene. | |
| ## Verändern und gedenken | |
| Der Name Georg-Elser-Halle sei laut Information des Betreibers bewusst | |
| gewählt: „Ohne Alt kein Neu. Wir wollen diesen Ort verändern, ohne das | |
| Gedenken abzumildern. Im Bunker gibt es also fortan einen weiteren | |
| kulturellen Ort, der nicht vertuscht, was war, und ein neuer Ort für | |
| friedliche Begegnungen wird. Auf Konzerten, bei Sportveranstaltungen, | |
| Indoor-Flohmärkten und Messen.“ | |
| Der Schreiner [4][Georg Elser] (*1903) verübte am 8. November 1939 im | |
| Münchner Bürgerbräukeller ein Bomben-Attentat auf Adolf Hitler und die | |
| anwesende nationalsozialistische Führungsspitze. Das Attentat scheiterte, | |
| weil Hitler und sein Gefolge das Gebäude wenige Minuten früher als geplant | |
| verließen. 8 Menschen starben. Elser wurde gefasst und am 9. April 1945 im | |
| KZ Dachau ermordet. | |
| „Wir errichten auf einem Mahnmal eine Halle für Vergnügen, Kultur, Musik | |
| und den Stadtteil, in dem die Halle steht. Passt das zusammen?“ Diese | |
| rhetorische Frage des Betreibers wird umgehend beantwortet. Der Name des | |
| Widerstandskämpfers gegen den Nationalsozialismus und Hitler-Attentäters | |
| ermögliche, dass „die Halle, der Ort, der Bunker auf dem Heiligengeistfeld | |
| ein Mahnmal bleibt, und ein Held die Aufmerksamkeit bekommt, die ihm lange | |
| verwehrt wurde.“ | |
| Urte Ußling vom [5][Hilldegarden e.V.], der einen Informations- und | |
| Erinnerungsort einrichten wird, um die Geschichte des Bunkers in ihrer | |
| Vielschichtigkeit sichtbar zu machen, sieht „die Namensgebung grundsätzlich | |
| positiv, weil sie den Zusammenhang zwischen dem Nationalsozialismus und dem | |
| historischen Gebäude herstellt.“ Es dürfe aber nicht vergessen werden, | |
| „dass Unschuldige bei dem Attentat von Georg Elser ums Leben gekommen sind. | |
| Ob unser Informations- und Erinnerungsort einen Namen bekommt, ist offen.“ | |
| ## Auf der guten Seite | |
| Werden Aufstockung und Begrünung aus dem grauen Koloss eine grüne Oase | |
| machen, wie die Eigenwerbung verheißt? Und wird die Georg-Elser-Halle die | |
| Erinnerung an eine einmalige Widerstandsaktion wach halten und sie in die | |
| Stadtgesellschaft tragen? Auf Nachfrage heißt es aus dem Bezirk Mitte: „Es | |
| gab keine Abstimmung zur Benennung der Halle. Wir haben nur davon gehört. | |
| Es freut uns selbstverständlich sehr, dass ein weiterer Gedenkort an den | |
| mutigen Widerstandskämpfer Georg Elser in Hamburg existiert, der ihn als | |
| Person ehrt.“ | |
| Diese Entscheidung macht gleich mehrere Dilemmata im Umgang mit | |
| Namensgebungen und historisch belastetem Gelände sichtbar: Sie erfolgte | |
| offenbar ohne Bezug oder Austausch mit der zeitgleich vorgenommenen | |
| Benennung des Georg-Elser-Platzes in der Hamburger Neustadt. Sie steht für | |
| den Versuch, den widerständigen Elser, den Antipoden des Bunkers, in eben | |
| diesen zu inkorporieren. Ist es nicht verwegen, obschon gut gemeint, mit | |
| der Georg-Elser-Halle das historisch kontaminierte Bunkergelände gleichsam | |
| umzuwidmen, auf dem sie errichtet ist? Der Wunsch ist jedenfalls | |
| offenkundig, mit dem Gedenken an einen Widerstandskämpfer auf der | |
| richtigen, der besseren Seite der Geschichte zu stehen. | |
| 21 Dec 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Prozess-um-Feldstrassenbunker/!5700787 | |
| [2] https://www.hamburg.de/sehenswuerdigkeiten-erlebnis/10445612/bunker-feldstr… | |
| [3] /Nachruf-auf-FC-Gundlach/!5385416 | |
| [4] /Denkmal-fuer-Hitler-Attentaeter/!5635539 | |
| [5] https://www.hilldegarden.org/ | |
| ## AUTOREN | |
| Frauke Hamann | |
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