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# taz.de -- Fluchtroute über Belarus: Gemeinsame Grenzbegehungen
> Innenminister Seehofer fordert mehr Kontrollen an der Grenze zu Polen.
> Laut der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl verfehlt er damit aber das
> Thema.
Bild: Auf der polnischen Seite werden Geflüchtete aus dem Irak mit ihren Kinde…
Berlin taz | Die polnische Grenze bleibt offen, jedenfalls von deutscher
Seite aus. Eine Grenzschließung um Flüchtlinge abzuhalten, so versicherte
der scheidende Innenminister Horst Seehofer (CSU) am Mittwoch, werde es
nicht geben. Am Vormittag hatte sich das Bundeskabinett mit der steigenden
Zahl über Polen einreisender Asylsuchender befasst. Seehofer hatte
Maßnahmen vorgestellt, um die Ankünfte auf der über Belarus und Polen nach
Ostdeutschland führenden Route zu senken.
Die Oder-Neiße-Grenze ganz abzuriegeln sei dabei politisch nicht gewollt,
und es wäre wohl auch rechtlich nicht haltbar, weil Polen selbst „sehr
starke Initiativen“ zum Grenzschutz ergriffen habe, so Seehofer.
Brandenburg, wo derzeit die meisten Flüchtlinge aus Polen ankommen, hatte
einen solchen Schritt zuvor abgelehnt.
An der deutsch-polnischen Grenze wurden in diesem Jahr, vor allem seit
Anfang August, bislang 5.665 unerlaubte Einreisen mit Belarus-Bezug
festgestellt. Die Zahlen seien zuletzt stark gestiegen, teilte das
Bundespolizeipräsidium am Mittwoch in Potsdam mit. Im laufenden Monat seien
bis zum 19. Oktober 3.262 illegale Einreisen mit Belarus-Bezug über Polen
verzeichnet worden.
Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur AFP geht die Bundesregierung
davon aus, dass derzeit etwa 15.000 Menschen in Belarus auf eine
Weiterreise nach Westen warten. Dass die Regierung in Minsk fast alle
Visabeschränkungen aufgehoben und so Menschen aus dem Nahen Osten den Weg
an die EU-Außengrenzen in Polen erleichtert habe, nannte Seehofer eine
„Form der hybriden Bedrohung“.
Er habe Polen indes eine Verstärkung gemeinsamer „Grenzbegehungen“ auf der
polnischen Seite angeboten, sagte Seehofer. Bei gemeinsamen Patrouillen an
der Oder-Neiße-Grenze soll dabei die Bundespolizei mit den polnischen
Beamten „Grenzgänger identifizieren“ und „Straftäter, also Schleuser
dingfest machen“. Eine Antwort aus Warschau darauf steht aus.
Aus Sicht des deutschen Innenministeriums hätte ein solches Vorgehen den
Vorteil, dass jeder schon auf polnischer Seite aufgegriffene „Grenzgänger“
dort behördlich erfasst werden und folglich nur noch dort einen Asylantrag
stellen kann. Die Aussichten auf eine Anerkennung dort sind allerdings
ungleich schlechter, weshalb die meisten Flüchtlinge eine Registrierung in
Polen zu vermeiden suchen.
In seinem Brief an den polnischen Innenminister Mariusz Kamiński erneuerte
Seehofer zudem seine Aufforderung, dass Polen Hilfe der
EU-Grenzschutzagentur Frontex annehmen möge. Was die Grenze zu Belarus
angeht, hat Warschau bislang jede Hilfe von Außen abgelehnt und setzt
demonstrativ auf eigene Kräfte, darunter das Militär.
In dem Schreiben dankte Seehofer dem Nachbarland Polen ausdrücklich für das
Vorgehen bei der „Sicherung unserer gemeinsamen Außengrenze“. Der
Regierungspartei PiS nahe stehende Medien zitierten dies erfreut. Kritik an
der Tatsache, dass durch das Vorgehen Polens mittlerweile mindestens sieben
Menschen im Grenzgebiet zu Belarus gestorben sind, dass Tausende teil
schwer misshandelt wurden und teils schon seit Monaten in dem Grenzstreifen
feststecken, gab es von Seehofer keine.
„Horst Seehofer hat das Thema verfehlt“, sagt Karl Kopp, Leiter der
Europa-Abteilung von Pro Asyl dazu. „Anstatt die Menschenrechtsverletzungen
an den Grenzen anzuprangern, bezeichnet der Innenminister Geflüchtete als
‚hybride Bedrohung‘ und spricht von Unterstützung Polens bei der ‚Abwehr…
Dies setze die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische
Menschenrechtskonvention außer Kraft, so Kopp.
20 Oct 2021
## AUTOREN
Christian Jakob
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Polen
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Türkei
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