Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Biopic über Aretha Franklin in Kinos: Singen für die Anerkennung
> Regisseurin Liesl Tommy hat mit dem Film „Respect“ eine Hommage an
> Soul-Legende Aretha Franklin inszeniert – stimmlich gut, doch politisch
> harmlos.
Bild: Jennifer Hudson in der Rolle der „Queen of Soul“, Aretha Franklin, in…
Respekt wollen sie beide. Der Mann und die Frau. [1][Otis Redding], der den
Song geschrieben hat, und Aretha Franklin, mit deren Version von „Respect“
ihr zehntes Studio- und erstes Hitalbum „I Never Loved a Man the Way I Love
You“ beginnt.
Die Unterschiede in ihren Versionen sind subtil – und riesengroß: „All I�…
asking / Is for a little respect / When I come home“ singt Redding, ganz
der selbstverständliche Breadwinner. Schließlich ist er „about to give you
all my money“. Dafür darf man auch mal einfordern. „Give it to me baby /
Everything I need“, beschließt Redding seinen Aufruf und lässt in der
Schwebe, worauf er anspielt.
1965 war das, Aretha Franklin, 23 Jahre alt, hatte alles Mögliche von
Männern bekommen. Respekt war selten darunter: Die Zeit ein paar Jahre vor
und einige Jahre nach Franklins Durchbruch als Sängerin beschreibt Liesl
Tommys Biopic „Respect“. Franklin wächst bei ihrem Vater (Forest Whitaker)
auf – ein präsenter Mann und beliebter Baptisten-Reverend, voluminöse
Stimme, feste Meinung, strenge Regeln.
Dass Franklin mit zwölf Jahren das erste Mal und mit fünfzehn das zweite
Mal schwanger wurde und zwei Söhne bekam, zementiert den Missbrauch, der
ihr vermutlich durch einen Besucher im Hause der Familie angetan wurde und
über den sie zeit ihres Lebens offiziell nicht sprach.
## Tiefer Glaube, geliebte Gospel
Liesl Tommys zweieinhalbstündige Inszenierung nach einem Drehbuch von Tracy
Scott Wilson erwähnt die beklemmenden Teenage-Schwangerschaften demzufolge
nur kurz, beschäftigt sich länger mit dem Tod von Franklins musikalisch
ebenfalls hochbegabter Mutter (Audrey MacDonald), der die junge Aretha für
eine Weile verstummen ließ.
Das Singen in der Kirche ihres Vaters habe sie wieder zum Leben erweckt,
ihre Stimme quasi auferstehen lassen, so lautet Tommys (und sämtlicher
Christ:innen) Heilsversprechen. Es ist die übliche Methode: „I was lost /
But now am found“, heißt es in „Amazing Grace“, einem von der tiefgläub…
Franklin geliebten Gospel.
Doch 1965 steckt Franklin mitten in einer stotternden Karriere fest. Neun
Platten, kein echter Hit, despektierliche Behandlungen durch ihren Vater,
der sie von Konzert zu Konzert schickte, und durch das New Yorker Label
Columbia; schlechter Männergeschmack. Franklin und ihr latent gewalttätiger
Ehemann und Manager Ted White (Marlon Wayans) fahren in den tiefen Süden,
ins Herz des Rassismus, zum Studio Muscle Shoals. Dort wird Aretha
gemeinsam mit einer kongenialen Rhythmusgruppe (weiß, männlich) einen neuen
Sound erfinden, so erzählt es der Film.
Und Arethas im Jahr 1967 entstandene Version von Reddings „Respect“
spiegelt dazu, was Tommy und Wilson als Emanzipationsdramaturgie
präsentieren: „All I’m asking / Is for a little respect / When you get
home“, singt Aretha zwar und stellt damit oberflächlich betrachtet nicht in
Frage, wer zum Brötchenverdienen unterwegs war – sie, die Künstlerin, die
bei [2][ihrem Tod 2018] ein 80 Millionen Dollar-Vermögen hinterließ.
Doch dann erklärt sie: „I’m gonna give you / All of my money / All I’m
asking / In return honey / Is to give me my propers“ – Anerkennung. „Whip
it to me“, verlangt die Pastorentochter so frivol, wie ihre Erziehung es
erlaubt, während ihre Schwestern das charakteristische „Re-Re-Re“ anfügen.
(„Re-Re“ war übrigens Arethas Kosename.) „R-E-S-P-E-C-T, take care, TCB�…
heißt es am Ende. „Taking Care of Business“ ist ebenfalls ein Slangwort f�…
Sex – es ist ein weiter Weg aus der Kirche des Vaters in Richtung
Empowerment. Und der Glaube ging ihn mit.
## Spirituelle Prägung
„Sie ist das Role Model für jedes schwarze Chormädchen“, sagt Jennifer
Hudson, die Darstellerin von Franklin und für ihre Rolle in „Dreamgirls“
oscarprämierte Sängerin, im Zoom-Interview, „sie als schwarze Frau, als
Christin zu sehen, die ihren Weg geht, gegen alle Hindernisse … to walk in
her faith inspires me“. Auch Hudson kommt aus einer Baptistenfamilie.
In langen Szenen und transzendenten Schwenks inszeniert Tommy Franklins
spirituelle Eindrücke von den Gemeindegottesdiensten ihrer Kindheit, bis
1972, zur Aufnahme [3][des aus technischen Gründen erst 2018
fertiggestellten Dokumentarfilms „Amazing Grace“], der Franklin damals das
meistverkaufte Gospelalbum aller Zeiten bescherte. Die Veröffentlichung des
Films hatte die Künstlerin jedoch zu Lebzeiten verhindert. Tommys Film
setzt den „Respect“ wie eine Katharsis ans Ende: nicht mehr lost, sondern
found. Amen.
