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# taz.de -- EU-Außengrenze zu Belarus: Die EU spielt mit
> Das Grenzgebiet zwischen Polen und Belarus erlebt eine humanitäre
> Katastrophe. Daran ist nicht nur der belarussische Präsident schuld.
Bild: Polnische Grenzschützer mit festgenommenen Personen an der Grenze zu Bel…
Niemand dürfte überrascht darüber sein, was aktuell im [1][Grenzgebiet
zwischen Polen und Belarus] passiert. Schließlich hat sich die EU über
Jahre kein gutes Image in der Migrationspolitik aufgebaut. Der
belarussische Diktator Alexander Lukaschenko betreibt seit dem Sommer
staatlichen Menschenhandel. Migrant:innen aus dem Irak, aus Afghanistan
und Syrien lässt er in Flugzeugen in sein Land einreisen, um sie dann in
Kleinbussen an die nächste EU-Grenze zu schaffen. Erst schickte er sie nach
Litauen, nun vermehrt nach Polen.
In dem sumpfigen Waldgebiet zwischen Polen und Belarus harren die Menschen
aus. Essen und Trinken gibt es kaum, in der Nacht fallen die Temperaturen
mittlerweile unter null Grad. Viele Migrant:innen sitzen seit Monaten
dort fest. Es gibt kein Vorwärts, kein Rückwärts. Mindestens fünf Menschen
sind bereits gestorben.
Europa ist deshalb in Panik. In Polen herrscht Ausnahmezustand.
Grenzpolizisten gehen zum Teil gewaltsam gegen die Menschen vor. Pushbacks,
also das Zurückführen von Migrant:innen nach Belarus, obwohl sie bereits
EU-Boden betreten haben, wurden diese Woche in Polen quasi legalisiert,
kritisieren Menschenrechtsorganisationen. Es wird wieder von Mauern und
Zäunen geträumt, weil es darum gehe, die Wehrhaftigkeit der Europäischen
Union zu beweisen. So formulierte es Sachsens Ministerpräsident Michael
Kretschmer.
Mitten in Europa findet eine humanitäre Katastrophe statt. Doch statt eine
menschenwürdige Antwort auf die Krise zu finden und langfristige Strategien
zu entwickeln, duckt sich die EU weg. Die Schuld sieht man allein bei
Machthaber Lukaschenko. Er ist schließlich der Verursacher des Problems.
Die betroffenen Menschen lässt man damit allerdings im Stich.
## Die EU lässt sich auf das Spiel ein
Sicher, Lukaschenko lässt Grenzzäune aufschneiden und Flüchtlinge gewaltsam
an die EU-Außengrenze karren. Das alles mit dem Ziel, die EU unter Druck zu
setzen. Sie dazu zu drängen, Sanktionen gegen ihn aufzukündigen. Für ihn
sind Flüchtlinge nur ein politischer Spielball, die in seinen
Nachbarländern Chaos stiften können. Doch es ist die EU, die sich auf
dieses perfide Spiel einlässt, die sich erpressbar macht.
Sich von autoritären Herrschern vorführen zu lassen, ist zum
Wiederholungszwang der EU geworden. 2020 [2][trieb der türkische Präsident
Erdoğan] Zehntausende Migrant:innen nach Griechenland. Er ließ das
Gerücht verbreiten, die Grenzen zu Europa seien offen und ließ
Migrant:innen in organisierten Aktionen dorthin schaffen. Griechenland
schützte seine Grenzen rabiat, mit Einverständnis der EU.
Das europäische Unvermögen auf das abscheuliche Verhalten eines Diktators
wie Lukaschenko zu reagieren, ist ein Armutszeugnis. Deutsche
Sicherheitsbehörden hätten vor genau diesem Szenario, das sich zwischen
Polen und Belarus abspielt, bereits im Frühjahr gewarnt, [3][das berichtet
ein Rechercheteam] von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung. Die Katastrophe
hätte also verhindert werden können, hätte die EU Pläne für den Ernstfall
entwickelt, die die Würde der Menschen wahren.
Lukaschenko ist ein Tyrann. Er sperrt seine eigene Bevölkerung ein, lässt
sie in Gefängnissen foltern. Nun nutzt er das Fehlen einer humanen
EU-Migrationspolitik für eigene Zwecke aus. Das überrascht nicht. Schwerer
wiegt, dass die EU nicht gewillt ist, dem etwas entgegen zu setzen.
An der EU-Außengrenze in Polen werden Menschen systematisch ihrer Würde
beraubt, sie werden entmenschlicht. Das allein ist ein Skandal. Schon
länger wird das Mittelmeer als Massengrab bezeichnet. Ein weiteres zwischen
Polen und Belarus muss verhindert werden. Das ist Aufgabe und Verantwortung
europäischer Politiker:innen.
29 Oct 2021
## LINKS
[1] /Grenzregion-zu-Belarus/!5797848
[2] /Tuerkei-geht-ueber-alle-Grenzen/!5667983
[3] https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/belarus-fluechtlinge-103.html
## AUTOREN
Erica Zingher
## TAGS
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