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# taz.de -- Grüne Träume auf dem Bunkerdach: Bergpfad mit Aussicht
> In Hamburg-St. Pauli steht ein riesiger Flakbunker aus dem Zweiten
> Weltkrieg. Auf sein Dach soll eine Konzerthalle kommen – und ein Park.
Bild: Der Traum vom Grün
Hamburg taz | Mitten in Hamburg, am Rande des Heiligengeistfelds, auf dem
dreimal im Jahr der Jahrmarkt mit seinem Riesenrad leuchtet, steht ein
Koloss aus der Nazizeit: der Flakbunker Feldstraße. Grauer Beton, so hoch
das Auge reicht, meterdicke Wände. Oben sind noch die vier Türme zu sehen,
in denen die Geschütze untergebracht waren.
Viele Mieter hat der Bunker im Laufe der Zeit gesehen: Fernsehstudios, die
nach dem Krieg dort einzogen, die Bild-Zeitung mit dem jungen Axel Cäsar
Springer war dort und die legendären Studios des Fotografen F. C. Gundlach.
Sie alle sind längst weg, aber der Bunker ist geblieben, trutzig, kolossal,
unzerstörbar.
## Stahlstreben, in Beton gerammt
Hässlich, wie er ist, hat sich die Stadt an seinen Anblick gewöhnt, doch
seit einiger Zeit sind [1][Veränderungen in Gange]. Der Weg zum
Bunkereingang ist nur noch schwer zu finden, weil überall Absperrgitter
stehen, während hoch oben, auf dem Bunkerdach, wo früher manchmal lauschige
Konzerte vor kleinem Publikum stattfanden, eine gigantische Pyramide
gewachsen ist, aus übereinander geschichteten Stockwerken, die sich nach
oben verjüngen.
Der Bunker in der Feldstraße ist eine Baustelle, doch an der Frage, was
hier eigentlich gebaut wird, scheiden sich die Geister. Beim Gang um den
Koloss herum, vorbei an den noch geschlossenen Buden des Jahrmarkts, vor
denen es noch ganz leicht nach Schmalzfett riecht, sind an den Bunkerwänden
Stahlträger zu erkennen, die in den Nazi-Beton hineingerammt worden sind
und einige Meter nach außen ragen. Sie stützen einen Aufgang, der vom Boden
ausgehend einmal um den Bunker herum bis zum Dach führen und es für die
Öffentlichkeit begehbar machen soll.
## Kolorierte Visionen auf dem Dach
Denn, das ist die Vision, wie sie seit Jahren in der Stadt visuell präsent
ist mit immer demselben, kolorierten Bild, verbreitet durch die
Lokalpresse, auf Plakaten und im Internet: Der Bunker soll einen Dachgarten
bekommen, ach was, einen Park auf dem Dach. „Begrünung“ ist für das
Vorhaben noch viel zu milde ausgedrückt. Was hier kommt, sei, so
[2][jubilierte das Hamburger Abendblatt], „Hamburgs kleines Weltwunder“.
Im Prinzip, so die Pläne der Landschaftsarchitekten, soll der komplette
Bunkeraufbau, der das Gebäude von seiner ursprünglichen Höhe von 37 Metern
auf 58 Meter bringt, mit Grün überzogen werden: Bäume, Büsche,
Kletterpflanzen.
Der Bewuchs soll schon bei dem sich um den Bunker herumwindenden
Aufgangsweg, von den Planern liebevoll „Bergpfad“ genannt, beginnen, sich
auf dem Dach dort fortsetzen, wo der Aufbau einen Rand frei lässt, die
Fassaden und Terrassen des Aufbaus selbst besetzen und natürlich am Ende
den Park ganz oben bedecken, von dem der größere Teil als „Stadtteilfläche…
ausgewiesen ist.
900 Menschen, so heißt es, sollen dereinst auf dem Dachgarten Platz haben,
doch irgendwie, das ließen die Architekten schon durchblicken, müsste der
Zugang auch begrenzt werden, sonst wird der Druck der Menschenmassen auf
das Gebäude zu groß, und mehr passen da oben auch nicht hin.
2.000 Menschen dagegen sollen in die Konzerthalle gehen, die oben auf dem
Dach entsteht, und etwas über 130 Zimmer soll das Luxushotel haben, das in
die Stockwerke über der Konzerthalle einziehen wird.
## Bröckelnder Widerstand
Eine Konzerthalle und ein Hotel, genau das war vor Jahren, als die Pläne
zur Bunkerbegrünung aufkamen, der Albtraum mancher Menschen aus den
umliegenden Vierteln, die sich in der [3][Feldbunker-Initiative
zusammengetan hatten]. Sie befürchteten noch mehr Tourismus, noch mehr
Verkehr auf St. Pauli und im gegenüberliegenden Karoviertel, doch ihre
Stimmen sind verstummt.
Auch bei den jetzigen Mietern des Bunkers, die sich den verwinkelten,
betongedämmten Etagen niedergelassen haben, viele von ihnen aus der
Kreativbranche, ist allenfalls leises Murren zu hören, wegen der
Bauarbeiten, wegen des Lärms. Aber bleiben wollen sie alle. „Ist doch gut,
wenn viele Leute kommen“, sagt einer der jungen Männer am Tresen des
Fitnessstudios, das im ersten Stock neu eröffnet hat, gegenüber dem
„Resonanzraum“, der Heimat des Hamburger Kammerorchesters „Ensemble
Resonanz“, das im Inneren gerade Probe hat.
Vor zwei Wochen sind die ersten paar Bäume angeliefert worden, unter großem
Medienauftrieb wurden sie [4][aufs Dach gehievt]. Es handelt sich um
Bergkiefern, wegen der Winde und des rauen Klimas auf dem Dach passen sie
da gut hin.
4 Dec 2022
## LINKS
[1] /Wie-man-ein-Mega-Bauprojekt-durchsetzt/!5288822
[2] https://www.abendblatt.de/hamburg/article236865593/gruener-bunker-hamburgs-…
[3] http://feldbunker.de/impressum/
[4] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/St-Pauli-Gruener-Bunker-bekommt-erst…
## AUTOREN
Daniel Wiese
## TAGS
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