| # taz.de -- 80. Geburtstag von Nina Simone: Sie bringt eben alle zusammen | |
| > Hommage an eine Kämpferin: „To be free: The Nina Simone Story“ heißt die | |
| > Ablum-Box, die zum 80. Geburtstag der Sängerin und Pianistin erscheint. | |
| Bild: „Ich trinke auf dich, Nina!“, schreibt Ndegeocello in ihren Liner Not… | |
| Irgendwann im Jahr 1969 stand Nina Simone auf einer Bühne in New York, die | |
| dunklen Haare kurz geschnitten, tiefschwarzer Eyeliner, baumelnde Ohrringe, | |
| weißer, schulterfreier Anzug, und tanzte mit rollenden Bewegungen, wie eine | |
| selbstvergessene, rhythmusaffine schöne Schlange. Vorher hatte sie in einem | |
| Interview, das in der Emmy-nominierten Dokumentation „A Historical | |
| Perspective“ zu sehen ist, über das Gefühl der Gemeinsamkeit mit dem | |
| Publikum gesprochen: „Wenn alle, alle mitgrooven, nur dann bin ich | |
| glücklich.“ | |
| Der Dokumentarfilm, aus dem diese Szene ist, liegt der von Sony Music zum | |
| Geburtstag der Künstlerin neu aufgelegten Drei-Album-Box „To be free: The | |
| Nina Simone Story“ bei und erklärt vieles. Denn Simone, die am 21. Februar | |
| vor 80 Jahren geboren wurde und vor zehn Jahren in ihrer Wahlheimat | |
| Frankreich nach einer langjährigen Brustkrebserkrankung starb, war | |
| meilenweit vom gefälligen „My Baby Just Cares For Me“-Swing entfernt. | |
| Der Song, den sie 1958 für ihr Debütalbum aufnahm, enthält eigentlich schon | |
| das ganze Nina-Simone-Phänomen: ihre zwitterhafte, merkwürdige Stimme, die | |
| gleichzeitig groovt und kratzt, die zu hoch für einen Mann, zu tief für | |
| eine Frau ist und damit völlig einzigartig klingt. Ihre unaffektierte Art, | |
| zu singen, und das klassisch geschulte Pianospiel. Statt kurzer Blue Notes | |
| lässt sie Akkorde liegen, statt gegen den Takt zu grooven, haut sie mit der | |
| linken Hand regelmäßige Alberti-Bässe heraus, die sich wundersamerweise | |
| trotzdem mit dem Bluesschema vertragen. | |
| Dass sie bis auf ein Jahr an einem New Yorker Konservatorium gar nicht | |
| Klavier studieren durfte, weil das von ihr favorisierte renommierte Curtis | |
| Institute of Music in Philadelphia sie – ihrer Ansicht nach aus Gender- und | |
| Rassengründen – nicht annahm, wurmte sie bis ins hohe Alter. | |
| ## Deutlich vernehmbar | |
| Kurz vor ihrem Tod 2003, erzählte Nina Simones einzige Tochter Lisa, die | |
| unter dem nicht wirklich einfallsreichen Künstlernamen „Simone“ fleißig | |
| ihre Broadwaykarriere pflegt, habe das Curtis Institute Nina tatsächlich | |
| ein „Ehrendiplom“ angeboten, das diese aufgrund ihrer schweren | |
| Krebserkrankung aber nicht persönlich in Empfang nehmen konnte. | |
| Eine Gruppe von Frauen aus Philadelphia hatte sich dafür starkgemacht. Da | |
| war Nina Simone längst zu einer politischen Figur geworden, die sich | |
| musikalisch wie sprachlich deutlich und laut bemerkbar machte, die nicht | |
| nur Songs von anderen Polit- und Antirassismusaktivisten spielte, sondern | |
| seit den Sechzigern auch selbst schrieb. | |
| „To Be Free: The Nina Simone Story“ zeichnet diese Entwicklung nach: Es | |
| beginnt mit der zwischen Jazz und Swing stehenden, noch mit artigem Beehive | |
