| # taz.de -- Hilfskonvoi der Seebrücke: Die Mauer, die niemand braucht | |
| > NGOs fahren Hilfsgüter an die Grenze zu Belarus um Geflüchtete zu | |
| > unterstützen – und an die Lehre des 9. November 1989 zu erinnern. | |
| Bild: Situation an der belarussisch-polnischen Grenze am 8. November | |
| Das Datum war eine Steilvorlage: Am Montag startet der Hilfskonvoi eines | |
| deutschen NGO-Bündnisses in Berlin Richtung Polen. Und am Dienstag, dem 9. | |
| November, liefert er seine Ladung an der Grenze zu Belarus ab. Dort beginnt | |
| die polnische Regierung mit dem Bau einer Mauer für Hunderte Millionen | |
| Euro. „Mauerfall“ nennen die Aktivist:innen der Gruppen Seebrücke, | |
| Cadus, Wir packen’s an und Leave No One Behind deshalb ihre Aktion, mit der | |
| sie warme Winterschuhe, Socken, Powerbanks, Rettungsdecken und Stirnlampen | |
| nach Polen bringen. | |
| Um die historische Parallele noch etwas augenfälliger zu machen, hatten die | |
| Aktivist:innen ihren Bus am Montag quer vor dem Brandenburger Tor in | |
| Berlin geparkt. „Angela Merkel hat den Bau der Mauer am eigenen Leib | |
| erfahren“, sagte Tareq Alaows vom Berliner Flüchtlingsrat. „Heute schweigt | |
| sie, wenn neue Mauern gebaut werden.“ Seit Wochen nehme die EU an der | |
| polnisch-belarussischen Grenze den Tod von Menschen durch Kälte und Hunger | |
| in Kauf. Dass die gestrandeten Menschen als „Waffe“ bezeichnet würden, | |
| wertete er als Zeichen zunehmender Abschottung in der deutschen | |
| Asylpolitik. | |
| Ruben Neugebauer von Leave No One Behind zog ebenfalls eine historische | |
| Verbindung. „Auch an der Grenze zu Belarus sterben heute Menschen. Und wir | |
| wissen nicht einmal, wie viele es sind“, sagte er. Liza Pflaum von der | |
| Seebrücke sagte, es sei eine „politische Entscheidung gewesen, 1989 die | |
| Mauer zu öffnen“. Und genau so brauche es auch heute wieder eine politische | |
| Entscheidung, um den festsitzenden Menschen an der östlichen EU-Außengrenze | |
| zu helfen. Es gebe mittlerweile 270 Kommunen in Deutschland, die sich dem | |
| „Bündnis Städte sicherer Häfen“ angeschlossen hätten. Sie seien bereit, | |
| Geflüchtete aufzunehmen. | |
| ## „Humanitäre Hilfe wird kaum durchgelassen“ | |
| Die Stadt München etwa habe deshalb vor Kurzem einen Brief an den | |
| scheidenden Innenminister Horst Seehofer (CSU) geschrieben. „Aber sie hat | |
| keine Antwort bekommen“, sagt Pflaum. Die Ampel sei schon jetzt in | |
| Verantwortung, auf die dramatische humanitäre Lage in der Grenzregion zu | |
| reagieren. „Sie hat bereits jetzt eine Mehrheit im Parlament und die muss | |
| genutzt werden.“ | |
| Corinna Schäfer von der medizinischen Hilfsorganisation Cadus sagte, der | |
| Zustand der zwischen Belarus und Polen feststeckenden Menschen sei „sehr | |
| besorgniserregend, weil humanitäre Hilfe kaum durchgelassen wird“. Es gebe | |
| deshalb immer wieder vermeidbare medizinische Notfälle. Gefährliche | |
| Unterkühlung oder infizierte Wunden könnten leicht verhindert werden, | |
| führten aber unter den dort herrschenden Umständen zu teils | |
| lebensgefährliche Zuständen. | |
| Die humanitäre Situation sei „völlig inakzeptabel“, sagte Neugebauer. Die | |
| Bundesregierung müsse einen Korridor einrichten, um Menschen zu helfen, die | |
| im Grenzstreifen feststecken. „Die ersten Sitzplätze dafür stellen wir gern | |
| bereit.“ Ein Sprecher des Innenministeriums hatte der dpa am Freitag | |
| mitgeteilt, dass „eine unautorisierte Beförderung und eine etwaige | |
| unerlaubte Einreise“ strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnten. | |
| Es gebe auch keine Überlegungen für ein Aufnahmeprogramm für Menschen aus | |
| Belarus. | |
| 8 Nov 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Jakob | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Flüchtlinge | |
| Belarus | |
| Seebrücke | |
| Schwerpunkt Krisenherd Belarus | |
| GNS | |
| Fluchtrouten | |
| Polen | |
| Schwerpunkt Krisenherd Belarus | |
| Schwerpunkt Krisenherd Belarus | |
| Flüchtlinge | |
| Bundesinnenministerium | |
| Schwerpunkt Krisenherd Belarus | |
| Kolumne Grauzone | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Menschenrechtsaktivistin über Belarus: „Der Winter steht vor der Tür“ | |
| Machthaber Lukaschenko will Europa unter Druck setzen. Und setzt zur | |
| Eskalation Flüchtende ein. Eine moralische Antwort fällt da schwer, sagt | |
| Exilantin Olga Karatsch. | |
| Lage an polnischer Grenze zu Belarus: Schüsse und Provokationen | |
| An Polens Grenze zu Belarus ist nun ein Übergang geschlossen. Was im | |
| Grenzgebiet passiert, ist unklar. Ortsfremde dürfen es nicht betreten. | |
| Flüchtlingsroute über Belarus: Auf der „Bearbeitungsstraße“ | |
| Geflüchtete, die über Polen nach Brandenburg kommen, werden derzeit täglich | |
| in Frankfurt (Oder) von der Bundespolizei überprüft. Ein Besuch. | |
| Geflüchte an der EU-Außengrenze: Neue Sanktionen gegen Belarus | |
| Brüssel will wegen der Flüchtlingspolitik des Minsker Regimes | |
| Strafmaßnahmen verhängen. Ob es Hilfe für die Migranten geben wird? Offen. | |
| Belarus und die EU-Außengrenze: Polen schließt Grenzübergang | |
| Die Lage an der polnisch-belarussischen Grenze spitzt sich zu. Forderungen | |
| nach verschärften Sanktionen gegen die Regierung in Minsk werden laut. | |
| Neues Innenministerium: Nach dem Horst-Case-Szenario | |
| Die Seehofer-Jahre waren geprägt von Untätigkeit. Das neue Innenministerium | |
| muss Antworten auf Rechtsextremismus und Polizeigewalt finden. | |
| Geflüchtete aus Belarus: „Plötzlich sind sie verschwunden“ | |
| Wie können in Belarus verbotene Organisationen dennoch Geflüchteten helfen? | |
| Alena Tschechowitsch und Wadim Mojeiko berichten über die Lage. | |
| EU-Außengrenze zu Belarus: Die EU spielt mit | |
| Das Grenzgebiet zwischen Polen und Belarus erlebt eine humanitäre | |
| Katastrophe. Daran ist nicht nur der belarussische Präsident schuld. |