# taz.de -- Bessere Ressourcennutzung: Aus Biertreber wird Brot | |
> Für viele Brauereien ist der Treber ein lästiges und teuer zu | |
> entsorgendes Abfallprodukt. Eine dänische Firma zeigt, dass es anders | |
> geht. | |
Bild: Aus den Grundstoffen Wasser, Getreide, Malz und Hefe entsteht Bier – un… | |
Berlin taz | 40 Millionen Tonnen Treber landen jährlich weltweit im Abfall. | |
Völlig zu Unrecht, findet man bei der Firma Agrain im Dörfchen Bjaeverskov | |
südwestlich von Kopenhagen. Noch beschäftigt der Betrieb nur sechs Leute. | |
Aber die wollen zeigen, was mit den Rückständen des Braumalzes aus der | |
Bierherstellung alles möglich wäre: In Kopenhagener Supermärkten gibt es | |
bereits Mehl, Müsli und Chips zu kaufen, die aus Biotreber hergestellt | |
sind. Auch eine Großbäckerei produziert Brot, dessen Rohstoffe ursprünglich | |
aus mehreren Brauereien und einer Whisky-Destillerie stammen. | |
Bier ist nach Wasser und Tee das drittbeliebteste Getränk weltweit – und es | |
wird fast überall auf dem Globus konsumiert. Fast zwei Milliarden | |
Hektoliter fließen jedes Jahr irgendwo durch die Kehlen, pro Liter | |
entstehen dabei etwa 200 Gramm Treber. „Der Großteil wird als Müll | |
weggeworfen und bestenfalls als Viehfutter genutzt – das sind etwa drei | |
Prozent der [1][weltweiten Lebensmittelabfälle]“, sagt Unternehmensleiterin | |
Karin Beukel. | |
Der aus gekeimten und gedörrten Gerstenkörnern und Wasser bestehende Brei | |
enthält hochwertige Proteine, Malzzucker, Spurenelemente, Vitamine und | |
Ballaststoffe. Konsequent eingesetzt könnte daraus nicht nur gehaltvolle | |
Nahrung hergestellt werden – die Doppelnutzung könnte auch dazu beitragen, | |
dass weniger Land für den Getreideanbau benötigt wird und [2][mehr | |
Freiräume für die Natur] bleiben könnten. | |
Aufgefallen war der damaligen Assistenzprofessorin für Innovation und | |
Entrepreneurship das Upcycling-Potenzial von Treber durch die Arbeit eines | |
australischen Doktoranden. „Wir hatten keine Ahnung von Nährwerten und der | |
Technik“, sagt Beukel heute. Gemeinsam tüftelten sie und gründeten vor | |
zweieinhalb Jahren die Firma in Bjaeverskov. Ein Jahr später gab Beukel | |
ihren sicheren Professorinnenjob an der Kopenhagener Uni auf. Jetzt ist sie | |
vor allem Unternehmerin und lässt sich nur ab und an für akademische | |
Projekte einbinden. Der ehemalige Doktorand ist weiterhin Miteigentümer, | |
aber im vergangenen Sommer in seine Heimat zurückgekehrt. Dafür ist die | |
Betriebswirtin Aviaja Riemann-Andersen an Bord gekommen. | |
## Der nächste Rohstoff wartet schon | |
Die Produktion findet im Souterrain eines Startup-Hauses statt. Dort brummt | |
ein deckenhoher Aluminiumkessel, ein Mann schaufelt körniges Mus aus einer | |
Plastikwanne in eine Maschine. Die presst kakaobraunes Wasser heraus, das | |
bislang im Abfluss verschwindet. „Künftig wollen wir auch die Flüssigkeit | |
nutzen und daraus Getränke mit verschiedenen Geschmacksrichtungen | |
herstellen“, sagt Beukel und lässt schon mal kosten. Unverändert schmeckt | |
das Getränk pulvrig und leicht säuerlich, doch es gibt auch Varianten mit | |
Karamel-, Kokos-, Mandel- oder Schokoladenaroma. | |
Zunächst konzentriert sich die kleine Firma auf die Herstellung von Mehl. | |
Nachdem der Treber ausgewrungen und getrocknet ist, sieht er aus wie | |
