# taz.de -- Nachruf auf Aretha Franklin: Die größte Soulistin der Welt | |
> Die Soulsängerin Aretha Franklin war eine Lust auf der Bühne, ein | |
> Manifest des Eigensinns. Und die Antithese zu allem, wofür Trumps Amerika | |
> steht. | |
Bild: Aretha Franklin konnte selbst die schwächsten Lieder zu Perlen veredeln | |
Ihr war dieses gewisse Gefühl für Anstand und Benimm sehr eigen. Es ist von | |
ihr kein Gossip überliefert, dass sie andere gedemütigt hätte. Selbst als | |
sie Mitte der 1960er Jahre von einer Plattenfirma zur anderen wechselte, | |
weil CBS ihr dauernd nahegelegt hatte, auf der Bühne nicht so körperlich zu | |
sein, nicht ihre Selbstlust so sehr auszustellen, teilte sie den Bossen der | |
Company nur mit, sie entscheide sich nun für die Konkurrenz, weil sie dort | |
mehr gesehen werde. | |
Aretha Franklin war, mit allen Verletzungen, die sie als afroamerikanische | |
Künstlerin auch auszuhalten hatte, stets mit einem warmen Selbstvertrauen | |
gesegnet: Sie wollte singen, weil sie es konnte. Ihre Stimme: ein, selbst | |
für Irreligiöse hörbar, Göttinnengeschenk. Ihre Art des Gesangs – | |
ergreifend, und zwar in jedem Lied. | |
Aretha Franklin, 1942 im tief rassistisch geprägten Memphis, Tennessee, als | |
Tochter des Predigerpaares Barbara und Clarence LaVaughn Franklin geboren, | |
sang früh in Chören in den Gemeinden ihres Vaters. Ihr Weg aber führte weit | |
über die Kirchen hinaus, sie wollte Konzerte geben, Soul singen, weltliches | |
Material, sie wollte berühmt werden und schön sein für alle Zeiten. So | |
schreibt sie das in ihrer Autobiografie, ein aufrichtiges Dokument ihres | |
Aufstiegs in die Himmel der Popularität. | |
Franklin, die Handtaschen liebte, Pelze trug wie Seidentücher, die das Wort | |
„extravagant“ nicht nur modisch immer wieder neu belebte, sondern auch zur | |
flamboyanten Performance machte, die aller Körperfülle zum Trotz trippeln | |
konnte wie ein Junge und als witzig, mütterlich und freundlich beschrieben | |
wird: diese Frau war ein Monument. Sie war – wenn man es mal so sagen darf | |
– die Antithese zu allem, wofür das Amerika des Donald Trump steht. | |
Sie wählte die Demokraten, weil auch die politische Entscheidung für sie | |
niemals Gegenstand von ironiegefärbten Erwägungen sein konnte. Sie pochte | |
auf die Ausweitung von Bürgerrechten und verwandte sich für den Kampf gegen | |
Rassismus, als die elitär-weißen Mittelschichtsgören ihrer und der | |
folgenden Generationen das Wort Rassismus noch nicht mal akkurat zu | |
buchstabieren wussten. | |
## Eine Macht | |
Diese Frau war keine politische Sängerin programmatischer Art. Nein, eher | |
so: Meine Lieder singe ich, weil es durch mich meine Lieder werden, aber | |
wenn man meine Lebenslust als politische Provokation verstehen möchte – | |
dann sei es so. | |
[1][Als Barack Obama 2009 vor dem Kapitol inauguriert wurde, war sie es,] | |
die den künstlerischen Part dazu lieferte, auch bei dieser Gelegenheit | |
wieder in stolzestem Outfit sich zeigend. Obama, das war ihr als alter Frau | |
ein Zeichen, dass ein Nichtweißer gewinnen kann. Für sie waren die Obamas | |
wie eingelöste Versprechen ihres frühen Lebens: Du kannst es bis ganz nach | |
oben schaffen. | |
Aretha Franklin, die selbst die schwächsten Lieder zu Perlen zu veredeln | |
wusste, die mit der Musikautorin Carole King eng befreundet war und deren | |
„You Make Me Feel Like a Natural Woman“ interpretierte, [2][die außerdem | |
„Respect“], „Think“, „Spanish Harlem“, „Bridge over Troubled Wate… | |
oder „A Change Is Gonna Come“, die Verheißung aus der Feder Sam Cookes im | |
Sinne eines kommenden politischen Wandels – sie ist die Größte geworden, | |
sie ist das Amerika, das man liebt, wenn man politisch und kulturell liebt. | |
Sie war eine Frau, die sich allen Definitionen ihrer Person widersetzte, | |
sie war eine Lust auf der Bühne, ein Manifest des Eigensinns. [3][Am | |
Donnerstag ist sie an den Folgen einer schon länger sie plagenden | |
Krebserkrankung gestorben], 76 Jahre jung: Sie war eine Macht und sie | |
hinterlässt ein Meer an Tränen! | |
16 Aug 2018 | |
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## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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