| und Abendkleid auftretenden Pianistin der späten Fünfziger, die mit ihrem | |
| Bühnennamen Nina Simone den Geburtsnamen Eunice Kathleen Waymon abstreifen | |
| wollte, unter anderem damit ihre methodistische Mutter nichts von ihrem | |
| neuen Job als Jazzmusikerin in einer Bar erfuhr. | |
| Die Entwicklung setzt sich fort mit der Gospel und Folk aus dem Handgelenk | |
| schüttelnden Ausnahmeinterpretin der Sechziger, deren intensive, | |
| aufrührende Version von „Pirate Jenny“ aus Brecht/Weills „Dreigroschenop… | |
| 1964 live entstand und einen neuen, noch düstereren Ton zu dem ansonsten | |
| meist eher theatralisch interpretierten Stück mischt: „Askin’ me, kill them | |
| now or later? Askin’ me! Kill them NOW or LATER?. Und sie mündet bei der | |
| lässig mit afrikanischen oder Samba-Rhythmen jonglierenden Interpretin der | |
| Siebziger und Achtziger, die aus Randy-Newman-Songs das Maximum herausholte | |
| und das Tremolo ihrer denkwürdigen Stimme wie ein weiteres Instrument | |
| beherrschte. | |
| ## Vorbild für junge Künstler | |
| Zu diesen Zeiten war der unablässige Kampf für Frauenrechte und gegen | |
| Rassendiskriminierung längst in ihre Persönlichkeit hineingewachsen, es gab | |
| keine Auftritte, keine öffentlichen Aussagen mehr, in denen Simones | |
| politischer Aktivismus nicht thematisiert wurde, denn, wie sie selbst oft | |
| sagte: „Ein Künstler hat die Verpflichtung, die Zeiten zu reflektieren.“ Da | |
| sich die Zeiten seit der Segregation zwar geändert hatten, aber | |
| afroamerikanische Frauen noch immer unter Diskriminierung litten, | |
| reflektierte Nina Simone weiter. | |
| Und sie inspiriert auch weiterhin jüngere Künstler: Die 1969 in Berlin | |
| geborene und in den USA lebende Sängerin und Bassistin Me’shell Ndegeocello | |
| hat Nina Simone ein Album gewidmet. Auf „Pour une ame souveraine – a | |
| dedication to Nina Simone“ nimmt sie sich alle Zeit der Welt, um vier von | |
| Simone geschriebene und zehn von ihr interpretierte Songs in ein meist | |
| angenehm satt-langsames, mystisches Soundbad zu tunken. | |
| Das erinnert vor allem wegen Ndegeocellos unspektakulärer Flüsterstimme | |
| zwar manchmal an Sade, ist aber im Ganzen rund und dicht, wenn man auch | |
| „Don’t Take All Night“ im Duett mit Sinead O’Connor aus Gähngründen g… | |
| überspringen kann. | |
| ## Gehörig abgedreht | |
| Doch dass die Version von dem zwar offiziell platt gespielten, aber | |
| ursprünglich hochpolitischen Gitarrenanfängersong „House of the Rising Sun�… | |
| zusammen mit der amerikanischen Folksängerin Toshi Reagon durch den | |
| richtigen Beat und gehörig abgedrehte Backgroundvocals heraussticht, ist | |
| eine wirkliche Leistung: Wann hat man zu diesem Song das letzte Mal | |
| mitgewippt? | |
| Nina Simone bringt eben alle zusammen, im Groove natürlich. „Wie war sie | |
| wohl, wie hat sie gelebt, wie hat sie geliebt, wie hat sie geprobt, was hat | |
| sie getrunken – ich trinke auf dich, Nina!“, schreibt Ndegeocello in ihren | |
| Liner Notes. Prost. | |
| ## | |
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| 21 Feb 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Jenni Zylka | |
| Jenni Zylka | |
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