winzige Sägespäne, die vermahlen werden können. Die größeren Brauereien | |
liefern den Rohstoff frei Haus; schließlich müssten sie ansonsten für die | |
Entsorgung bezahlen. Bei einer kleineren Brauerei holt Agrain den Rohstoff | |
ab. 200 Kilogramm Mehl oder 2.600 Tüten Chips lassen sich pro Tonne Treber | |
herstellen. Fritz Jacob, an der TU München Direktor des Forschungszentrums | |
für Brau- und Lebensmittelqualität, hat noch nichts von der dänischen Firma | |
Agrain gehört, sagt aber: „Wenn das funktioniert, fänd ich es super.“ | |
Bislang werden die Reste aus den Brauereien trotz des hohen Wassergehalts | |
von 70 bis 80 Prozent [3][unter anderem als Brennstoff in der | |
Energiegewinnung eingesetzt], berichtet Olaf Hendel von der Versuchs- und | |
Lehranstalt für Brauerei in Berlin. Unbearbeitet lassen sich die | |
Maischereste maximal zwei Tage lang auch als Rinderfutter einsetzen, danach | |
werden sie sauer und schaden dem Vieh. | |
## Nischenprodukt oder Beitrag gegen den Hunger? | |
„Die Nutzung zur menschlichen Ernährung ist nichts wirklich Neues, aber ein | |
absolutes Nischenprodukt“, sagt Hendel. Das Potenzial für die Welternährung | |
schätzt er angesichts des zur Trocknung benötigten Energieaufwands als | |
„überschaubar“ ein. | |
Den Agrain-Chefinnen reicht das. Gegenwärtig verarbeitet der Betrieb nur | |
ein paar Tonnen pro Woche, doch in fünf Jahren soll er sich zu einem | |
multinationalen Unternehmen entwickelt haben. Sie wollen zu einer | |
Transformation der Wirtschaft beitragen – weg von der Fokussierung auf | |
möglichst viel Gewinn hin zu gesellschaftlichem Nutzen und | |
Zukunftsfähigkeit. „Wir haben die Verantwortung zu zeigen, dass unser | |
Produkt Sinn ergibt und unser Geschäftsmodell funktioniert“, fasst | |
Riemann-Andersen zusammen. | |
Deshalb war es den beiden Frauen auch wichtig, als erstes einen | |
Geflüchteten und einen polnischen Schulabgänger anzustellen, der keinen Job | |
in Dänemark finden konnte. Auch bei einem möglichen Lizenzsystem für andere | |
Länder soll der höchste Nutzen für die Allgemeinheit den Ausschlag geben. | |
Open source wollen sie ihre Technologie allerdings nicht stellen: Zu groß | |
sei die Gefahr, dass irgendwelche Riesen das Geschäft einfach kapern. „Wir | |
haben inzwischen viel Spezialwissen angesammelt“, sagt Beukel. | |
Dass große Brauereien selbst zu Mehlanbietern werden, fürchtet sie nicht. | |
„Die denken bei Nachhaltigkeit bestenfalls an ihre Flaschen und wollen | |
ansonsten so viel Bier wie möglich absetzen.“ Tatsächlich hält auch der | |
Pressesprecher des Deutschen Brauer-Bunds Marc-Oliver Huhnholz den Arbeits- | |
und Energieaufwand für die Weiterverarbeitung des Trebers für sehr hoch. | |
Und was die Agrain-Chefinnen für Potenzial halten, empfindet er eher als | |
Problem: „Die anfallenden Mengen sind viel zu groß, als dass sie in der | |
Herstellung von Lebensmitteln verwendet werden könnten.“ Allein in | |
Deutschland wären es zwei Millionen Tonnen Treber im Jahr, 25 Kilogramm pro | |
Kopf. Eine Menge Brot oder Müsli. | |
7 May 2021 | |
## LINKS | |
[1] /UN-Bericht-zu-Lebensmittelverschwendung/!5756112 | |
[2] /Zwist-zwischen-Umwelt--und-Agrarressort/!5757730 | |
[3] https://www.scinexx.de/news/technik/brauerei-abfaelle-als-rohstoff/ | |
## AUTOREN | |
Annette Jensen | |
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