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# taz.de -- Flüchtlingsroute über Belarus: Auf der „Bearbeitungsstraße“
> Geflüchtete, die über Polen nach Brandenburg kommen, werden derzeit
> täglich in Frankfurt (Oder) von der Bundespolizei überprüft. Ein Besuch.
Bild: In einer Halle der Bundespolizei in Frankfurt (Oder) warten geflüchtete …
Frankfurt (Oder) taz | Am Eingang sind erst mal deutlich mehr
Polizist*innen als Geflüchtete zu sehen. Zwei Personen sitzen am
Eingang. Sie sehen einem neu ankommenden jungen Mann dabei zu, wie er seine
Fingerkuppen auf einen kleinen Scanner presst. Für den ersten schnellen
Identitäts-Check. Drei andere stehen im Durchgang und warten, bis es für
sie weitergeht. Eine Ecke weiter werden die Flüchtlinge in Kabinen von der
Polizei durchsucht – gefährliche Gegenstände wie Messer und Gürtel sowie
Handys und Papiere, die Hinweise zu Identität und Fluchtroute geben
könnten, nehmen die Beamt*innen ihnen erst mal ab.
Seit gut einer Woche betreibt die Bundespolizei in einer Lagerhalle in
einem Gewerbegebiet bei Frankfurt (Oder) eine – Achtung: Behördendeutsch –
„Bearbeitungsstraße“. Dorthin gebracht werden alle Menschen ohne gültige
Papiere, die die Streifen auf ihren Touren im Grenzgebiet zwischen
Brandenburg und Polen aufgreifen. Die Polizei hat sich hier eingerichtet,
um die Asylsuchenden zügig zu überprüfen. Derzeit arbeitet sie rund um die
Uhr, etwa 50 Polizist*innen sind in der „Bearbeitungsstraße“ im
Einsatz.
Seit Anfang November hat die Polizei knapp 600 Menschen an der
brandenburgischen Grenze zu Polen aufgegriffen, bei denen sie annimmt, dass
sie über Belarus und Polen eingereist sind. Die meisten stammen aus dem
Irak sowie aus Syrien, dem Jemen und Iran.
In der Halle nimmt die Polizei ihre Fingerabdrücke, fotografiert und
befragt sie. Die meisten lassen das Prozedere fast erleichtert über sich
ergehen. „Sie wollen gefunden werden“, sagt Jens Schobranski, Sprecher der
Bundespolizei Berlin-Brandenburg. „Wenn wir sie aufgreifen, geht es für sie
weiter, sie sind am Ziel.“ Denn wer die Grenze überquert hat, kann in
Deutschland einen Asylantrag stellen.
Die Menschen sind teils erschöpft oder durchnässt, wenn sie ankommen.
Einige hätten auch leichte Verletzungen, berichtet die Polizei. Deshalb hat
sie in der Halle auch Ruheräume abgetrennt: Auf einfachen Feldbetten liegen
mehrere junge Männer, nur mit dünnen Laken bedeckt, ruhen sich aus oder
schlafen. Dazwischen spielen Kinder. Andere sitzen auf Bänken und warten
darauf, dass es weitergeht.
Denn die Behörden brauchen Zeit: Meist dauert es mehrere Stunden, bis die
Flüchtlinge alle Stationen der sogenannten Bearbeitungsstraße durchlaufen
haben. „Das hängt auch davon ab, ob die Person sich ausweisen kann oder
irgendwo polizeilich erfasst ist“, sagt Schobranski. Wenn nicht, werden
die Geflüchteten ausführlicher befragt. Dabei helfen Sprachmittler*innen.
Natürlich ist auch entscheidend, ob jemand bereits in Polen als asylsuchend
registriert ist. In diesem Fall wäre Polen auch für das Asylverfahren
zuständig. „Das sind tatsächlich nur sehr, sehr wenige“, sagt Schobranski.
Normalerweise überprüft die die Bundespolizei Menschen nach einem rechtlich
unerlaubten Grenzübertritt in einer ihrer Dienststellen. Doch kommen gerade
an der Grenze zu Brandenburg derzeit deutlich mehr Asylsuchende als üblich
an. Um die Dienststellen zu entlasten, hatte die Polizei daher auf dem
Gelände von Brandenburgs zentraler Erstaufnahmeeinrichtung in
Eisenhüttenstadt zunächst Zelte aufgestellt.
Die liegt etwa 30 Kilometer südlich von Frankfurt (Oder). „Da nicht
absehbar ist, dass es weniger werden und weil wir auch auf den Winter
zugehen, haben wir die Arbeitsschritte nun in diese Lagerhalle verlegt“,
sagt Polizeisprecher Schobranski. „Bis zu 400 Menschen können wir hier pro
Tag bearbeiten.“ Noch sei die Kapazität nicht erschöpft, am vergangen
Donnerstag etwa waren es 130 Fälle.
Im letzten Raum schließlich sitzen die Mitarbeiter*innen des
Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Sie verteilen die Menschen
nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer. „Nach Brandenburg
kommen 3,5 Prozent, nach Berlin 5, ins Saarland 1 Prozent“, sagt
Bamf-Regionalleiter Wolfgang Meier. Dabei würden die Mitarbeiter*innen
auch darauf achten, dass Familien nicht getrennt werden – oder
Ehepartner*innen wieder zusammenkommen können.
Das Bamf fühlt sich gut vorbereitet. „Hier von einem Notstand zu sprechen,
wie manche es tun, ist völlig überzogen“, sagt Meier. Dass die Menschen
hier nun in größerem Maße überprüft würden, sei einzig und allein der
Situation geschuldet, dass Brandenburg durch die lange Grenze zu Polen
derzeit besonders belastet sei. „Das ist ein geordnetes Verfahren“, sagt
er. „Die Lage ist nicht mal angespannt.“ Auch die Polizei hat nach eigenen
Angaben die neuesten Bilder und Videos von den Lagern und Trecks der
Geflüchteten an der Grenze zwischen Polen und Belarus im Blick und passt
die Lage an.
Draußen vor der Tür sprechen drei Frauen alle Menschen an, die das Gebäude
verlassen. „Habt ihr da drinnen diesen Mann gesehen?“, fragt eine und hält
ihr Handy mit einem Foto hin. Sie sei die Ehefrau und lebe schon seit vier
Jahren in Deutschland. „Heute morgen hat mein Mann mir seinen Standort
geschickt, wir sind sofort losgefahren“, sagt sie. Jetzt sei er nicht mehr
online. Rein darf sie nicht. „Ich hoffe so sehr, dass wir ihn heute
finden“, sagt sie.
9 Nov 2021
## AUTOREN
Uta Schleiermacher
## TAGS
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
Geflüchtete
Belarus
Polen
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