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# taz.de -- Polen schottet sich ab: Im Ausnahmezustand
> Um Geflüchtete aus Belarus abzuwehren, will Warschau an seiner östlichen
> Grenze den Notstand verhängen. Dadurch werden Bürgerrechte eingeschränkt.
Bild: Weder vor, noch zurück: Geflüchtete, die an der belarussisch-polnischen…
Warschau taz | „Seit Tagen schon „verteidigt Polen die Europäische Union an
seiner Ostgrenze“. So zumindest schreibt die regierungsnahe Gazeta Polska
Codziennie auf ihrer Titelseite. Auf Fotos sieht man schwerbewaffnete
polnische Soldaten, die vor einer Gruppe von 32 Afghanen stehen, darunter
vier Frauen, ein 15-jähriges Mädchen und ein 17-jähriger Junge.
Sie frieren, trocknen ihre nasse Kleidung im Rauch eines nicht richtig
brennenden Lagerfeuers und rufen immer wieder auf Englisch: „Ich möchte
internationalen Schutz!“ Sie können nicht vor und nicht zurück: Hinter
ihnen stehen belarussische Soldaten, vor ihnen polnische. Links und rechts
stapeln sich auf 2,50 Meter Höhe [1][Stacheldrahtrollen, um die Grenze
abzuriegeln]. Zum „Schutz Polens und ganz Europas“ will die polnische
Regierung den „Ausnahmezustand“ an der Grenze ausrufen.
Als Innenminister Mariusz Kaminski von der nationalpopulistischen Partei
Recht und Gerechtigkeit (PiS) die Gefahren schildert, die Polen angeblich
„aus dem Osten“ drohen, verhaspelt er sich und spricht vom „Kriegsrecht�…
das Präsident Andrzej Duda über einen drei Kilometer breiten Grenzstreifen
verhängen müsse. Duda unterschrieb am Donnerstag, nachdem er bereits am
Dienstag signalisiert hatte, dem Antrag der Regierung zu folgen, „um die
Situation an der Grenze zu stabilisieren“.
Das Dekret des Präsidenten wird direkt nach seiner Publikation gültig, auch
wenn der Sejm, das polnische Abgeordnetenhaus, am Freitag oder Montag noch
darüber abstimmen muss. Gibt der Sejm sein Plazet, wovon bei der
Stimmenmehrheit der PiS und ihrer Unterstützer:innen auszugehen ist,
wird der Ausnahmezustand aber nicht nur lokal über 183 Ortschaften entlang
Polens Ostgrenze verhängt, zu denen keine Ortsfremden mehr fahren dürfen.
Unmöglich wird so auch eine professionelle Berichterstattung über die
Flüchtlingskrise an Polens Ostgrenze und über eventuelle „Provokationen“
von welcher Seite auch immer.
## Aufgeregte Debatten
Vielmehr – und das geht in der aufgeregten Debatte über die Einschränkung
der polnischen Bürgerrechte weitgehend unter – wird der Sejm mit einem „Ja…
zum Präsidenten-Dekret auch seine eigenen Rechte beschneiden. Denn solange
der „Ausnahmezustand“ anhält, darf der Sejm über keine vorgezogenen
Neuwahlen abstimmen.
Beobachter vermuten, dass das der eigentliche Grund für den
„Ausnahmezustand“ zum jetzigen Zeitpunkt sein könnte. Denn Polen ist
inzwischen reich genug, um mehrere Tausend Asylbewerber vorläufig
aufzunehmen und in einem geordneten Verfahren zu klären, wer asylberechtigt
ist und wer nicht.
Für den Machterhalt der Nationalpopulisten viel wichtiger ist: Vor Kurzem
[2][ist die Regierungskoalition „Vereinte Rechte“ zerbrochen], so dass die
PiS-Fraktion im Sejm nicht mehr über die absolute Mehrheit verfügt. Während
die PiS für die „Porozumienie“ (Verständigung) noch keinen vollwertigen
Nachfolger finden konnte, radikalisiert sich in den letzten Tagen auch noch
die Partei „Solidarisches Polen“.
Deren Chef Zbigniew Ziobro, Polens Justizminister, behauptet, dass die EU
Polen einen „hybriden Krieg“ erklärt habe und Brüssel Polen wie eine
Kolonie behandle. Die PiS braucht also ein wenig Zeit, um die Situation in
den eigenen Reihen zu beruhigen.
Andererseits gewinnt die bislang vor sich hin dümpelnde
liberal-konservative Bürgerplattform (PO) gewaltig an Aufwind, seit Donald
Tusk, der Parteigründer, polnische Ex-Premier und ehemaliger
EU-Ratspräsident wieder zurück im Land ist und die politische Szene Polens
ordentlich aufmischt. Sollte es zu vorgezogenen Neuwahlen kommen, könnte
die Opposition gewinnen.
2 Sep 2021
## LINKS
[1] /Gefluechtete-in-Litauen/!5788059
[2] /Streit-um-Mediengesetz-in-Polen/!5793278
## AUTOREN
Gabriele Lesser
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