Hudson, deren Stimme völlig anders, aber mühelos und kraftvoll klingt wie
Franklins, wirkt in diesen Szenen ebenso entrückt. Sie sang alle Songs live
on set: „Ich wollte keine Nachsynchronisation“, sagt Liesl Tommy, eine
Musicalregisseurin, die mit „Respect“ den ersten Film inszenierte. „Weil
ich von der Bühne komme, ist das für mich einfach undenkbar. Darum war das
Stimmencasting essenziell.“
Die im Film singen, können das imponierend gut: Audrey MacDonald, Arethas
„Mutter“, hat sieben Tony Awards, ihre „Schwestern“ sind versierte
Sängerinnen. Dass die irgendwann tatsächlich empowerte Franklin zu
Lebzeiten testamentarisch bestimmte, ausschließlich von Jennifer Hudson
gespielt werden zu dürfen, sollte es einmal zu dem von Franklin lange
ersehnten Biopic kommen, darauf sind Tommy und Hudson stolz.
## Wenig spürbar vom Aufruhr
Neben der stimmlichen Sensibilität geht es Tommy, deren Tony Award für das
feministische, in Liberia spielende Musical „Eclipsed“ 2017 der erste für
eine Regisseurin of color war, um Politik: Franklin, die Martin Luther King
über ihren Vater gut kannte, verfolgte eine politische Agenda, wollte die
Bürgerrechtsbewegung unterstützen. Doch hier hat der Film Mühe, den
richtigen Ton zu finden, er bleibt vorsichtig und harmlos. Anstatt
gesellschaftliche Wut und Trauer zu zeigen, gibt es ein paar Gespräche
zwischen Franklin und King, wenig spürt man vom tatsächlichen Aufruhr, der
durch das Land ging und noch immer geht.
Gerade in den Szenen, die Franklins direkte Rassismus-Erfahrungen
illustrieren – beispielsweise ein weißer Labelchef, der sie beim Vornamen
nennt – hält sich Hudson als Franklin zurück, lässt die Regisseurin andere
agieren. Das mag eine Methode sein, um auf das noch schlafende
Selbstbewusstsein der Sängerin hinzuweisen.
Es macht aber die Filmfigur Franklin langweiliger, als die echte vermutlich
war: Ein bisschen wirkt es, als sei Tommy nichts mehr eingefallen, was sie
ihrer Heldin – außer dem nicht weiter erwähnten Trauma, dem musikalischen
Genius und der Schwäche für gemeine Männer – mitgeben kann. Übrig bleibt
die alte, oft kolportierte und zumindest fragwürdige Mär von der echten
Kunst, die nur aus echtem Leid entstehen kann.
Tommy scheitert zudem an der Darstellung von Franklins fatalen Beziehungen,
die oft von Gewalt und Obsession geprägt waren – ihre Bilder und
Szenenideen wirken eher pathetisch als kaputt, lassen das slicke
Musicalbühnenbild mit seiner oft eingebauten Konventionalität erahnen.
Sogar Franklins Tiefpunkte mit zu viel Alkohol und verschmiertem Make-up im
Bett einer opulenten Villa sehen aus wie Klischees: Die Regisseurin scheint
sich, aus lauter „Respect“, nicht richtig an eine vielleicht
unsympathische, ambivalente Seite ihrer Protagonistin heranzutrauen.
Eine Hommage ist eben eine Hommage und kein Porträt. Immerhin: So schwach
der Film in den Zwischentönen ist, so stark wirkt er auf der restlichen
musikalischen Ebene. Denn singen, oder besser: lobpreisen können dort
wirklich alle.
24 Nov 2021
## LINKS
[1] /50-Todestag-von-Otis-Redding/!5464474
[2] /Nachruf-auf-Aretha-Franklin/!5528804
[3] /Film-Aretha-Franklin-Amazing-Grace/!5641254
## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
Gospel
Musik
Soul
Glaube
Martin Luther King
Spiritualität
Kolumne Großraumdisco
Spielfilm
Kino
Schwerpunkt Rassismus
Nachruf
## ARTIKEL ZUM THEMA
Frauen im Jazz: Außerirdische und all that Jazz
In Deutschland sind es beim Jazz nur 20 Prozent Frauen, die die Musik
machen. Das Berliner Rejazz-Festival will an dieser Zahl etwas ändern.
Kristen Stewart als Lady Di in „Spencer“: Hier läuft etwas gewaltig schief
Das Gefühl, angestarrt und überwacht zu werden, trifft Stewart in „Spencer�…
genau. Pablo Larraín erzählt in dem biografischem Drama von Lady Di.
Nachruf auf Sidney Poitier: Der Mann, der Mister Tibbs war
Der Vorwurf, er sei doch nur der schwarze Star, den das weiße Publikum
liebe, traf ihn schwer. Nachruf auf den großen Schauspieler Sidney Poitier.
Doku über Sängerin Billie Holiday: Magie und Masochismus
Der Dokumentarfilm „Billie – Legende des Jazz“ nähert sich der US-Sänge…
Billie Holiday über Bande. Vieles an der Künstlerin bleibt rätselhaft.
Nachruf auf Aretha Franklin: Die größte Soulistin der Welt
Die Soulsängerin Aretha Franklin war eine Lust auf der Bühne, ein Manifest
des Eigensinns. Und die Antithese zu allem, wofür Trumps Amerika steht.
80. Geburtstag von Nina Simone: Sie bringt eben alle zusammen
Hommage an eine Kämpferin: „To be free: The Nina Simone Story“ heißt die
Ablum-Box, die zum 80. Geburtstag der Sängerin und Pianistin erscheint.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.