# taz.de -- Nachruf auf Sidney Poitier: Der Mann, der Mister Tibbs war | |
> Der Vorwurf, er sei doch nur der schwarze Star, den das weiße Publikum | |
> liebe, traf ihn schwer. Nachruf auf den großen Schauspieler Sidney | |
> Poitier. | |
Bild: Blitzende Augen, geschliffene Stimme: Sidney Poitier, etwa 1965 | |
„You think of yourself as a colored man“, sagt John Prentice, gespielt von | |
Sidney Poitier, zu seinem Vater, „I think of myself as a man.“ Vielleicht | |
der Kernsatz in „Guess who’s coming to dinner“, [1][Stanley Kramers] Dram… | |
das wie kein Film zuvor die Liebe zwischen Menschen mit verschiedenen | |
Hautfarben thematisierte. Zum Zeitpunkt seiner Entstehung waren Ehen | |
zwischen Weißen und Nichtweißen in 17 Bundesstaaten der USA illegal. | |
Im Jahr 1967 waren drei den Rassismus thematisierende Filme mit dem | |
bahamasstämmigen Schauspieler erschienen, der auch die | |
US-Staatsbürgerschaft hatte. Neben dem genannten Drama spielte Poitier in | |
„To Sir, With Love“ einen Aushilfslehrer in London, der sich den Respekt | |
seiner weißen Schüler:innen erkämpft, und in „In the Heat of the Night“ | |
einen Polizisten, der sich mit einem rassistischen Kollegen (Rod Steiger) | |
herumschlagen muss. | |
„They call me Mister Tibbs!“, sagt Poitier zu ihm, nachdem Steiger ihn | |
rassistisch beleidigt, mit blitzenden Augen und jener geschliffenen Stimme, | |
die sein Markenzeichen war. | |
Seine Sprachmelodie hatte sich der eigentlich unmusikalische Poitier beim | |
Radiomoderator Norman „Sir Silken Speech“ Brokenshire abgeschaut. Poitier | |
arbeitete seit 1947 als Schauspieler, zunächst auf Theaterbühnen, ab 1950 | |
im Kino. In „Paris Blues“ spielte er 1961 einen emigrierten Jazzmusiker: In | |
dem atmosphärischen Drama machen die schwarze Connie (Diahann Carroll) und | |
ihre weiße Freundin Lillian (Joanne Woodward) Urlaub in Paris und stoßen | |
auf Eddie (Poitier) und Ram [2][(Paul Newman).] | |
Eigentlich sollten daraus zwei schwarz-weiße Paare entstehen. Der | |
Produktionsfirma war das jedoch zu revolutionär, was Poitier nach | |
Erscheinen des Films stark kritisierte. In der Endfassung gibt es zwar ein | |
Geplänkel zwischen Ram und Connie, dann verliebt sich der weiße Mann jedoch | |
in die weiße Frau, und Eddie hat ein Téte-à-Téte mit Connie. | |
## Als Bürgerrechtler aktiv | |
In einer Szene wirft Connie ihm vor, sich in Frankreich zu verstecken: „Ich | |
will, dass wir nach Hause gehen“, sagt sie, „und das ändern, was wir ände… | |
müssen!“ „Mir ist die Sache egal“, gibt Eddie zurück – und die Bezieh… | |
scheitert an seinem fehlenden politischen Interesse. | |
In Wirklichkeit blieben die beiden Schauspieler:innen ein paar Jahre | |
zusammen. Und Poitier, der 1963 für „Lilies of the Field“ als erster | |
schwarzer Schauspieler mit einem Oscar ausgezeichnet wurde (nachdem er 1958 | |
für „Flucht in Ketten“ als erster eine Oscar-Nominierung bekam) war zeit | |
seines Lebens aktiv in der Bürgerrechtsbewegung. | |
Vorwürfe wie die des schwarzen Dramatikers Clifford Mason 1967, Poitier sei | |
nur „the Negro movie star that all white America loves“, trafen den | |
Künstler schwer. In den 70ern begann Poitier, Regie zu führen, und feierte | |
1980 einen Erfolg mit der überkandidelten Komödie „Zwei wahnsinnig starke | |
Typen“. | |
Neben vielen weiteren Preisen wurde er 2001 mit dem Ehren-Oscar geehrt. Am | |
Donnerstag starb Poitier, der aus zwei Ehen sechs Töchter hatte, im Alter | |
von 94 Jahren. Seine wohltönende Stimme wird ebenso im Ohr bleiben wie | |
seine Inhalte: Es heißt „Mr. Tibbs“. Und nichts anderes. | |
9 Jan 2022 | |
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## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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