| # taz.de -- Alternative Eiweißquellen: Kunstfleisch, Mikroben, Seetang | |
| > Tierische Produkte treiben die Erderwärmung an. Doch sind alternative | |
| > Eiweißquellen auch wirklich umweltfreundlicher? | |
| Bild: Rindfleisch gehört mit zu den großen Klimakillern | |
| München taz | Bis 2050 werden zusätzliche 265 Millionen Tonnen Eiweiß pro | |
| Jahr für die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung benötigt, so | |
| prognostiziert die Welternährungsorganisation FAO. Denn in den | |
| Entwicklungs- und Schwellenländern kommen mit dem Wohlstand auch mehr | |
| Steaks, Milch und Käse auf den Tisch. | |
| Damit keine Lücke entsteht, müssten 50 Prozent mehr proteinreiche Lebens- | |
| und Futtermittel als heute erzeugt werden. Das wäre für die Umwelt fatal: | |
| 14,5 Prozent der globalen Treibhausgase stammen aus der Viehwirtschaft. Vor | |
| allem Fleisch von Rind und Schaf sowie Shrimps und Hummer aus der Zucht | |
| sind sehr klimaschädlich. Neben pflanzlichen Ersatzprodukten, [1][Insekten] | |
| und [2][In-vitro-Fleisch] werden darum auch Mikroben und Seetang als | |
| Proteinquellen der Zukunft diskutiert. Aber ist das auch in einem großen | |
| Maßstab ökologisch oder gäbe es wieder Probleme? | |
| Weniger Treibhausgase, weniger Stickstoff- und Phosphor-Einträge und | |
| Flächenverbrauch – das sind laut Umweltbundesamt (UBA) die möglichen | |
| Umweltvorteile. wenn es gelingt, das Ausmaß [3][herkömmlicher | |
| Fleischproduktion, insbesondere die Rinderhaltung,] zu reduzieren. | |
| Alternative Proteine anstatt Fleisch könnten hier gemäß den UBA-Forschern | |
| einen Beitrag leisten. | |
| Vor allem Mikrobenprotein, also von Bakterien, einzelligen Algen, Hefen | |
| oder Pilzen, gilt als vielversprechend, weil die Mikroben erhebliche | |
| Wachstumsraten an den Tag legen. Forschern ist es zudem gelungen, aus CO2 | |
| alternatives Protein mithilfe von Bakterien zu gewinnen, die sich das | |
| Klimagas aus der Luft angeln. Einige Mikroben futtern auch das Klimagas | |
| Methan oder können Abfälle verwerten. Da sie in meterhohen Bioreaktoren | |
| wachsen, brauchen sie auch erheblich weniger Fläche. Mit Quorn ist bereits | |
| ein mikrobielles Protein, ein Mykoprotein, im Supermarkt erhältlich. | |
| Alle Mikrobensysteme kommen ohne Pestizide, Dünger oder gentechnische | |
| Veränderungen aus, es wird weniger Wasser gebraucht und Stickstoff | |
| emittiert als in der traditionellen Viehwirtschaft. Die Systeme sind zudem | |
| technologisch ausgereift, sodass eine Großproduktion möglich wäre. | |
| ## Algen auf der Speisekarte | |
| Auch Makro-Algen, also Seetang, wie Dulse oder Nori, werden als | |
| Proteinquelle diskutiert. Die Wassergewächse kommen in der Natur ohne | |
| Dünger, Pflanzenschutzmittel oder Bewässerungssystem aus. Sie nutzen | |
| Stickstoff und Phosphor aus dem Wasser zum Wachsen, reinigen also belastete | |
| Küstengewässer. Ihr Anbau ist auch unabhängig von fruchtbaren Ackerflächen, | |
| dabei wachsen sie sogar schneller als Landpflanzen. | |
| Eine weitere Möglichkeit sind landbasierte Systeme, etwa für Länder, die | |
| keinen direkten Zugang zum Meer haben. Das Wasser zirkuliert hier im | |
| Kreislauf, es gibt keine Abfälle, alles wird recycelt. Als Nährstoffdünger | |
| könnten Fischabwässer oder Gärreste von Biogasanlagen genutzt werden. Eine | |
| Massenproduktion ist jedoch in weiter Ferne. „Es ist noch viel Forschung | |
| und Investment nötig, um die Ernte zu verbessern und die Verarbeitung zu | |
| optimieren“, sagt Cor van der Weele, Wissenschaftlerin an der Universität | |
| Wageningen. | |
| Bei der Herstellung von In-vitro-Fleisch, das in Zellkulturen gezüchtet | |
| wird, wird zumindest im Vergleich zu Rindfleisch vermutlich weniger Land | |
| und Wasser verbraucht. Auch die Emission von Treibhausgasen und | |
| Schadstoffen fällt geringer aus. Vor allem hat die Branche aber noch mit | |
| einem hohen Energieverbrauch für kultiviertes Fleisch und Problemen beim | |
| Upscaling zu kämpfen. Da auch viele andere Produktionssysteme für | |
| alternative Proteine noch energieintensiv sind, macht oft auch erst grüner | |
| Strom das Ganze umweltfreundlich. | |
| So schneidet Mikrobenprotein mit 5,8 Kilogramm CO2-Äquvalent bei den | |
| Klimaemissionen eher mau ab. Zum Vergleich: Die Produktion von einem | |
| Kilogramm Schweinefleisch hat einen CO2-Fußabdruck von 4 bis 6 Kilogramm. | |
| Laut Berechnungen könnten erneuerbare Energiequellen wie Biogas, Solar- | |
| oder Windenergie diesen Wert auf 1,7 Kilogramm CO2-Äquivalent senken. | |
| Reiner Brunsch vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie ist | |
| skeptisch: „Viele Prognosen stammen aus Hochrechnungen auf der Basis von | |
| Laboruntersuchungen. Bei biotechnologischen Prozessen ist das Upscaling | |
| aber nicht einfach ein linearer Prozess, deshalb habe ich meine Bedenken | |
| bezüglich der Effizienzüberlegenheit.“ | |
| Seiner Meinung nach würde es ausreichen, weniger Fleisch zu essen, da der | |
| Fleischkonsum in Deutschland weit über dem Bedarf liegt. Statt Mikroben | |
| oder Algen könnte man auch mehr [4][Hülsenfrüchte auf den Teller] bringen. | |
| Diese haben, mit Ausnahme von Landverbrauch, momentan den kleinsten | |
| ökologischen Fußabdruck aller alternativen Proteine, zudem Vorteile für | |
| die Biodiversität. „Und die Landwirte wären auch weniger abhängig von der | |
| Düngermittel-Industrie, da Hülsenfrüchte Stickstoff aus der Luft binden“, | |
| sagt Raychel Santo von der Johns Hopkins Bloomberg School in Baltimore. | |
| Wichtig für die Umwelt ist auch, was mit frei werdenden Flächen geschieht: | |
| Ersatzprodukte verbrauchen 41 bis 98 Prozent weniger Agrarflächen als | |
| tierische Lebensmittel. Diese müsste man für Aufforstung oder die | |
| Weidehaltung reservieren. „Auf jeden Fall müssten frei werdende Flächen so | |
| reguliert werden, dass sie nicht für andere industrielle Zwecke verwendet | |
| werden“, sagt Santo. | |
| 26 Nov 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Kathrin Burger | |
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